Dora Maar (1907-1997) war eine dieser Frauen, welche zum Entzücken der Männer der Gruppe der Surrealisten beitrug. Es war Paul Eluard, der sie Picasso vorstellte (dank dem sie weltweit bekannt wurde, nicht wie man denken könnte, durch ihre phantastischen Fotos, welche den kreativen Prozess festhielten, aus dem „Guernica“ entstand. Sie wurde dadurch bekannt, dass sie die Geliebte und das Modell des Malers als Malaga war und nach der kanonischen Version ziemlich zerstört zurück blieb, als jener sie verließ) an einem Wintertag des verhängnisvollen Jahres 1936 auf der Terrasse des mythischen Café les Deux Magots in Saint-Germain-de-Prés. Maar hatte blutige Handschuhe als Folge eines ihrer Lieblings-Verstümmelungs-Spiele, das sie über den selben Tischen gespielt hatte, an denen auch schon Verlaine und Rimbaud ein halbes Jahrhundert vorher, wie in einer anderen Welt, ihre Finger verbunden hatten.
Dora Maar bot alles, was die männlichen Surrealisten sich von einer Traumfrau wünschten. Sie war eine Projektion ihrer Sehnsüchte, das heißt eine Zauberin, ein exotisches Wesen, eine Seherin, eine inspirierende Muse, eine Mystikerin, jemand der in Kommunikation stand mit den merkwürdigen Mächten des Lebens, die sie anriefen, mit dem Unterbewusstsein und den Abgründen eines Traumes, mit der Verrücktheit und dem Tod. Alles das hatte Dora und dies schien auch viel wichtiger gewesen zu sein, genau wie im Falle der anderen Künstlerfrauen die in Verbindung mir der Gruppe standen, als ihr Werk als Malerin, Schriftstellerin und Fotografin. Wie man es schon in jener Zeit sehen konnte, bei den surrealistischen Treffen, wie im Rest der Kulturgeschichte, die durch die Männer kreiert und angemessen durch sie erzählt wird, blieben die Stühle der Frauen öfter leer. Und wenn sie besetzt waren, dann um still und in Hochachtung dem männlichen Diskurs zuzuhören. Natürlich fehlte es nicht an guten Ansätzen und hochtrabenden Diskussionen über die Güte der weiblichen Werte, so wie sie sich vorgestellt wurde und über ihre Prävalenz in naher Zukunft, die mit Unruhe und Ungeduld erwartet wurde. Aber in der Stunde der Wahrheit, in den Träumen von Breton, den generationsbedingten Malereien von Ernst oder in dem Bild von Duchamp, in dem ein nacktes Mädchen Schach spielt, waren die Surrealisten im generellen unfähig, die Praktik der Gleichberechtigung der Frauen wirklich zu übernehmen.
Eines der häufigen Klischees über Dora Maar ist ihr enigmatischer Charakter, materialisiert in einem distanzierten, unerschütterlichen Gesicht, das auf der anderen Seite der Dinge steht. Phänomene wie ihre Vorliebe für Verkleidungen aus vergangenen Epochen, die Tatsache dass auf den fast tausend Fotos die von ihr existieren, auf nur wenigen lächelt und der merkwürdige Tod ihrer Mutter Julie, während sie mit ihr am Telefon sprach. Dieser Flair von eigentümlicher Distanziertheit wurde auf unvergessliche Weise in der außergewöhnlichen Portraitreihe festgehalten, die Picasso von ihr malte. Eins der schönsten und reichsten an subtilem velazquischen Widerhall und Symboliken, die an Metamorphose denken lassen und an Welten hinter dem Spiegel, kann man in der Sammlung Bergruen von Berlin bewundern (http://www.smb.museum/smb/sammlungen/details.php?objID=22&lang=en), neben wichtigen Werken von Cezanne, van Gogh, Bracque, Klee, Matisse, Giacometti und anderen herausragenden Künstlern der historischen Avantgarden.