Und damit beginnen wir das Kinojahr 2012, welches natürlich noch tausendmal besser werden wird, als das vergangene Jahr. Uns erwarten zahlreiche Fortsetzungen, denn Hollywood wagt es derzeit nicht, irgendwas Neues zu etablieren. So werden also die erfolgreichsten Filme des Jahrzehnts mehr oder weniger gut fortgesetzt. Ob es an der Apokalypse liegt? War Roland Emmerichs „2012“ so eindrucksvoll, dass tatsächlich alle Leute denken, die Welt würde untergehen?
Egal! Bevor wir uns so richtig ins neue Jahr stürzen widmen wir uns kurz einem Film, der gerade noch so im Jahr 2011 angelaufen ist. Es ist der neue Film eines Regisseurs, der sich schon teuflischen Dämonen, komischen Vampiren und noch komischeren Piraten gewidmet hat. Er hat aber auch die Kunst des Kammerspiels absolut perfektioniert und inszenierte zum Beispiel ein beklemmend, faszinierendes „Der Tod und das Mädchen“ Nun meldet er sich in seiner Königsdisziplin zurück und bringt ein zeitgenössisches Theaterstück auf die Leinwand. Hier kommt „Der Gott des Gemetzels“
In einer kleinen, gemütlichen Wohnung mitten in New York treffen sich die Ehepaare Longstreet und Cowan. Es gilt, ein ernstes Thema aus zu diskutieren. Der Sohn der Cowans hat dem Sohn der Longstreets im Streit zwei Zähne ausgeschlagen. Ganz klar, dass diese Angelegenheit geklärt werden muss. Obwohl die beiden Paare sehr unterschiedlich sind, gelingt eine höfliche und gepflegte Konversation. Das begeistert Michael Longstreet dermaßen, dass er die Cowans sogar noch zum Kaffee trinken einlädt. Der Cobbler wird aus dem Kühlschrank geholt und der Espresso kredenzt. Smalltalk wird immer wieder durch eingehende Anrufe auf Mr Cowans Handy unterbrochen. Der ist nämlich Rechtsanwalt und vertritt derzeit ein großes Pharmaunternehmen. Allerdings scheint es mit dem neuen Produkt der Firma einige Probleme zu geben. Während der Telefonate herrscht stets unbehagliches Schweigen seitens der Anwesenden. Und dann schaukelt sich die ganze Situation hoch. Immer wieder hängt sich der Anwalt an bestimmten Formulierungen von Mrs Longstreet auf, der Vater des Geschädigten versucht, die Wogen zu glätten und plaudert über seinen Job als Klospülungsvertreter, was den Anwalt wiederum dazu provoziert, sich über ihn lustig zu machen. Die Mütter wollen beim Thema bleiben und geraten dabei immer heftiger aneinander, auch wenn sie zunächst ihr Interesse für Kunst teilen – und dann doch nicht mehr. Alles eskaliert, als zum hundertsten Mal das Handy von Mr Cowan klingelt.
