Es sind 300 Seiten, die das Kinderbuch Der kleine Hobbit ausmachen. Peter Jackson war das nicht genug. Was locker in einen einzigen Film reingepasst hätte, wurde von dem Regisseur, Mit-Drehbuchautor und Produzenten als zwei Filme geplant und nach den Dreharbeiten dann auf drei Filme ausgeweitet. Somit wurde auch die Verfilmung Der Hobbit zu einer Trilogie. Nachdem im Dezember vergangenen Jahres Martin Freeman zum ersten Mal als Bilbo Beutlin mit dreizehn Zwergen als Begleitung in die weite Welt von Mittelerde ausziehen durfte, um sich mit Trollen zu messen, durch den Düsterwald zu schleichen und im Nebelgebirge auf Gollum zu treffen, setzt der kleine Hobbit aus dem Auenland nun seine haarigen Füße in Smaugs Einöde.
Smaug ist der schlafende Drache, der unter dem Berg Erebor liegt und dort einen gigantischen Zwergenschatz bewacht. Hier möchte Thorin Eichenschild (Richard Armitage) den Arkenstein finden, ein Relikt welches ihn zum König unter dem Berge machen würde, zum König der Zwerge. Doch bevor er sich dem Drachen stellen kann – im Original mit kräftig düsterer Stimme vom Fernseh-Sherlock Benedict Cumberbatch gesprochen – nehmen es Thorin, Bilbo und die übrigen Zwerge erneut mit zahlreichen Gefahren auf, ehe sie sich in der Seestadt Esgaroth wiederfinden, wo sie zuerst Hilfe von dem Bogenschützen Bard (Luke Evans) erhalten, bevor dieser von ihrem Vorhaben erfährt und sie versucht davon abzubringen, den Berg zu betreten und damit Gefahr zu laufen, den Drachen Smaug zu erwecken.
Bilbo Beutlin schleicht durch Smaugs Goldkammer
Natürlich wäre ein schlafender Drache nur halb so aufregend für Peter Jacksons Verfilmung, weswegen das Aufeinandertreffen von Bilbo Beutlin und Smaug auch den Höhepunkt dieser zweiten Hobbit-Episode darstellt. Überhaupt machen sich in dieser erfreulich lange andauernden Begegnung zahlreiche Verbesserungen zum vorherigen Teil bemerkbar. Viel mehr schon darf Martin Freeman den Zwiespalt seines Hobbits darstellen, hin und hergerissen zwischen der Macht, die von dem magischen Ring ausgeht, noch völlig naiv und unwissend über dessen ergreifendes Wesen, und den lustigen Eskapaden, in denen er sichtlich verwirrt dreinblickt, verschroben, weltfremd und gänzlich von einer Situation überfordert wirkt. Freeman spielt das mit beeindruckender Gelassenheit, so frisch und frei, als hätte der melancholische Frodo aus Der Herr der Ringe ein wenig von dem spitzbübigen Spaß Merry und Pippins abbekommen.
Es liegt nicht an Freeman, dass er diesen Bilbo nicht in seiner vollen Stärke entfalten kann. Der Film verschwendet zumindest in der ersten Hälfte viel zu sehr seine Zeit damit, die Zwerge und den Hobbit durch die Welt streifen zu lassen. Episodenhaft werden hier die Stationen der Reise recht fix durchgearbeitet: Von Beorn (Mikael Persbrandt), im wahrsten Sinne des Wortes ein Bär von einem Mann, in den Düsterwald, wo es zuerst hungrige Riesenspinnen auf sie abgesehen haben und dann die Gefangenschaft bei den Waldelben auf sie wartet. Hier begegnen Bilbo und die Zwerge dem noch jungen und aggressiven Legolas (Orlando Bloom) und Peter Jacksons Hinzudichtung Tauriel (Evangeline Lilly). Tauriel ist eine willkommene weibliche Abwechslung in der sonst recht stark von Männern geprägten Welt Tolkiens. Bereits in Der Herr der Ringe wurde die Rolle der späteren Königsfrau Arwen ausgebaut, um dem Kinopublikum mehr Frau bieten zu können. Warum Tauriel wiederum als unbarmherzige Kriegerin, als Oberhaupt der Elbenwache dargestellt wird, nur um sich dann in den nächstbesten Zwerg zu verlieben, deutet nur darauf hin, dass Peter Jackson die Rolle der Frau nicht ohne einen dazugehörigen Mann konzipieren konnte.
Neuzugang in Mittelerde: der Bogenschütze Bard
Nach der ersten, ist die zweite Hälfte des Films dann die besondere Stärke von Smaugs Einöde, wo sich auch ganz im Sinne des Filmtitels, die Handlung abspielt. Es erinnert ein wenig an Bilbo und Gollum, wie sie in Eine unerwartete Reise um den Ring rätseln. Hier nun muss sich Bilbo kleinlaut dem feuerspeienden Zorn von Smaug ergeben. Die gigantische Erscheinung des Drachens, der sichtlich seinen Spaß daran hat, den kleinen Hobbit durch seine Höhle zu verfolgen, und eben dieser, wie er stolpert und stürzt, schwitzt und schluckt, dem Drachen mit britischer Höflichkeit seine Ehrerbietung darbringt, nur um seine Haut zu retten. Auch wenn man seit der Kreatur Gollum weiß, dass die Möglichkeiten der Tricktechnik fast unendliche Ausmaße annehmen können, so ist es dennoch immer wieder beeindruckend, dass manch eine Performance wie pures Schauspiel wirkt. So auch bei Smaug, bei dem in jeder Sekunde die Illusion gegeben ist, dort würde wirklich ein Drache vor Freeman stehen, der in diesem Moment seine Rolle als böses, den Schatz bewachendes Monsters einnimmt.
Nun könnte man hoffen, dass mit dieser Konfrontation der Film ein starkes Ende findet. Nur leider ist er so sehr auf die noch kommende Fortsetzung Hin und zurück fixiert, dass Der Hobbit: Smaugs Einöde noch schlimmer endet als mit einem Cliffhanger. Statt des offenen Endes hat Jackson mitten in der Handlung einen Schnitt gemacht, weder schön anzusehen, noch ein befriedigendes Gefühl, wenn hier nun das Licht im Kinosaal wieder an geht und man sich verwirrt umschaut, ob da nicht noch fünf Minuten fehlen. Es fehlen aber noch ganze drei Stunden, auf die wir uns bis zum Dezember 2014 gedulden müssen.
“Der Hobbit: Smaugs Einöde“
Originaltitel: The Hobbit: The Desolation of Smaug
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 161 Minuten
Regie: Peter Jackson
Darsteller: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, Orlando Bloom, Evangeline Lilly, Ken Stott, Graham McTavish, William Kircher, James Nesbitt, Stephen Hunter, Dean O’Gorman, Aidan Turner, John Callen, Peter Hambleton, Jed Brophy, Mark Hadlow, Adam Brown, Lee Pace, Mikael Persbrandt, Benedict Cumberbatch, Luke Evans, Stephen Fry, Sylvester McCoy