Der frühe Vogel

Es gab mal Zeiten, da war ich wahrhaft ein Frühaufsteher. Es machte mir nichts aus, dass der Wecker schon um 05.30 klingelte und mich aus meinen Träumen riss. Meistens blieb ich noch ein paar Minuten liegen und sprang dann frisch und munter aus dem Bett.

Heute weiß ich: Das kann nicht wirklich ich gewesen sein. Oder es war mein Ich aus einer Parallelwelt. Auf jeden Fall hat das mit mir heute rein gar nichts mehr zu tun.

Das bekam ich heute Morgen nämlich wieder zu spüren. Der Wecker klingelte um 05.30 und ich war kaum in der Lage mich zu bewegen. Atmen war das einzige, was ich noch gerade so hinbekommen habe. Zum Glück konnte ich noch eine kleine Weile liegen bleiben, weil mein Mann zuerst ins Bad musste, um nicht zu spät zum Geschäftstermin zu kommen. Mein Wecker klingelte noch drei Mal im Zehn-Minuten-Takt, bis ich mich endlich in der Lage sah, meinen schwerfälligen Körper aus dem Bett zu hieven.

Warum ich so früh aufstehen musste? Mein halbjährlicher Kontrolltermin beim Rheumatologen stand an. Und dann habe ich immer die Wahl zwischen extrem früh aufstehen und einen der ersten Termine morgens wahrzunehmen oder einen späteren Termin, dafür aber mit drei oder mehr Stunden Wartezeit. Ich ziehe das kleinere Übel vor. Wobei ich mich heute Morgen fragte, ob das tatsächlich das kleinere Übel ist?!

Ich wuselte also im Bad herum, zog mich an und schlich die Treppe herunter. Es war gerade 07.00, als ich hörte, wie sich die Kinderzimmertür öffnete und mein Sohn die Treppe herunterstapfte. Das war so nicht geplant. Normalerweise schläft er etwa bis 08.00 – aber ausgerechnet dann, wenn ich es eilig habe, ändert auch er seine Pläne. Murphy’s Law für Kinder!

Ich musste noch frühstücken, aber er wollte nun auch etwas essen. Und natürlich habe ich mich zuerst um ihn gekümmert. Zum Glück kam eine viertel Stunde später die Oma, um zu übernehmen. Ich war schon spät dran.

Ich schob mir schnell etwas zwischen die Kiefer und machte mich dann auf den Weg. Etwa 25 km lagen vor mir, und ich hatte Glück, dass der Stau auf der Autobahn erst genau dort anfing, wo ich abfahren musste. Meistens hat man um diese Zeit weniger Glück. Doch dann lag noch Stop an Go im doppelspurigen Stadtverkehr pünktlich zur Rush Hour vor mir.

Das ist nichts für schwache Nerven. Wenn Du eh schon spät dran bis, an fast jeder Ampel halten musst und noch von Bussen geschnitten wirst, dazwischen noch ein paar Radfahrer – macht keinen Spaß. Dabei bin ich den selben Weg früher jeden Morgen gefahren und ich kann mich nicht erinnern, dass es mir etwas ausgemacht hätte. Ist das einfach nur Gewohnheitssache, oder ist mein Nervenkostüm tatsächlich dünner geworden?

Glücklicherweise war die Parkplatzsuche dieses Mal kein Hindernis und ich legte daher eine Punktlandung hin.

Nachdem ich im Labor gefühlte 20 Röhrchen Blut gelassen habe (in Wirklichkeit waren es nur vier), stellte ich mich auf eine längere Wartezeit ein, denn es war bereits einigermaßen voll im Wartezimmer. Doch zu meinem großen Erstaunen, wurde ich bereits nach fünf Minuten ins Behandlungszimmer gejagt. Ja, „gejagt“ ist tatsächlich das richtige Wort. Der Arzt ist nämlich ein ganz schön komischer Kauz.

Er ist immer unter Zeitdruck. Da ist kein Platz für umschweifende Worte. Doch heute war er erstaunlich redselig. Zuerst redete er von der EM und dass wegen dem Spiel die Praxis heute schon um 17.00 geschlossen wird, weil dann eh keiner mehr kommen würde. Dann erzählte er aber auch, dass manche sogar extra in genau dieser Zeit zum Arzt gehen wollen, um dem Fußball zu entgehen. Manche Leute mögen Fußball eben nicht. Mit Karneval wäre das genauso, wo ich ihm eindeutig zustimme.

Doch seine Eltern – die liebten Karneval. Denn dort lernten sie sich kennen. Vier Jahre später dann, muss es an Karneval so kalt gewesen sein, dass seine Eltern lieber „kuschelten“, als zu feiern. Das Ergebnis war dann – er! Äh, ja…

Ich würde mal sagen: Zu viel Information! Ich möchte sowas nicht wissen! Das erzählte er mir alles, während er meine Schilddrüse schallte. Ich lege das dann mal als „Untersuchung der etwas anderen Art“ ab.

Während ich dann darauf wartete einen neuen Termin zu vereinbaren, hörte ich wie zwei Damen sich über „Asipositas“ unterhielten und die eine sich sicher war, dass sie von Jacobs Krönung zunehmen würde. Deswegen hat sie jetzt die Sorte gewechselt.

Ganz schön spannend, so ein Arztbesuch. Für heute habe ich dann genug Input erhalten.



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