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GTL | 18.8.2013 | Kommentare (0)
Der FPÖ Wähler
Heute stehe ich vor der massiven Holztüre eines Gründerzeithauses in einem der besseren Wohnviertel Wiens. Das Messingschild verkündete den akademischen Grad des Bewohners. Nach einigen Augenblicken öffnete mir ein distinguierter älterer Herr.
Unter seinem dunkelblauen, einreihigen Blazer trug er eine kleingemusterte, graue Weste, die Seidenkrawatte wurde von einer goldenen Krawattennadel in Position gehalten. Ein passends Einstecktuchquoll aus seiner Brusttasche. Im Schlaglicht des Stiegenhauses wirkten die beiden Narben, die sein Gesicht teilten, tiefer als sie vermutlich waren. Er stellte sich knapp und förmlich als „Dr. …...“ vor und bat mich in sein Wohnzimmer. Obwohl draußen die Sommersonne von einem unverschämt blauen Himmel herunter brannte, schluckten die dicken Vorhänge und die dunkel gebeizte, selbstverständlich altdeutsche Einrichtung fast jedes Licht. Wir ließen uns ihn breiten Samtfauteuils nieder und ich versuchte mein Gegenüber, das mit leicht überschlagenen Beinen und durchgestrecktem Rücken aus seiner Sitzgelegenheit ragte, mit den platten „Islam-Daham“-Sagern eines Herrn Kickl und den APA-Drohungen eines Peter Hojač in Übereinstimmung zu bringen.
„Das nationale Lager in diesem Lande braucht nach all den Enttäuschungen der letzten Jahrzehnte wieder eine, seiner kulturellen Bedeutung entsprechenden Repräsentation im Parlament“, begann er ungefragt das Gespräch. Auf mein Nachfragen, ob er denn auch Jörg Haider als eine solche Enttäuschung bezeichnen würde, weicht er aus indem er auf dessen untadeliges Elternhaus und seinen überraschenden Coup gegen Norbert Steger verweist, um dann fortzusetzen „ Der Jörg war ein kluger Kopf und hat viel für uns getan, hat das Rot-Schwarze-Machtkartell in unserem Kammerstaat den Menschen immer wieder ins Bewusstsein gerufen, aber es ist im Laufe de Lebens nicht leicht Kurs zu halten.“ Mein Gesprächspartner ließ keinen Zweifel, dass er weniger Probleme hatte seinen vor Jahrzehnten eingeschlagenen Kurs beizubehalten.
„Österreich ist ein Untertanenstaat in Geiselhaft einer sozialistischen Kaderpartei und einer in ihren bündischen Interessenskämpfen gefangenen Katholikenpartei, die das Volk, dessen Namen es in ihrer Parteienbezeichnung usurpiert hat, auf das Schändlichste verrät.“
„Österreich eine Missgeburt?“ warf ich ein, um ihn zu provozieren.
Er lächelte milde und ließ sich durch dieses plumpe Manöver nicht aus der Ruhe bringen. „Missgeburt würde eine Geburt voraussetzen und eine Geburt wurde diesem Land bis heute vorenthalten. Alle Versuche in dieser Richtung wurden mit kräftiger Hilfe des Auslandes und einiger inländischer Mittäter (ah, Dolchstoß, dachte ich) mit größter Brutalität und hohem Blutzoll niedergeschlagen.“
Auch ohne nachzufragen war mir bewusst, dass er jetzt nicht an Konzentrationslager dachte.
„Und wie stehen Sie denn zum Dritten Reich?“ versuchte ich es mit einer neuen Provokation.
Ohne nur den geringsten Einblick in seine wahre Befindlichkeit zu gestatten überraschte er mich mit folgender Analyse: „Versetzen Sie sich einmal in das Jahr 1933 und versuchen Sie die Parallelen zu heute zu erkennen. Die Auswirkungen einer Weltwirtschaftskrise, eine ungeheure Zunahme von Parteien, deren Führer kaum noch jemand auseinander halten konnte. Korruption wohin das Auge blickt, der Reichstag eine „Quatschbude“ in der über die wahren Probleme der Menschen kaum mehr gesprochen wird und Banken und Investoren als die wahren Staatslenker. Ist es da so schwer zu verstehen, dass sich die Menschen nach einer neuen, unverbrauchten Kraft sehnten? Politikern, die ihnen ihre Ehre als Bürger ihrer Heimat wiedergeben konnten. Eine Partei, die für jene da war, für die dieses Land schon seit Generationen Heimat war!“
„Sie leugnen also die Gräueltaten des Regimes?“ unterbrach ich ihn. „Unter dem Druck des Krieges gab es viele Entwicklungen, die aus heutiger Sicht zu verabscheuen sind, aber gilt das nicht für alle Länder? Haben die Engländer nicht deutschstämmige Juden, wie den Österreicher Max Perutz, der Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 1953, nach Kanada in ein Internierungslager abgeschoben? Haben die USA nach Pearl Harbour nicht fast 120.000 Japaner und japanischstämmige Amerikaner in Internierungslager gesteckt und umgesiedelt? Polen haben Juden bei der Gestapo denunziiert und nach 1945 zu tausenden selbst liquidiert, wussten Sie das nicht?.“
So leicht, war der offenbar nicht zu kriegen, so dass ich das Thema wechselte und ihn auf seine „Schmisse“ ansprach. Er nannte stolz den Namen seiner Korporation und gab mir einen Exkurs über die „Träger der Revolution von 1848“ und die „lebenslange Verpflichtung für die Sache“ einzustehen.
„Wie erklären Sie es denn, dass diese akademische Tradition nun ein Nicht-Akademiker, ein Handelsschüler und Zahntechniker fortsetzen soll?“
„Der Strache war in der Phase nach den verschiedenen Spaltungen eine erstklassige Wahl. Er kam medial gut an, das ist heute leider enorm wichtig, und er konnte viele Themen unbelastet ansprechen, da er in der Sache ziemlich unbedarft ist.“
Eine harte Aussage über den eigenen Spitzenkandidaten, allemal, aber denken wir doch daran, wie der Erwin Pröll gemeinsam mit dem Faymann den Spindelegger durch den „G’mischten Satz“ gezogen hat, ohne ihn davon kosten zu lassen. Denken wir an den Seppi Bucher, wie er sein Chamäleon, die Witwe Petzner, von der Wahlliste kippte oder das Schwert mit dem Uncle Fränk in seinem Team teilt und herrscht. Jede Partei entledigt sich ab und an ihres „Grüßaugusts“.
Ich fragte meinen „alten Herrn“, was er denn vom aktuellen „Nächstenliebe-Wahlkampf“ der FPÖ hält. „Wenig! Es begann mit der peinlichen Anbiederung an die serbische Minderheit durch die zur Schau gestellte „Brojanica“ (=kordelähnliches Armband, das einen Rosenkranz symbolisieren soll), dann das Herumgefuchtel mit dem Kreuz als angebliches Symbol unserer abendländischen Kultur und nun lief der Junge mit seinem „Nächstenliebe-Gesülze“ dem Schönborn geradewegs ins Kruzifix und der weinte sich medienwirksam beim Bundespräsidenten aus. Ich komme da aus einer anderen Tradition....“
Auf die Frage, ob denn Strache – als Nicht-Akademiker - auf den nächsten Korporations-Ball geladen wird, um – wie zuletzt 2012- wieder von „der Reichskristallnacht für die neuen Juden“ sprechen zu können, lächelte er und meinte:
„2013 war er ohnehin verhindert und ….. mit dem neuen Bolognia-System kommt heute ohnehin jeder, der seinen Namen schreiben kann, irgendwann zu einem akademischen Grad. Für einen Mag. (FH) HC wird’s schon reichen, wenn er nach der Wahl wieder mehr Tagesfreizeit hat.“
Ich verlasse fröstelnd meinen Gesprächspartner und kann draußen auf der Gasse nicht einmal mehr den blauen Nachmittagshimmel völlig vorbehaltlos genießen.