Der Herr ist mein Hirte! - stimmt das auch heute noch?

Von Wernerbremen


Wie hat sich die Welt doch verändert! Ob positiv, müsst Ihr selbst feststellen:
Einer der tröstlichsten Verse, die meine Oma früher immer mir und sich vorlas, war der Psalm 23 aus der Bibel:
„Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele; er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch gegen meine Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“
Ich habe schon viele Menschen gesprochen, die selbst nicht religös sind, und diese Menschen empfanden diese Verse des 23.Psalms als sehr tröstlich.
Heute begegnen mir immer öfter Menschen, z.B. in meiner Straße, zu denen die folgende, tieftraurige neue Form des 23.Psalms passt, bei der es um übermäßigen Fernsehgenuss geht:
„Der Fernseher ist mein Hirte. Mir wird viel mangeln.
Er lagert mich auf dem Sofa. Er verführt mich dazu, nichts für die Verwirklichung meiner Träume und für das Erreichen meiner Ziele zu tun, weil er meine Zeit verschlingt.
Er hält mich davon ab, anderen Menschen einen mutmachenden Brief oder eine frohmachende E-Mail zu schreiben, weil er so viele Shows und Filme präsentiert, die ich unbedingt sehen muss.
Er unterweist mich in den Dingen der Welt und bewahrt mich davor, mich mit dem zu beschäftigen, was wirklich wichtig ist und worauf es wirklich ankommt.
Er erquickt meine Seele mit Ausreden, damit ich mich nicht um andere Menschen kümmern brauche.
Er leitet mich auf den Pfaden des Versagens, damit ich nichts tue, um meine Lage entscheidend zu verändern.
Auch wenn ich hundert Jahre alt werde, werde ich immer noch den Programmen folgen. Ich fürchte nichts Übles, denn mein Fernseher ist bei mir und lenkt mich ab.
Seine Töne und Bilder, sie trösten mich.
Er bereitet vor mir Unterhaltung angesichts meiner Familie und hält mich davon ab, mich mit meiner Familie zu beschäftigen, meinen Kindern Zeit zu schenken und mit ihnen etwas zu unternehmen.
Er hat mein Haupt mit Ideen angefüllt, die mich davon abhalten, meinem Leben etwas zu geben, für das es sich zu leben lohnt. Mein Mund fließt davon über.
Fürwahr, Liebe und Zuwendung werden mich verlassen alle Tage meines Lebens. Ich werde die beiden nur in geringem Maße erleben oder anderen Menschen schenken können, denn ich habe vor lauter Fernsehen gar keine Zeit dafür, für andere Menschen dazusein.
So werde ich wohnen in bedauernswerter innerer Armut alle Tage meines Lebens.“
Alexander Rykow

Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt