Der Fernbedienungskamin

Von Lukas Röthlisberger @Adekagabwa

Ich bin mal bei einem alten Mann zu Besuch gewesen. Er wohnte in einem hübschen Häuschen am Waldrand. Als ich an jenem späten Sommernachmittag zu ihm heraufstapfte, da saß er auf einer grünen Gartenbank im Garten, rauchte eine knorrige Pfeife und guckte den Schmetterlingen an den gelben Blumen zu. Das tat er meistens, sagte er.

Der Mann hatte in seinem Haus weder Bücher noch alte Zeitschriften rumliegen und er hatte auch keinen Fernseher. Das erstaunte mich sehr, denn ich denke, alle Leute brauchen doch irgendwie Anregung. Das machte mich auch neugierig und ich sprach ihn darauf an.

Der alte Mann schaute mich etwas verständnislos an. Natürlich wäre es ihm langweilig, wenn er nicht seinen Kamin hätte. Aber wenn das Wetter und die Temperatur es zuließ, dann saß er viel lieber vor dem Haus und sah den bunten Schmetterlingen nach. Aber zum Glück ging die Sonne eben unter und wir mussten rein, und ich durfte auch im lauschigen, kleinen Wohnzimmer seinen steinernen Kamin anzünden.

Nun saßen wir also vor dem lustig prasselnden Kaminfeuer, er in seinem Schaukelstuhl und ich auf einem Holzschemel aus der Küche. Und da griff er wie selbstverständlich zu seiner Fernbedienung. Ja, genau so ein Ding zum Zappen, wie für den Fernseher. Er nahm also das Ding und zielte auf das Feuer und drückte die Taste zwei. Und in dem Moment geschah etwas Komisches.

Das Zimmer wurde in ein blaues Licht getaucht, und im Kamin war das Feuer irgendwie verschwunden. Stattdessen sah es aus wie ein Theater. Ein richtiges kleines Theater mit Purpurvorhängen – als wär’s eine Puppenstube. Aber da waren nicht Puppen, sondern flinke Zwerge, die gerade eine Aufführung probten. Offenbar ging es um ein lustiges Stück, denn sie lachten immer wieder kreischend auf und hatten offensichtlich ihren Spaß. Der Theatermeister war eine Art Wurzel. Er sah nicht aus wie die andern und konnte auch nicht selber gehen, sondern gab immer wieder Befehl, ihn woanders hinzustellen, wenn er das Bühnenspiel aus einem andern Blickwinkel prüfend verfolgen wollte. Und dann trugen ihn die Zwerge an den gewünschten Platz.

Als dann die Sequenz einigermaßen lief, kam der zweite Akt. Diesmal ritten von links einige dieser Zwerge auf ungewöhnlichen Reittieren rein. Diese Reittiere waren so eine Art Kreuzung zwischen Seepferdchen und Rosenkäfern. Kannst Du es dir vorstellen? Nun, ich verstehe, ich hätte es mir vorher auch nicht vorstellen können. Die saßen also rittlings jeder auf so einem Tier und hatten lange Spieße unter dem Arm, als wären sie Ritter. Gebannt blickte ich auf die Szene.

Es fiel mir gar nicht auf, dass rund um mich herum Publikum saß. Alles Zwerge verschiedener Größe. Die kamen aber nicht etwa reinspaziert sondern sie erschienen langsam aus dem Unsichtbaren. Und das lag daran, dass der alte Mann die Lautstärke erhöhte. Dabei wurde es aber eben nicht lauter, sondern man sah Dinge deutlicher, die man sonst nicht sieht. Und während ich noch gebannt auf die Bühne blickte, wurde es mir plötzlich etwas unheimlich.

Komisch, als hätte der alte Mann es erraten, machte er einfach mit der Fernbedienung aus, und es war wieder das prasselnde Feuer da. Er legte ein Holzscheit nach, brummte etwas davon, dass die immer nur üben würden, und sagte dann, er würde uns jetzt ein kleines Abendessen in der Küche machen. Als wäre das ganz normal. Als wäre nichts gewesen.

Und heute passiert es mir gelegentlich, wenn ich irgendwo in ein Feuer blicke, dass ich das Gefühl habe, da sei doch was dahinter – nicht im Feuer, nein, im Zauber. Und manchmal kann ich dem dahinter sogar ein Momentchen zuschauen. Figuren, sehe ich dann, und Szenen. Und manchmal versuche ich auch, die „Lautstärke“ etwas aufzudrehen. Versuchs doch auch einmal. Es geht auch mit einer Kerze.