Es hat eine Weile gebraucht, bis ich verstanden habe, wie wichtig Routinen und Regelmäßigkeit beim Schreiben sind. Geschrieben habe ich, wenn ich Lust dazu hatte und so gab es immer wieder Tage, die ich mal schreibend, mal nicht-schreibend verbracht habe. Ich kam nicht nur langsam voran, es stapelten sich viele angefangene Schreibprojekte und nur wenige kamen über den Entwurf und etliche Korrekturversionen hinaus. Damit es auch dir gelingt, deinen Schreibtag besser zu strukturieren, skizziere ich den Ablauf einer Schreibsequenz vom Einstimmen bis zum Ende kommen, die zu deiner täglichen Routine werden kann.
Mit der kleinsten Einheit gegen Widerstände und Blockaden
In der kleinstmöglichen Einheit liegt der Schlüssel, um ins Tun zu kommen. Die Idee ist angelehnt an Barbara Shers Ausführungen in Lebe das Leben, von dem du träumst. Als Coach und Karriereberaterin ist eine ihrer Strategien gegen innere Widerstände die „kleinste zumutbare Aktionseinheit“. Wenn du heute nicht schreiben kannst oder willst, dann probiere etwas von meiner folgenden Liste aus und belasse es dabei. Wiederhole es morgen und am nächsten Tag. So lange, bis du von selbst schreiben willst.
Ideen für kleine Einheiten, anstelle des Schreibens, um uns Schreiben zu kommen:
- Notizbuch öffnen und Stift bereit legen
- Geschriebenes vom Vortag lesen und Anmerkungen an den Rand schreiben
- einen anderen Text von dir laut vorlesen
- Einfälle zum geplanten Text notieren
- den Tag Revue passieren lassen: Eindrücke notieren, Momente skizzieren
- einen einzigen Satz oder Vers schreiben
Einstimmen ins Schreiben
Warum solltest du dich überhaupt einstimmen? Sicher kennst du das Gefühl, dass du gedanklich noch nicht bei der Sache bist, dass du am Schreibtisch sitzt, deine Gedanken aber abschweifen, dein Geist deinem Körper noch nicht hinterher gekommen ist. Beim Reisen ist es ähnlich: Der Geist reist langsam, er reist dem Körper hinterher, der schon längst in der nächsten Stadt angekommen ist.
Gib dir selbst das Signal, dass du nun bereit für das Schreiben bist, indem du deine Playlist startest. Gibt es vielleicht ein Lied, mit dem du immer wieder das Schreiben eröffnen möchtest? Einen Kurzgeschichtenband, in dem du bei jedem Mal eine neue Geschichte liest oder ein Gedicht aus einem Lyrikband liest?
Schreibeinstimmer können sein:
- Musik hören
- Gedicht, Songtext, Haiku oder Kurzgeschichte lesen
- Bild betrachten
- Text abschreiben
- von einem Zitat anregen lassen
Beginne mit dem Warmschreiben
Aufwärmen oder warm schreiben, das klingt nach Sport, doch nichts anderes sind Fingerübungen für das tägliche Schreiben. Leg auf das Ergebnis keinen allzu großen Wert. Es ist der Entwurf vor dem Entwurf. Was hier entsteht, kann eine spätere Quelle für dich sein, eine Stoffsammlung oder auch ein fließender Übergang zu deinem Schreibprojekt – oder nichts von alledem.
Die Übung kann frei oder geführt sein, je nachdem, ob du nach einem selbst gewählten Thema oder assoziativ schreibst, oder indem du Vorgaben folgst.
So kannst du dich warm schreiben:
- Schreibübung / Writing prompt
- Journal schreiben
- Freewriting
- eine fortlaufende freie Übung, falls du z. B. eine Übungsfigur hast, dann schreibe kleine Episoden aus ihrer Perspektive
Struktur und Schreibziel festlegen
Leg dir für deine Schreibeinheit ein Ziel fest, das du erreichen möchtest. Das könnte sein: einen Entwurf schreiben, einen Absatz schreiben, 30 Minuten schreiben, 2 Seiten oder 1.000 Wörter. Dein Ziel sollte messbar sein, denn dadurch stellt sich der Erfolg schneller ein.
Schreiben und die Worte fließen lassen
In dieser Phase geht es nur um dich und das Schreiben. Um nichts anderes. Du konzentrierst dich voll aufs Tippen oder den Stift. Schreiben ohne löschen, ohne durchstreichen, ohne abzusetzen im besten Fall. Diese Phase ist von allen anderen im Schreibprozess zu trennen.
Du solltest nicht korrigieren, während du schreibst, denn dann unterbrichst du den Fluss. Du solltest auch nicht immer wieder zu einem Satz zurückkehren und umformulieren. Arbeite stattdessen mit Markierungen, wie einem * hinter dem Wort, wenn du dich in einer anderen Schreibphasen um eine treffendere Formulierung kümmern möchtest. Folge dem Fluss deiner Gedanken und schreibe weiter.
Du wirst sehen: Nur wenn etwas da ist, kannst du weiter damit arbeiten, es später verbessern und weiterentwickeln. So lange das Blatt leer bleibt, hast du nichts, mit dem du arbeiten kannst. Und wichtig: Chronologisch muss es gar nicht sein. Fang in der Mitte an oder spring zu einem anderen Teil – eben immer dahin, wohin der Stift dich verschlägt.
Der Wiedereinstieg nach Pausen
Pausen sind während des Schreibens wichtig und richtig. Es liegt nahe, dass du nach der Pause dein Geschriebenes wieder durchliest. Doch das versetzt dich möglicherweise in die “Korrekturphase” statt in die Schreibphase. Überprüfe daher, ob du in der Stimmung bist, um da weiterzuschreiben, wo du zuvor aufgehört hast. Vielleicht brauchst du nur einen kleinen Anstoß durch einen Impuls von außen (starte beim Einstimmen und Warmschreiben) oder du bleibst in der Korrekturphase bleiben oder wendest dich einem anderen Schreibprojekt zu, das sich vielleicht sogar in einer anderen Schreibphase befindet.
Das Schreiben beenden
Ich erinnere mich, von einem Autoren gelesen zu haben (wenn ich raten müsste, würde ich Nicholas Sparks sagen, leider finde ich das Zitat nicht mehr), der seinen Schreibtag beendet, indem er mitten im Satz aufhört zu schreiben, wenn er genau weiß, weiß, wie es weiter geht. Das hat den Vorteil, dass du diese Energie mit in den nächsten Tag nimmst. Du weißt also genau, womit du starten wirst.
Den nächsten Schreibtag planen
In Ratgebern zum Zeitmanagement findet sich häufig der Tipp, am Ende des Tages den nächsten vorzubereiten. Das funktioniert über eine Liste, die du dir am Abend schreibst und Aufgaben für den neuen Tag überlegst. Neben dem Ziel, eine bestimmte Szene zu schreiben, können es auch Fragestellungen sein, denen du auf der Spur bist, z. B. was es braucht, um eine bestimmte Szene sinnlicher zu gestalten.
Brian Tracy schreibt in Eat the Frog davon, wie wichtig diese Vorbereitung ist, damit das Unterbewusstsein an diesen Aufgaben in der Zwischenzeit weiterarbeitet und beim Lösen von Problemen oder Fragestellungen hilft. In seinem Buch stellt Tracy ein Sammlungs- und Ordnungsprinzip für alle anfallenden Aufgaben an: Es sind Listen. Alle geplanten Aufgaben und ToDos werden in der Hauptliste gesammelt und wandern dann in die Monats-, Wochen- oder Tagesliste. In Online-Projektmanagementtools wie Trello oder Asana lassen sich als Aufgabenkärtchen anlegen und hin- und herschieben. Sie wandern von einer Liste zur nächsten und so kannst du dir für den nächsten Tag deine drei wichtigsten ToDos von der Wochen- in die Tagesliste schieben.
Schreibtag beendet – sei stolz!
Egal wie du deinen Schreibtag gestaltet hast, sei stolz. Sei stolz, wenn du eine Postkarte betrachtest und einige Zeilen geschrieben hast, wenn du zu laufender Musik geschrieben hast, wenn sich dein Notizbuch gefüllt hat, wenn dein Handgelenk vom schnellen Schreiben etwas schmerzt, wenn du mehr Ideen hast, als du aufschreiben kannst. Und auch, wenn du heute einen kleinen Schritt getan hast, über deinen Texten hängengeblieben bist und sie immer wieder durchgelesen hast. Bleib dran und mit jedem Mal mit dem du das Schreiben beginnst, wird die Verbindung stärker und das Schreiben selbstverständlicher.
Das ist meine aktuelle Schreibroutine
Morgens
7:00 - 7:30Journaling oder Recherche einer Fragestellung vom Vortag
Die drei wichtigsten Aufgaben für den Tag festlegen
Abends
EinstimmerJazz-Musik zum Konzentrieren
20:30 - 20:45Tages-Chronik führen
Schreibübung
20:45 - 21:30Rohfassung schreiben
Teepause
bis 22 UhrRohfassung oder Überarbeitung eines anderen Textes
Tagebuch
Wie sieht dein Schreibtag aus?
Ich bin gespannt, welche Schreibroutinen du dir aufgebaut hast und freue mich, davon in den Kommentaren zu lesen!
Quellen und weiterführende Literatur
Sher, Barbara (2008): Lebe das Leben, von dem du träumst. München: dtv.
Tracy, Brian (2010): Eat that frog. 21 Wege, um sein Zaudern zu überwinden. Offenbach: GABAL.