Der ifo-Presseberichtklimaindex

Es ist schon ein Trauerspiel, wie die Medien sich monatlich auf den Geschäftsklimaindex aus dem Hause Sinn stürzen und dessen Erhebungsdaten auf dem Leim gehen. Denn sie berichten von einer Kennzahl, die durch tautologische Prophetie entsteht, weniger durch in der Wirklichkeit dokumentierte Daten. Der Indikator basiert auf Hörensagen und Bauchgefühl, bildet also das allgemeine Klima ab, so wie es von den Medien publizistisch interpretiert wurde.
Der ifo-Geschäftsklimaindex funktioniert ungefähr so: Das ifo-Institut schreibt monatlich Unternehmensführungen an, die über allerlei Auskunft geben sollen. Besonders markant ist hierbei die persönliche Einschätzung der Geschäfts- und Nachfrageerwartung. Diese Schätzung ist keinen nachweisbaren Zahlen geschuldet, sondern der persönlichen Meinung. Nun lesen auch Manager Zeitung und können darin lesen, dass die Stimmung schlecht ist, dass der Einbruch der Euro-Zone und des Abendlandes quasi täglich im schweren Einsatz vereitelt wird; dass der Sozialstaat Geld kostet und die Demokratie Hindernisse aufstellt, die man nicht erst umgehen und beseitigen müsste, gäbe es diese Demokratie nicht. Kurzum, der Manager lebt im selben Pressemilieu, in dem alle hierzulande leben, so sie denn Zeitung lesen. Ob man da einen objektiven Eindruck der Lage erhält, darf bezweifelt werden. Ob man vielleicht persönlich zur Panik neigt oder einfach nur unkritisch glaubt, der Journalismus ist über jede wirtschaftliche Interessensverflechtung erhaben: das ist es, was in den Index einfließt. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist daher nicht mehr als die Abbildung der charakterlichen Leseeignung und der Lesekompetenz von Unternehmensleitungen.

Kreuzchen bei "Geschäftserwartungen: ungünstiger", denn die Stimmung ist schlecht, ich habe es neulich im Spiegel gelesen und beim Stern einen Aufmacher gesehen, der das bestätigte - das ifo-Institut veröffentlicht daraufhin, dass die Stimmung schlechter ist - der Spiegel und der Stern berichten deswegen besorgt, dass die Stimmung in den Keller sinkt, weil die Unternehmen ängstlich in die Zukunft blickten - das politische Ressort der Magazine analysiert folglich, warum es so mies läuft - Manager lesen diese Berichte und erkennen, dass ihre Einschätzung richtig war - ein Monat verfliegt und sie werden erneut befragt vom Institut - weiterhin "ungünstiger" kreuzen sie an, letztens schrieb doch der Stern davon und Focus auch, haben Sie das denn nicht gelesen?
Diese Tautologie ist endlos. Sie schaukelt sich selbst zur eigenen Wahrheit, sie schmiedet sich eine Realität zurecht, wie es sie zuerst publiziert gab. Oder nicht? Wer war zuerst? Das miese Klima oder der Bericht darüber? Ei oder Henne? Der ifo-Geschäftsklimaindex ist nicht mehr als der ifo-Presseberichtklimaindex...
Man stelle sich vor, plötzlich häuften sich die positiven Meldungen, jedes Magazin wäre zum Sonnenschein verpflichtet - wie würde der Geschäftsklimaindex reagieren? Als Abbild der Stimmungen suggerierte er Anpackerzeiten und Aufschwung. Die wirtschaftliche Wirklichkeit sieht aber zuweilen anders aus, als es das agenda setting dokumentiert. Das sieht man bei den Berichten des Arbeitsmarktes, die voller positiver Energien sind, während die prekäre Ausbeutung auf dem Vormarsch ist. Überhaupt könnte man einwenden, dass ja durchaus nicht medial verbreitet würde, es gehe alles den Bach runter. Man liest doch so oft, dass Reformen fruchteten und es Lichtblicke gibt. Diese Meldungen beziehen sich jedoch nicht auf die Fragen der Unternehmen selbst. Denn für Unternehmen sieht es immer schlecht aus. Zu wenig Profit, zu wenig Fachkräfte, zu hohe Steuern und bürokratische Barrieren. Unternehmen reiben sich schrecklich auf, sagt uns die täglich publizierte Legende. Darüber zu berichten, wie schlecht es um die Zukunft von Unternehmen steht und die Schönfärbung sozialstaatlicher Beschneidungen zu gelungenen Reformen: das gehört zusammen, das ist eine Brühe.
Nun darf man das freilich nicht falsch verstehen. Die Aussichten sind vermutlich wirklich trübe - eine Politik, die Sparen als Parole immer dann kennt, wenn Investionen nötig wären, schafft nicht Zuversicht, sondern traurige Aussichten. Damit hat der ifo-Geschäftsklimaindex recht - wenn er das auch anderen Prämissen zuschreibt. Nur ist die tautologische Erhebung einer solchen Kennzahl, die sich auf Presseberichte, auf den publizistischen Abklatsch der Welt stützt, völlig unnötig, weil tautologisch, weil nicht mehr als ein grobmotorisches Doppelpaßspiel zwischen Publizistik und Wirtschaft. Theoretisch wäre es denkbar, eine florierende Wirtschaft durch reges Niederschreiben in "schlechte ifo-Index-Stimmung" zu versetzen.
Dabei ist natürlich noch zu betonen, dass es nicht der Wirtschaft schlecht geht - sie ist ja als sächliches Etwas total anspruchslos. Es sind die Menschen, denen es zunehmend schlechter geht, weil der Neoliberalismus in eine radikale Phase eingetreten ist. Der ifo-Index sieht dieses Stadium aber nicht als Grund schlechter Stimmungen. Gelänge es Sinns Haus, anhand seines Index' Schlagzeilen zu generieren, die da lauteten: "Regierung erwägt zur Ankurbelung Lockerung des Kündigungsschutzes!" oder "Betriebliche Mitbestimmung für Arbeitnehmer eingeschränkt!" oder "Paritätisches Gesundheitssystem auf dem Prüfstand!", dann würde der nächste Index auch positiver ausfallen - dann wäre die Stimmung anhaltend gut, obgleich es keinen Grund dafür gäbe.
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