Der Film zum Buch wirkt wie Theater: “Cosmopolis”

Der Film zum Buch wirkt wie Theater: “Cosmopolis”

© Falcom/24 Bilder / Robert Pattinson als Eric Packer in David Cronenbergs “Cosmopolis”

Es ist schon verständlich weshalb sich Robert Pattinson auf die Rolle des Eric Packer in Regisseur David Cronenbergs neuem Film „Cosmopolis“ eingelassen hat: Ähnlich wie zuletzt in „Bel Ami“ kann er sich mit solchen Rollen, die ihn in wenig liebenswürdige, geradezu verachtenswerte Menschen verwandeln, von seinem Image als Kuschelvampir verabschieden. Cronenberg wiederum hat derweil wohl einen Schauspieler gesucht, der effektvoll die Langeweile und Gleichgültigkeit seines Protagonisten darstellen kann. Und wenn Pattinson eines beherrscht, dann ist es emotionslos in die Walachei zu schauen. Hier darf er in seiner Rolle sogar dermaßen angeödet von seinem Leben sein, dass er einer Sexpartnerin und Polizistin befiehlt, ihren 1000 Volt Elektroschocker auf ihn abzufeuern. Das wünscht sich dann sicherlich auch so manch ein Zuschauer um im Wachzustand zu verweilen.

 

Der Film zum Buch wirkt wie Theater: “Cosmopolis”

Kevin Durand als Packers Leibwächter (hinten) und Mathieu Amalric (vorne) als Torten-Attentäter

„Cosmopolis“ basiert auf der gleichnamigen Geschichte von Don DeLillo, einem amerikanischen Essayisten, Theater-Drehbuchschreiber sowie Kurzgeschichten- und Romanautoren. In 2003 veröffentlicht, ist das Buch jung genug um aus dem Protagonisten einen reichen, gewissenlosen und zynischen Spekulanten der New Economy zu machen. Seine Welt erscheint ihm belanglos, Nebensächlichkeiten gewinnen an surreale Bedeutung: So sitzt er in seiner Limousine, auf dem Weg zu einem Friseurtermin und versucht hierfür die 47. Straße quer durch Manhattan zu nehmen. Aber ausgerechnet hier kollabiert der Alltag. Der amerikanische Präsident ist in der Stadt, gewalttätige Globalisierungsgegner demonstrieren und Sufi-Rapper Brutha Fez wird unter großer Anteilnahme seiner Anhänger zu Grabe getragen. Hier geht es für Packer, seinem Leibwächter, Sicherheitsbeamten und weiteren Gästen seiner Limousine nur im Schritttempo voran.

Dabei kommt weder Packer wirklich voran, noch „Cosmopolis“. Die Umsetzung vom Buch zum Film mag als gelungen angesehen werden, nur funktionieren die filmische und literarische Unterhaltungsweise nun einmal etwas anders. Während man ein Buch auch mal weglegen kann um die Schwere der Worte zu verdauen, darüber nachzudenken und zu reflektieren, läuft der Film unaufhörlich weiter. Hier wird der Zuschauer mit tiefschürfend psychologischen Gesprächen bombardiert, die sich irgendwann sicherlich einmal dazu eignen werden, für ausschweifende Interpretationen herzuhalten, nicht aber um auf filmischer Ebene zu unterhalten. Außer man hat Spaß daran, so schnell über die Dinge, über die Packer mit seinen vielen Mitfahrern und Begegnungen spricht, zu philosophieren und nachzudenken, wie hier stoisch das Drehbuch zitiert wird. Vielleicht sollte man auch einfach einen Notizblock bereit halten, um sich die wichtigsten Eckdaten der Unterhaltungen zu notieren und erst im Nachhinein wirklich „zuzuhören“.

 

Der Film zum Buch wirkt wie Theater: “Cosmopolis”

Paul Giamatti will Eric Packer töten

Nachdem sich Pattinson dann mit seinen Co-Stars Juliette Binoche, Sarah Gadon, Mathieu Amalric, Jay Baruchel, Kevin Durand, Emily Hampshire und Samantha Morton über das liebe Geld, welches die Welt regiert, über die Zukunft der Menschheit, vor der sie Angst haben und weswegen sie mit Protesten die Gegenwart verteidigen oder den unsterblichen Menschen, der im World Wide Web für alle Ewigkeit existent sein wird, unterhalten hat, landet er berechtigterweise bei Paul Giamatti auf der Psycho-Couch. Eigentlich will dieser, ein ehemaliger Angesteller Packers, seinen früheren Arbeitgeber aller Ungerechtigkeit wegen umbringen, aber hier verwandelt sich der Showdown – beide mit einer Waffe in der Hand – noch einmal in ein Wortduell zwischen Psychiater und Patient. Ob hier aber jemand geheilt werden kann, möchte Cronenberg uns nicht erzählen.

„Cosmopolis“ als Film zu bezeichnen ist vielleicht die Verwendung eines falschen Ausdrucks. Gerade zuletzt, beim Aufeinandertreffen von Pattinson und Giamatti, aber auch schon bei Mathieu Amalrics Auftritt als Torten-Attentäter oder anderen gekünstelt wirkenden Dialogen, erscheint der Film viel eher wie ein abgefilmtes Theaterstück. Kein Wunder, bedenkt man, dass die Vorlage von DeLillo stammt, einem Autoren für die Theaterbühne. Passend hierzu wird das Sinnbild einer griechischen Tragödie verwendet, wo das Theater ja auch seinen Ursprung hat. Eric Packer wird zu Ikarus gemacht, jenem geflügelten Helden der griechischen Antike, der hoch hinaus wollte, sich dabei aber an der Sonne verbrannte. Der Absturz des Ikarus ist der Niedergang des Eric Packer.

„Cosmopolis“ als Film wirkt überfrachtet, Robert Pattinson wurde von Cronenberg offenbar überschätzt und ist hier sichtlich überfordert. Zu den Protesten der Globalisierungsgegner bemerkt Packer im Film, dass diese nach zwei Stunden schon wieder gänzlich vergessen und aus den Köpfen der Menschen verschwunden seien. Sie hätten keinen großen Einfluss ausgeübt, so heftig sie auch in New York gewütet hätten. David Cronenbergs „Cosmopolis“ wird denselben Effekt des Vergessens in unter zwei Stunden erzielen.

Denis Sasse


Der Film zum Buch wirkt wie Theater: “Cosmopolis”

“Cosmopolis“

 


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