Der Geiger
Mechthild Borrmann
Droemer, 2012
9783 426 19925 1
19,99 €
In einer Nacht im Mai 1948 verliert der begnadete Geiger Ilja Grenko seine beiden wertvollsten Schätze: seine Familie und seine Stradivari. Erst dem eigensinnigen Sascha Grenko, Iljas Enkel, wird es viele Jahrzehnte später gelingen, Licht in das grausame Geschehen von damals zu bringen. Doch der Preis dafür ist hoch – viel zu hoch …
Mal ehrlich, dieses Buch ist so unscheinbar und dann klappe ich es auf, fange an zu lesen und weiß plötzlich: Dies ist Juwel, eines, das wahrscheinlich viel zu wenig Leser haben wird und dagegen muss ich etwas tun.
Die Protagonisten:
Ilja Grenko trifft mich mitten ins Herz. In jeder Faser seines Körpers und in jedem Satz spürt man die Liebe zur Musik und die Liebe zu seiner Geige. Es ist sein Besitz, etwas sehr wertvolles in einem Land, dass ihn bespitzelt, Angst vor allem hat und seine Menschen quält.
Seine Familie, der zweite wunde Punkt, ist durchdacht und voller Charaktere, die man durch ihre Eigenarten ins Herz schließt. Seine Kinder, später ist sein Sohn die Hauptperson, sind Menschen, denen das Leben auch nicht immer freundlich gesinnt war. Aber nie vergessen sie die Familie, die alles zusammenhält. Auch wenn bald niemand mehr davon da ist….
Die Kulisse:
Mai 1948 – sofort schrillen die Glocken. Nach dem Krieg, es ist ein schwere Zeit. Stalins Willkür regiert, foltert Menschen, verbannt Familien und kostet vielen das Leben. Egal, ob Kasachstan, Moskau oder später Köln, Mechthild Borrmann hat sie die richtigen Schauplätze ausgesucht. Gegensätze ziehen sich an und so ist es das weltoffene Köln, dass verlassen wird um ins immer noch sagenumwobene Geheimdienstland Russland zurückzugehen.
Die Handlung:
Erzählt wird in zwei handlungssträngen. Einmal in der Vergangenheit: 1948, die Geschichte von Ilja Greko und seiner Geige. Das Verschwinden und die Folter, das Arbeitslager und die immer währende Angst. Die Verbannung der Familie, ein versteckter Neuanfang und wieder ganz viel Angst – das ist die Vergangenheit.
Die Gegenwart: Köln, Jahre später. Ein Sohn auf der Suche nach der Wahrheit und einer Geige, die jetzt viel Wert ist. Verschlungene Pfade, Angst und ein hoher Preis, der fast stündlich gefordert wird.
Ilja und sein Leid, diese beiden Dinge haben mich tief berührt. Jeder weiß ein bisschen über die Machenschaften Stalin bescheid. Oft sagt man: “Ja, das war schlimm.” Erst hier, mit diesem Buch wird mir bewusst wie schrecklich es wirklich gewesen sein muss. Das Leider wird personalisiert, bekommt ein Gesicht und verletzt mich.
Vielleicht merkt ihr, dass mir der Erzählstrang in Russland besser gefallen hat. Ich vermute, dass die Gegenwart einfach mit dem Schrecken nicht mithalten kann. Trotzdem ist auch der andere Erzählstrang gut durchdacht und lesenswert.
Die Gestaltung:
Auf 300 Seiten gibt es eine sehr dichte, leidenschaftlich geschriebene Geschichte, die gelesen werden sollte. Die Aufteilung in zwei Zeitstränge lässt sich gut nachvollziehen und bietet dem Leser die Möglichkeit sich zu entscheiden, welchen Strang er besser finden mit welcher Figur er mehr leidet.
Das Cover ist für mich nach dem Lesen sehr eindringlich, spricht von Einsamkeit, Verlorensein aber auch ein bisschen von Hoffnung.
Die Bewertung:
Ich vergebe mit viel Herz fünf Bücherpunkte: