Der grundlegende Irrtum heutiger Medienmanager - und wie man ihn korrigieren könnte

Eine der größten Fehlkonstruktionen unter den Geschäftsmodellen ist die der Werbung, die die große Erwartungshaltung einer großen Menge zu missbrauchen gedenkt.
Wenn ich z.B. auf BILD Online einen Bericht über Gauck lese und mir dazu ein Video angeboten wird. Nach dem Lesen will ich meinen Gedankenfluss und meine Aufmerksamkeit nicht unterbrechen lassen, sondern das Video nahtlos daran anknüpfen lassen. Mir dann aber zuerst einen Werbespot von Eon zu einem komplett anderen Thema zuzumuten ist krass respektlos. Die Idee des Werbespots ist ja, dass ich diesen wahrnehme und seine Botschaft verfolge und auch noch speichere, damit ich später etwas tue. Ein funda-"mentaler" Wechsel meiner Gedanken ist da also beabsichtigt. Würde ich dem folgen, wäre ich aber raus aus dem Thema, das mich zu diesem Werbespot gebracht hat. Ich würde nicht in Sekundenschnelle wieder zum Gauck zurückkehren. Wäre es aber das Kalkül von BILD, dass ich dieses Video eh überhöre und übersehe, weil ich ja auf Gauck warte, wäre dies unseriös Eon gegenüber. Denn Eon bezahlt BILD ja dafür, dass sie meine Präsenz und Aufmerksamkeit, in dem Sinne, dass ich mich gerade mit nichts anderem beschäftige, ausnutzen und entführen dürfen.
Dieses Geschäftsmodell ist absurd. Es basiert auf der Annahme, dass Menschen bereit sind, sich gedanklich entführen zu lassen, nur weil sie gerade massenhaft in einer gemeinsamen Erwartungshaltung versammelt und ansprechbar ("adressierbar") sind.
So etwas passiert aber nicht nur in den Medien. Wenn ich z.B. morgens -und wie immer spät dran, wie fast alle anderen- in den Hauptbahnhof hetze, die Rolltreppe zu meinem Gleis vor Augen, will ich nicht von einer Kreditkartenverkäuferin aufgehalten werden. Die Tatsache, dass wir hier alle vorbei kommen rechtfertigt kein Geschäftsmodell das auf der Annahme einer hohen Responserate basiert. Wir sind alle hier, haben aber keine Zeit bzw. keine Aufmerksamkeit für irgendetwas anderes als unseren Zug.
Aber viele Manager denken so. Sie glauben auch, dass man einen Wissensarbeiter, also jemanden, der bei seiner Arbeit nachdenken und reflektieren muss, in einer Stunde zehnmal unterbrechen darf. Sie rechnen dann immer noch so, dass der Wissensarbeiter eine Stunde lang geleistet hat, abzüglich der Minuten, für die ihn sein Manager unterbrochen hatte. Doch modernere Manager wissen inzwischen, dass Aufgabenwechsel Zeit kosten. Immens viel Zeit. Sie gehen zulasten des Outputs und seiner Qualität. Tom de Marco hat dies u.a. in "Wien wartet auf Dich" beschrieben.
Noch deutlicher wird dies beim Musikhören. Musik ist Flow. Wenn man bei einem Stück zehnmal unterbrochen wird und danach an derselben Stelle fortsetzen kann, dann hat man anschließend nicht das ganze Stück genossen.
Kann man das kennzahlgläubigen Managern begreiflich machen? Kann man sie dazu bringen, dass sie sich intelligente Werbung ausdenken, und uns nicht mehr bei der Arbeit unterbrechen? Es sind noch manch andere Flows denkbar, bei denen wir nicht unterbrochen werden wollen.
Ich habe mir dazu ein gewagtes Gedankenexperiment überlegt: Verabreden wir uns doch eine Woche lang zu folgendem Plan mit der Frau oder Lebenspartnerin eines Managers. Verabreden wir, dass sie ihn abends zu einer verabredeten Zeit verführt und beim Liebesspiel zum Höhepunkt bringt. Wir planen, seine hundertprozentige mentale Präsenz und Erwartungshaltung auszunutzen und etwas Werbung zu schalten. 1 Minute vorher klingeln wir an ihrer Wohnungstür Sturm. Solange bis er öffnet und unseren Kreditkartenstand erblickt. Und wir ihn fragen: "Guten Abend, möchten Sie nicht auch endlich in den Genuss unseres Bonusprogramms kommen?"

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