Berühmter griechischer Aktivist: Mikis Theodorakis
Wenn in einem Geburtstagsgruß zum Neunzigsten der Hauptberuf des Jubilars – Komponist – weder in der Überschrift noch im ersten Absatz genannt wird, sondern erst im vierzehnten Satz gut versteckt die Formulierung “berühmteste Komponist seines Landes” auftaucht, dessen Kompositionen allerdings “weniger bekannt” seien… dann, ja dann kann es sich nur um Mikis Theodorakis handeln.
Theodorakis ist der tragische Fall eines Komponisten, der zuviel geredet hat. Damit will ich seinen politischen Kampf nicht herabwürdigen – er hat zweifellos großes geleistet und hat für seine Unbeugsamkeit manches durchmachen müssen. Doch sein politischer Kampf hat eben dazu geführt, dass er als politischer Aktivist berühmt geworden ist. Als politischer Aktivist, der gleichzeitig komponiert. Als romantischer Held. Als dichtender Revolutionär. Nicht als Komponist.
Komponisten begeben sich in Gefahr, wenn sie zuviel reden. Alles was sie sagen, kann gegen sie verwendet werden. Sie haben es ungleich schwerer als Schriftsteller oder Regisseure, wenn sie sich zu Fragen außerhalb ihrer Kunst äußern. Denn Schriftsteller und Regisseure tun das mithilfe desselben Mediums, mit dem sie ohnehin arbeiten: der Sprache. Wer ein Interview mit einem Schriftsteller liest, der kann ganz einfach einen seiner Romane danebenlegen und nachvollziehen, wie sich politischer und künstlerischer Standpunkt zueinander verhalten.
Bei Musik ist das schwieriger. Denn längst nicht jeder, der ein Interview oder einen Roman verstehen kann, versteht auch eine Komposition. Und wer ratlos vor der ungreifbaren Musik steht – worauf wird er sich wohl stützen, wenn er sich dennoch ein Bild vom Komponisten machen will? Klar doch: auf seine Interviews!
Eben dies ist Theodorakis passiert. Jeder kennt ihn. Niemand kennt seine Musik (abgesehen von der Alexis-Sorbas-Filmmusik, die Theodorakis selbst scheiße findet). Seine Symphonien, Lieder, Ballette – davon erfuhr ich erst im heutigen Geburtstagsartikel. Armer Kerl.
Genau aus diesem Grunde hab ich immer tunlichst vermieden, mir irgendwelche Schuhe anzuziehen. Klar, es würde so manche Bewerbung einfacher machen, wenn man einen flotten Teaser oder ein schräges Image sein Eigen nennen könnte, das den Leuten die Arbeit abnimmt, sich mit der Musik selbst beschäftigen zu müssen. Ah, der Grütter, ja klar, das ist doch der mit dem sowieso. Manche Kollegen beherrschen dieses Spiel virtuos. Ich habe es immer für ein Stück Kapitulation gehalten.
Theodorakis allerdings kann nichts dafür. Er wurde schließlich nicht deshalb politischer Aktivist, um sich ein Image fürs Komponieren zuzulegen. Und ehrlicherweise muss man sagen, dass seine Musik wohl auch dann nicht bekannter geworden wäre, wenn er kein politischer Aktivist gewesen wäre. Dann würde man wohl gar nichts mehr von ihm kennen – weder seinen Namen noch seine Musik.
Insofern also doch Respekt: Ein Totalversager war er nicht. Ein berühmter Freiheitskämpfer wird heute neunzig. Herzlichen Glückwunsch, Mikis Theodorakis!