Der Himmel ist weiss (Foto: © Armin Bardel)
Das Theater Drachengasse in Wien präsentiert derzeit die Produktion „Der Himmel ist weiss“, erarbeitet in Koproduktion mit der Gruppe L´art pour l´art. Einem Team, dem unter anderen die Schauspielerin Margot Binder und ihre Kollegen Christoph Kail, William Mang und Johannes Rhomberg angehören. Unter der Regie von Leila Müller erzählen sie, so möchte man auf den ersten Blick meinen, eine „ménage à quatre“ – aber ganz so einfach ist es nicht.
Der Autorin des Stückes, die Schweizerin Sabine Harbeke, Jahrgang 1965, geht es darin nicht um prickelnde Liebesgeschichten, sondern vielmehr um die – fast möchte man meinen – exemplarische Nacherzählung eines Frauenlebens und deren Männerbeziehungen. Dabei wechselt die Szenerie häufig in der Zeit, bleibt nicht kontinuierlich zeitgebunden am Lebensablauf, was die Geschichte aber auch offen für einige Interpretationen lässt.
So darf das Publikum an Marias (Margot Binder) Partnerschaften teilhaben, Einblick nehmen in ihre Entwicklung, ihre Enttäuschungen, ihre Freuden und Sehnsüchte. Aber anders als in herkömmlichen Beziehungsstücken steht nicht sosehr die Idee des Märchenprinzen im Vordergrund und die permanente Suche nach demselben. Vielmehr gelingt es Harbeke, die einzelnen Verbindungen gleichsam emotionslos zu analysieren und von einer gewissen Distanz aus zu betrachten. Dabei wird man Zeuge von Marias charakterlicher Veränderung – und der Schauspielkunst Binders, die sich vom unbekümmerten jungen Mädchen zu einer reifen Frau wandelt. Ihre Jugendliebe Jan, Johannes Rhomberg, ein übermütiger und zugleich maßlos egoistischer, leicht in die Brutalität kippender junger Mann, wird von ihr verlassen. Sie hat erkannt, dass diese Beziehung außer einer verrückten sexuellen Anziehung und einem Ausprobieren, welches Verhalten an die Grenze des Lebbaren geht, keine Zukunft für sie hat und leidet nicht unter der Trennung. Rhomberg verkörpert glaubhaft die Unbeherrschtheit und den Machtwunsch des jungen Mannes, ohne im Lauf der Zeit seine Lehren aus seinen Fehlern ziehen zu können.
Mit Paul – sympathisch durch Christoph Kail interpretiert – geht Maria eine Ehe ein und bekommt ihre Tochter. Er bildet in ihrem Leben über viele Jahre hindurch den stabilen Dreh- und Angelpunkt, wenngleich die Beziehung nicht immer spannungsfrei verläuft. Dennoch sind es seine Ruhe und sein Festhalten an der Verbindung, die Maria auch über seelische Beziehungstiefen hinweg Halt geben. Die gemeinsamen Treffen zum Mittagessen im Park sind es, die in dem Bühnenstück benutzt werden, um innerhalb weniger Minuten aufzuzeigen, wie es um das jeweilige eheliche Befinden steht. Am ehesten könnte man von Marias Standpunkt aus gesehen den Begriff „Zweckgemeinschaft“ für ihre Ehe verwenden, denn die beiden helfen sich nicht nur im Haushalt, sondern unterstützen sich auch emotional bei ihrer jeweiligen Arbeit und ziehen gemeinsam ihre Tochter auf. Bis Maria auf Eb trifft.
William Mang in der Rolle des verheirateten Seemannes, der in Maria mehr als ein flüchtiges Abenteuer sieht, aber sie dennoch verlässt, wirkt auch in der Abschiedsszene nicht brutal oder absichtlich verletzend. Zwischen zwei Frauen hin- und hergerissen fällt es ihm schwer, seiner Geliebten den Laufpass zu geben. Er ist es, der in Maria Liebesgefühle auslöste, die sie bis dahin wohl nur von Ferne kannte. Er ist es auch, in den sie zarte Hoffnungen setzte, die jedoch nicht erfüllt werden und eine Frau zurück lassen, die erst nach einer gewissen Zeit ohne Bitterkeit an diese Beziehung denken kann.
Die Leistung Sabine Harbekes ist nicht sosehr die Nicht-Verschränkung all dieser Partnerschaften. Vielmehr ist es die Demontage einer Vorstellung vom idealen Partner bzw. von der idealen Partnerin. Es gelingt der Autorin in keinem Augenblick, einen moralischen Zeigefinger zu erheben und die Hauptdarstellerin unglaubwürdig in ihrer Befindlichkeit erscheinen zu lassen. Vielmehr macht sie klar, dass die wahre Herausforderung nicht der ideale Partner sondern das Leben an sich ist, das mit all seinen Höhen und Tiefen, die enge Beziehungen mit sich bringen, gemeistert werden will – und – das Ende sei nicht verraten – nicht immer einem Schwarz-Weiß-Muster folgen muss.
Gewiss ein Abend, der gut zum Nachdenken von Partnerschaften anregt – ob über die eigene oder auch jene von Freunden, Familienmitgliedern oder Bekannten.