© Warner Bros. Pictures Germany / Tobey Maguire, Leonardo DiCaprio, Carey Mulligan & Joel Edgerton.
Eine gigantische Party in 3-D. Hier knallen die Champagnerkorken, hier tanzen hunderte von geladenen Gästen zu einem merkwürdig modernen Mix aus Jazz und Hip Hop, entstanden unter Aufsicht von Rapper Jay Z, zugleich auch als Produzent von „Der Große Gatsby“ tätig. Die Frauen im Bild werden umher gewirbelt, tragen aufwändig geschneiderte Kleider, in den buntesten Farben. Die Männer nehmen Drinks zu sich, stecken sich dicke Zigarren an und stecken natürlich im pikfeinen Smoking. Den Aufräumarbeiten nach solchen Festlichkeiten, die regelmäßig um den megalomanen Springbrunnen im Garten von Hausbesitzer Jay Gatsby stattfinden, möchte man wiederum nicht beiwohnen. Alles wirkt so pompös, so ausschweifend, so übermäßig dekadent, dass es in der eigenen Vorstellungskraft nicht in den 1920er Jahren situiert werden kann, wo die gleichnamige Romanvorlage von F. Scott Fitzgerald entstand. Bei dem australischen Regisseur Baz Luhrmann, der hier nach „Romeo & Julia“ zum zweiten Mal mit Leonardo DiCaprio als Hauptdarsteller zusammen arbeitet, wirkt „Der Große Gatsby“ überhaupt nicht mehr wie ein Klassiker der Literaturgeschichte, eher wie ein buntes Knallbonbon.
Nur manches Mal fühlt man sich an die ‚Roaring Twenties‘ erinnert. Wenn Tobey Maguire (als Nick Carraway) über seiner Schreibmaschine sitzt, Wörter eintippt, die sich auf der Leinwand langsam zu Sätzen formen. Dann wirkt das unglaublich literarisch in den Film hinein gearbeitet. Bei Luhrmann wird die Figur des Nick Carraway, dem stillen Beobachter, zu F. Scott Fitzgerald höchstpersölich. Aus seinen Erinnerungen und Erfahrungen mit dem exzentrisch-verliebten Jay Gatsby wird er am Ende seinen Roman ‘Der Große Gatsby’ machen. Für den Zuschauer schweben seine Worte romantisch im Himmel. Dort im Nebel, der über dem großen See liegt, entstehen vor unseren Augen die schönsten Formulierungen des Films, gedankliche Monologe, die dann zum Unwohl des Films weitaus emotionaler wirken als das zentrale Liebesdreieck.
Carey Mulligan und Leonardo DiCaprio als Daisy Buchanan und Jay Gatsby in “Der Große Gatsby”.
Nick zieht es 1922 aus dem Mittelwesten nach New York, wo das lockere Leben tobt, ohne jegliche Moralvorstellungen, mit Glamour und Alkoholschmuggel. Dort lebt auch seine Cousine Daisy mit ihrem Ehemann Tom Buchanan. Auf der anderen Seite der Bucht schmeißt der Multimilliardär Jay Gatsby regelmäßig seine ausschweifenden Partys, wodurch er das Interesse Nicks erweckt. Dieser zeigt sich fasziniert von dem zurückgezogen lebenden Mann. Je näher er ihm kommt, desto mehr erfährt er aus dessen Vergangenheit, wo all sein Reichtum herkommt und weshalb er immer wieder diese Partys schmeißt, auf denen sich Gatsby selbst kaum zu vergnügen scheint. Alles läuft auf die Erkenntnis hinaus, dass Gatsby in Nicks Cousine Daisy verliebt ist und schon war, bevor sie sich von dem Geld Tom Buchanans zu einer Heirat verleiten lies. Nun möchten sie diese Liebe wieder aufnehmen. Nicht ohne den Zorn des Ehemanns hervorzurufen, obgleich dieser selbst eine Affäre zu einer anderen Frau pflegt.
Auf dem Papier, wo diese dramatische Dreiecksbeziehung nun schon seit mehr als 80 Jahren existiert, mag Jay Gatsby wie der tragische Held erscheinen, der Hamlet der 20er Jahre. Bei Baz Luhrmann jedoch verliert sich diese Figur in dem bunten Bombast der Inszenierung. Der Regisseur lebt noch mehr seinen Farbwahn aus. Das funktionierte bei „Moulin Rouge“ wie auch in „Australia“, wo er der Ästhetik seiner Welten zu Recht mehr Bedeutung zukommen ließ. Nun aber droht die Geschichte gänzlich unterzugehen, sich hinter Musik, Farbeinsatz und 3-D Technologie zu verstecken. Die großen, an Schlösser erinnernden Häuser voller Prunk und Eleganz, die Kamerafahrten über den zwischen Gatsby und Daisy Buchanan liegenden See, Konfetti, Regentropfen und Hemden – es ist alles auf die Dreidimensionalität abgestimmt. Das wirkt nicht nur übermäßig artifiziell, sondern befördert zugleich eben auch die Handlung in eine emotionsarme Belanglosigkeit.
Carey Mulligan
Leonardo DiCaprio gelingt es in einzelnen Momenten mit Bravour die immense Zurückgezogenheit und die daraus entstandene Exzentrik Gatsbys einzufangen, vielleicht mehr noch als 1974 Robert Redford in der Verfilmung von Jack Clayton. Wunderbar manifestiert sich diese charakterliche Eigenheit, wenn er Nick Carraway erst darum bittet, dessen Cousine Daisy, seine große Liebe, zum Tee einzuladen, nur um daraufhin dessen Haus mit übermäßig vielen Blumengestecken vollstellen zu lassen. Bemüht locker, aber mit Schweißperlen auf der Stirn, steht Gatsby zwischen seiner Blumenpracht, fragt Nick, ob es nicht ein wenig zu dick aufgetragen sei. Bis an diesen Punkt verkörpert DiCaprio glaubhaft diesen verzweifelten Mann und seine Bemühen um die große Liebe, doch schnell wechselt die Sicht und zeigt einen aus einem Cartoon entsprungenen Jay Gatsby, der ungeschickt um die Gunst Daisys buhlt. Die Darstellung dieser Liebschaft, des Begehrens, bleibt größtenteils unvermittelt. Die Figuren, allesamt, leiden unter ihrer Überzeichnung. Tom Buchanan wird mit aufgeplusterter Brust und vor Muskeln vom Körper abstehenden Armen von Joel Edgerton gespielt, Tobey Maguire wirkt sowieso gänzlich fehlbesetzt, mit Mimik und Gestik so viel schwächer als seine Schauspielkollegen.
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass „Der Große Gatsby“ einen eher kleinen Eindruck hinterlässt. Von ‚Größe‘ ist hier nicht die Rede, bei 140 Minuten Laufzeit wird einem viel eher die Länge bewusst, der man bei diesem Versuch einer Literaturumsetzung ausgesetzt wird.
“Der Große Gatsby“
Originaltitel: The Great Gatsby
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA / AUS, 2012
Länge: ca. 142 Minuten
Regie: Baz Luhrmann
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Carey Mulligan, Tobey Maguire, Joel Edgerton, Isla Fisher, Elizabeth Debicki, Jason Clarke
Deutschlandstart: 16. Mai 2013
Im Netz: warnerbros.de/thegreatgatsby