Der Füssen-Voyeur

Von Cangrande
 Sie erinnern sich sicherlich an unsere Wanderung über den Füssener Kalvarienberg, von welchem man Füssen in der Tiefe sieht.
Näher dran, direkt auf einem Bergsporn über der Stadt, liegt das "Hohe Schloss".
  
Von dort ist Füssen fast mit den Füßen zu fassen (was man virtuell auch in diesem Internet-Stadtbummel tun kann), und das nutzen natürlich die Touris zu wahren Knipsorgien aus. [Ich dagegen mache selbstverständlich nur zeitgeschichtliche Dokumentaraufnahmen.]
Durch die Nähe zur Stadt kann man von dort aus die Burgverteidiger mit optischen Fernwaffen  voll unter Beschuss nehmen - ohne dass die es merken.
Das Füssener "Hohe Schloss" (hier ein Panoramafoto der Anlage von innen) war einstmals die Burg der Bischöfe zu Augsburg; das Adjektiv "hoch" soll es wohl von dem gleichfalls schlossartigen Kloster St. Mang unterscheiden, welches tiefer in der Stadt an einem Hang über dem Lech liegt und heute das Rathaus und das Museum der Stadt Füssen beherbergt.
Im Internet gibt es natürlich einige Informationen über die Bischofsburg: hier auf der Homepage der Stadt Füssen mit einem Plan der einzelnen Teile der Baugruppe und Link zu einer schönen Diaschau; dort ein sonniges Foto. Eine mehr allgemeine Übersicht auf dieser Seite. Hier relativ dürftige Infos auf der Webseite der "Burgenregion Allgäu" (gefördert von der EU: das allerdings ärgert mich, dass wir Geld nach Brüssel schicken und von dort wird, was nach der Bürokratenmast davon übrig ist, für Tourismusförderung wieder zurück geleitet, obwohl die Webseite im Hinblick auf die zahlreichen anderen Infoseiten so notwendig ist wie ein Kropf).
Eine Reihe von Abbildungen, jeweils mit Textinformationen unterlegt, bietet diese private Webseite; eine herrliche Fotografie der beleuchteten Burg im Winter (links das ehemalige Benediktinerkloster St. Mang) zeigen uns die "Allgäu Bilder".
Ausführlich wie meist ist der einschlägige Wikipedia-Eintrag; ebenfalls vorzüglich der bebilderte Eintrag im "Burgenregister" (Alexander Willig).
Bilder finden sich natürlich bei den Wikimedia Commons; einen Plan der Anlage offeriert auch die Webseite des "Haus der Bayerischen Geschichte".
Viele Informationen und Abbildungen bietet unter den Büchern das Werk "Burgenregion Allgäu. Der Burgenführer" von Joachim Zeune (2008, Büro für Burgenforschung Dr. Joachim Zeune). Weitaus mehr aber erfährt die/der Interessierte im Band acht einer Buch-Reihe von Kunstwanderungen durch Schwaben und das Allgäu u. d. T. "Kunstwanderungen im Ostallgäu" von Alfons Kasper. Der ist mit seinen 273 S. noch heute 'um ein Geringes' zu haben (7,- € hat mein in 2010 Füssen gekauftes Exemplar gekostet); vor dem Kauf sollten Sie allerdings prüfen, ob Ihre Lesebrille noch stark genug ist, um das ganze "Kleingedruckte" zu lesen.
Jedenfalls entnehme ich diesem allwissenden Reisebegleiter, dass die Burg insbesondere im 30jährigen Krieg, aber auch noch im 18. Jahrhundert und sogar zur Zeit der napoleonischen Kriege mehrfach "im Sturm" genommen wurde. Das hat mich ziemlich überrascht, denn als Angriffsseite schien mir nur der Hügelrücken in Betracht zu kommen, auf dem die Burg in Spornlage - also am Ende - gebaut ist. Diese Schwachstelle ist allerdings durch einen sehr tiefen Halsgraben gesichert, der schon bei dem Ausbau der Burg um 1500 ausgehoben wurde. Nach den anderen Seiten hin fällt das Gelände steil ab und ist die Burg auch in die Stadtbefestigung integriert; die Stadt einzunehmen, dürfte allerdings nicht allzu schwierig gewesen sein.
Andererseits sind die Mauern nicht extrem dick und die ganzen Befestigungen, zwar schon auch zum Schutz gegen bzw. für den Einsatz von Artillerie gedacht, dürften bereits kurz nach ihrer Erbauung unmodern gewesen sein. Es fehlten Bastionen, Ravelins und alles was sonst zu einer "modernen" Festung gehört. Das Hohe Schloss war eben doch nur eine Burg der Spätgotik, keine Renaissance- oder gar Barockfestung. Andererseits mag eben dieser Umstand das Bauensemble vor einer Zerstörung oder Sprengung bewahrt haben, worüber wir uns freuen, denn derart gut erhaltene Burgen haben Seltenheitswert.
Drei Aspekte sind es, die den Besuch der Burg zu einem erstrangigen Reiseerlebnis machen:
  • Der gute Erhaltungszustand der Wehranlagen
Burgen in Spornlage, d. h. auf dem Ende eines Berg- oder Hügelrückens, sind nach drei Seiten hin durch das abfallende Gelände geschützt. Militärische Schwachstelle ist der Bergrücken selbst, der also durch einen Graben geschützt wird. Da dieser Graben nicht rings um die Burg verläuft, nennt man ihn "Halsgraben" (oben in der Mitte der außen halbrunde, innen gerade Geschützturm).
Heute ist der alte Graben (dessen Steine als Baumaterial für die Burg verwendet wurden) Teil des "Baumparks"; dieser Weg führt in die Stadt hinunter (zur Ecke Kemptener Str. / Luitpoldstr. / Ritterstraße).
Das Zugangstor von der Stadt her, gegenüber der Basilika St. Mang, hat sich noch gut erhalten
 Nicht jeder Zwinger ist ein Hundekäfig. Bei mittelalterlichen Burgen bezeichnet der Begriff den Zugangsweg, wenn dieser zwischen einer äußeren und entlang der inneren Burgmauer geführt ist. (Man konnte also die Feinde, wenn sie das äußere Tor bezwungen hatten, bei ihrem Vordringen zum nächsten Burgtor seitlich unter Beschuss nehmen.)

