Gran Canyon? Nein, Locarno, Cimetta!
Als ich zur Schule ging, galt ich als eine Globetrotterin unter meinen Mitschülern. Kein Wunder, fuhren wir Ausländerkinder doch jeden Sommer vier Wochen lang ganz weit weg: nach Italien, nach Spanien oder gar in die Türkei! Stunden- bzw. tagelang waren wir mit dem Auto abenteuerlich unterwegs in für Schweizer Kinder meist noch unbekannte, ferne Länder!
Neidisch bestaunten sie nach dem Ferienende unsere Bräune und unsere Mitbringsel aus den heimatlichen Märkten. Selber waren sie „nur“ im Tessin gewesen, bestenfalls gar ein paar Tage in Bibione. Aber weiter weg ging damals fast niemand in die Ferien.
Was meine Schulkameraden nicht glauben konnten: ich war genau so neidisch auf sie, die den herrlich frischen Sommer in der Schweiz verbringen durften, während ich unter dem „Sol Leone“, der südländischen Löwensonne, zu ächzen hatte. Sie, die tagelang in der Badi ihre sozialen Kontakte auch während der Ferien pflegen konnten, während ich nach der obligaten Woche am Meer den Rest der Ferien in einem verwunschenen Dorf inmitten des Nichts darben musste. Sie, die den 1. August feiern konnten, während ich diesen Jahr für Jahr verpasste.
Heute ist es genau umgekehrt: kaum ein Kleinkind, das nicht bereits im ersten Lebensjahr meilenweit geflogen wäre – nach Ägypten, nach Thailand oder gar nach Australien. „Was, Ihr seid als Familie noch nie geflogen?“ Nein, wir sind als Familie noch nie geflogen. Weder aus Angst, noch aus Geiz, sondern weil es uns einfach nicht unter den Nägeln brennt.
Für uns kann der Himmel vorerst noch warten. Und wenn es die Buben ihrer Mamma gleich tun, dann fliegen sie erstmals mit geschlagenen zwanzig Jahren – und dies auch nur bis nach Rom.
mittwochs immer im Tagblatt der Stadt Zürich
Was wir in den Frühlingsferien alles erlebt haben, könnt Ihr in der Rubrik Unsere Ferien im Tessin nachlesen!