Roman Polanski wird stets eine etwas verrückt lustige Haltung nachgesagt. Woher dieses Image genau kommt, kann man nur vermuten. Sicher, seine Vampirparodie war enorm witzig und auch sein Ausflug in die Weiten des piratenverseuchten Ozeans entbehrte nicht einer gewissen Komik. Doch immer wieder präsentiert er uns ernsthafte und ernst zu nehmende Arbeiten. Abgesehen von irgendwelchen Skandalen und Gerichtsverhandlungen, die diesen Regisseur vielleicht heimsuchen, ist er ein guter Handwerker und ein Meister der schlichten und intensiven Inszenierung. Das mag auch daran liegen, dass seine kreativen Ursprünge eher auf der Theaterbühne liegen und nicht hinter der Kamera. Bei „Der Gott des Gemetzels“ haben wir alle Zutaten für ein spannendes Kammerspiel. Vier sehr gute Schauspieler in einem - oberflächlich betrachtet - geschmackvoll eingerichtetem Wohnzimmer, ein heikles Gesprächsthema und jede Menge festgefahrene Meinungen und Ansichten. Okay, wahrscheinlich hätte jeder Regisseur mit ein bisschen Verstand im Kopf daraus ein spannendes Kammerstück machen können. Wichtig ist hier die Idee und der Mut, so etwas heutzutage überhaupt inszenieren zu wollen. Es passiert - oberflächlich betrachtet - tatsächlich nicht viel. Der unbedarfte Zuschauer denkt vielleicht: „Die labern eineinhalb Stunden lang nur und gehen nicht mal vor die Tür. Stinklangweiliger Mist!“ Aber die Dynamik der Beziehungen untereinander und die Charakterentwicklung passiert so subtil und realistisch und man hat die ganze Zeit das Gefühl, man kenne das von selbst geführten Diskussionen. Die Charaktere sind natürlich ganz klar gezeichnet und in dieser etwas naiven Form sogar überzeichnet. Aber nur mit derartig eindeutigen Charakterzügen funktioniert dieser Film auch so gut und wir haben die nötige Dynamik, die es braucht, um es eben nicht langweilig werden zu lassen. Klar, dass sehr viel von dieser Wirkung durch die Leistung der vier Darsteller erzielt wird. Auch, wenn mir persönlich Christoph Waltz am besten gefallen hat, kann man nicht sagen, dass einer besonders herausfällt. Alle spielen gleich gut.
„Der Gott des Gemetzels“ ist ein Spiegel. Er zeigt uns, was vermutlich tagtäglich in Millionen von Wohnzimmern statt finden kann. Es ist bitterböse und unterhaltsam zugleich. Die Kultiviertheit und Zivilisiertheit, die wir uns so – Gott verdammt nochmal - hart erarbeitet haben, ist mit einem Glas Scotch, oder eben einen Stockhieb weg gewischt. Großartig. Genau das Richtige, um für den Weltuntergang in Stimmung zu kommen.
Carnage (USA, 2011): R.: Roman Polanski; D.: Kate Winslet, Jodie Foster, Christoph Waltz, John C. Reilly, u.a.; M.: Alexandre Desplat; Offizielle Homepafge
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.
Egal! Bevor wir uns so richtig ins neue Jahr stürzen widmen wir uns kurz einem Film, der gerade noch so im Jahr 2011 angelaufen ist. Es ist der neue Film eines Regisseurs, der sich schon teuflischen Dämonen, komischen Vampiren und noch komischeren Piraten gewidmet hat. Er hat aber auch die Kunst des Kammerspiels absolut perfektioniert und inszenierte zum Beispiel ein beklemmend, faszinierendes „Der Tod und das Mädchen“ Nun meldet er sich in seiner Königsdisziplin zurück und bringt ein zeitgenössisches Theaterstück auf die Leinwand. Hier kommt „Der Gott des Gemetzels“
In einer kleinen, gemütlichen Wohnung mitten in New York treffen sich die Ehepaare Longstreet und Cowan. Es gilt, ein ernstes Thema aus zu diskutieren. Der Sohn der Cowans hat dem Sohn der Longstreets im Streit zwei Zähne ausgeschlagen. Ganz klar, dass diese Angelegenheit geklärt werden muss. Obwohl die beiden Paare sehr unterschiedlich sind, gelingt eine höfliche und gepflegte Konversation. Das begeistert Michael Longstreet dermaßen, dass er die Cowans sogar noch zum Kaffee trinken einlädt. Der Cobbler wird aus dem Kühlschrank geholt und der Espresso kredenzt. Smalltalk wird immer wieder durch eingehende Anrufe auf Mr Cowans Handy unterbrochen. Der ist nämlich Rechtsanwalt und vertritt derzeit ein großes Pharmaunternehmen. Allerdings scheint es mit dem neuen Produkt der Firma einige Probleme zu geben. Während der Telefonate herrscht stets unbehagliches Schweigen seitens der Anwesenden. Und dann schaukelt sich die ganze Situation hoch. Immer wieder hängt sich der Anwalt an bestimmten Formulierungen von Mrs Longstreet auf, der Vater des Geschädigten versucht, die Wogen zu glätten und plaudert über seinen Job als Klospülungsvertreter, was den Anwalt wiederum dazu provoziert, sich über ihn lustig zu machen. Die Mütter wollen beim Thema bleiben und geraten dabei immer heftiger aneinander, auch wenn sie zunächst ihr Interesse für Kunst teilen – und dann doch nicht mehr. Alles eskaliert, als zum hundertsten Mal das Handy von Mr Cowan klingelt.
Roman Polanski wird stets eine etwas verrückt lustige Haltung nachgesagt. Woher dieses Image genau kommt, kann man nur vermuten. Sicher, seine Vampirparodie war enorm witzig und auch sein Ausflug in die Weiten des piratenverseuchten Ozeans entbehrte nicht einer gewissen Komik. Doch immer wieder präsentiert er uns ernsthafte und ernst zu nehmende Arbeiten. Abgesehen von irgendwelchen Skandalen und Gerichtsverhandlungen, die diesen Regisseur vielleicht heimsuchen, ist er ein guter Handwerker und ein Meister der schlichten und intensiven Inszenierung. Das mag auch daran liegen, dass seine kreativen Ursprünge eher auf der Theaterbühne liegen und nicht hinter der Kamera. Bei „Der Gott des Gemetzels“ haben wir alle Zutaten für ein spannendes Kammerspiel. Vier sehr gute Schauspieler in einem - oberflächlich betrachtet - geschmackvoll eingerichtetem Wohnzimmer, ein heikles Gesprächsthema und jede Menge festgefahrene Meinungen und Ansichten. Okay, wahrscheinlich hätte jeder Regisseur mit ein bisschen Verstand im Kopf daraus ein spannendes Kammerstück machen können. Wichtig ist hier die Idee und der Mut, so etwas heutzutage überhaupt inszenieren zu wollen. Es passiert - oberflächlich betrachtet - tatsächlich nicht viel. Der unbedarfte Zuschauer denkt vielleicht: „Die labern eineinhalb Stunden lang nur und gehen nicht mal vor die Tür. Stinklangweiliger Mist!“ Aber die Dynamik der Beziehungen untereinander und die Charakterentwicklung passiert so subtil und realistisch und man hat die ganze Zeit das Gefühl, man kenne das von selbst geführten Diskussionen. Die Charaktere sind natürlich ganz klar gezeichnet und in dieser etwas naiven Form sogar überzeichnet. Aber nur mit derartig eindeutigen Charakterzügen funktioniert dieser Film auch so gut und wir haben die nötige Dynamik, die es braucht, um es eben nicht langweilig werden zu lassen. Klar, dass sehr viel von dieser Wirkung durch die Leistung der vier Darsteller erzielt wird. Auch, wenn mir persönlich Christoph Waltz am besten gefallen hat, kann man nicht sagen, dass einer besonders herausfällt. Alle spielen gleich gut.
„Der Gott des Gemetzels“ ist ein Spiegel. Er zeigt uns, was vermutlich tagtäglich in Millionen von Wohnzimmern statt finden kann. Es ist bitterböse und unterhaltsam zugleich. Die Kultiviertheit und Zivilisiertheit, die wir uns so – Gott verdammt nochmal - hart erarbeitet haben, ist mit einem Glas Scotch, oder eben einen Stockhieb weg gewischt. Großartig. Genau das Richtige, um für den Weltuntergang in Stimmung zu kommen.
Carnage (USA, 2011): R.: Roman Polanski; D.: Kate Winslet, Jodie Foster, Christoph Waltz, John C. Reilly, u.a.; M.: Alexandre Desplat; Offizielle Homepafge
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.