 Falls Sie mal in die Verlegenheit kommen, eine Burg erobern zu müssen, empfehle ich ein vorheriges Studium der Anleitung "Belagerung und Gegenburgen".
Ob Sie dann gegen den hier gewinnen, oder mit zerschmettertem Schädel zweiter Sieger bleiben, ist allerdings eine nur empirisch zu lösende Frage.
 
 Um an der Mauer entlang laufen zu können, brauchten die Verteidiger natürlich einen Wehrgang. Der Turm (Uhrturm) schützt als Torturm den Zugang zum inneren Burghof.

  • Sensationell sind (oder empfand zumindest ich) die "Architekturfresken" im Innenhof (einst auch außen, aber dort sind sie nicht mehr erhalten bzw. wurden nicht restauriert). 
Blick in die Gesamtanlage, vom Wehrgang etwa am Eingangsturm (Uhrturm) aufgenommen.
Einige Impressionen:




Detailaufnahme: gemalte Fialen über einer Tür.

Wenn man durch die Butzenscheiben des Nordbaus auf die Wand des Südbaus blickt, zerfließen die Formen wie auf einem Gemälde von Salvador Dali:

  • Dritter Höhepunkt der Burgbesichtigung sind die Aussichten, die sich vom Hohen Schloss aus bieten
 Der Blick auf die Dächer der ehemaligen Benediktinerabtei St. Mang enthüllt die gewaltige Größe des Klosterkomplexes

 Der Lech; links ein Stück der Stadtbefestigung und des (noch "aktiven") Franziskanerklosters St. Stephan:

 Hauptstraße (und Fußgängerzone) in der Füssener Altstadt ist die Reichenstraße (hier eine schwarzweiß-Aufnahme); in der Ferne füllt sich langsam wieder der Forggensee mit Wasser.

Reizvoller als alles das ist jedoch der Hinterhof-Voyeurismus, den der oben gezeigten Erker des Uhrturmes ermöglicht:




"Staatsgalerie im Hohen Schloss" und die Städtische Gemäldegalerie. Gravierende Bildungslücken hinterlässt es nicht, wenn man beide nicht gesehen hat. Jedoch führt der Zugang zum Uhrturm durch die Museumsräume, und so kommt man nicht umhin, den Eintritt zu berappen.
Der ist mit 6,- € nicht billig aber dafür kostet eine Kombikarte, die zugleich zur Besichtigung des  Museums der Stadt Füssen in der ehemaligen Abtei St. Mang berechtigt, nur 7,- €. Dieser Besuch kann auch an einem anderen Tag erfolgen, und das Stadtmuseum ist unbedingt lohnenswert, ein "must see". (Mehr darüber demnächst in einem eigenem Blog-Eintrag; die Bilder sind schon "im Kasten" und im PC, nur die Aufbereitung mit Auswahl, Begleittext usw. dauert halt).
Architekturforum.net" im Forum "Architectura Pro Homine. Das Architekturforum für Rekonstruktion und neue klassische Architektur von Stadtbild Deutschland e.V." Eingestellt hat sie "Markus" - aus München. Beim Anblick seiner Bilder spürt man, dass der Füssener Werbeslogan "Die romantische Seele Bayerns" keineswegs substanzlos ist.
Textstand vom 04.06.2011. Bilder können durch Anklicken vergrößert werden.