Kürzlich präsentierte die Credit Suisse einen Bericht zum kantonalen Steuerwettbewerb. Dieser zeigt auf, wie die Steuerbelastung für natürliche und juristische Personen in den Kantonen verteilt ist. Dazu wird der Begriff des Tax Independence Day (TAX-I) eingeführt. Dieser zeigt auf, wie lange eine statistische Durchschnittsperson arbeiten muss, bis sie in ihrem Kanton die Steuern beglichen hat.
Der Tax Indepence Day
Dass dieser Begriff des TAX-I aus den USA importiert wurde, ist offensichtlich. Dort wird er von der ultrakonservativen und neoliberalen Tea Party „missbraucht“ um Stimmung gegen den Staat zu machen. Und zwar nicht in einzelnen Punkten, sondern gleich im Ganzen: Der Tea Party wäre es am Liebsten, dass der Staat nicht existieren und sich jeder um sich selbst kümmern würde.
Dass dieser TAX-I nun auch hierzulande teilweise gefeiert wird (vor allem auf Seiten der SVP) ist geradezu skandalös. Denjenigen, die diesen Tag wirklich feiern wollen, soll mal vor Augen geführt werden, dass 99 % unserer Bevölkerung praktisch lebenslang eigentlich Schulden haben beim Staat und nicht umgekehrt. Denn haben diese Leute ernsthaft das Gefühl sie würden persönlich und ausschliesslich mit dem eigenen Einkommen:
- die neunjährige obligatorische Schulzeit
- eine etwaige Weiterbildung, von der Berufsmatura bis zum Uni-Abschluss
- den gesamten öffentlichen Verkehr vom Genfer- bis zum Bodensee
- alle Autostrassen, Autobahnen und Tunnels dieses Landes
- die polizeiliche Sicherheit
finanzieren?! Man beachte, dass diese Aufzählung alles andere als abschliessend ist. Steuern sind wichtig für unsere Gemeinschaft und unser Allgemeinwohl. Niemand zahlt sie gerne, das ist klar, dennoch sollten steuertechnische Aspekte für die Ansiedelung des Lebensmittelpunktes nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Der Steuerkrieg der Kantone
Tun sie aber nicht! In der hoch-föderalistischen Schweiz tobt geradezu ein Steuerkrieg (von Wettbewerb zu reden wäre fast verharmlosend). Beispielsweise wurden in den letzten Jahren die sogenannte Flat Tax Rate in Obwalden, Uri und Schafhausen eingeführt. Diese extrem ungerechte Art zu besteuern, verletzt das Solidaritätsprinzip, da alle Steuerpflichtigen (ob sie nun 100‘000 oder 1 Million steuerbares Einkommen versteuern) dem gleichen Steuersatz unterliegen.
Dass solche Massnahmen sozial ungerecht und nicht im Sinne unserer Zeit sind, zeigt auch ein Blick ins Ausland: Selbst im selbsternannten freiheitlichsten Land der Welt, den USA, wird rege über die Einführung der sogenannten Buffet-Steuer diskutiert. Denn es kann nicht sein, dass man den Staatshaushalt nur auf der Ausgaben Seite korrigieren möchte. Nur mit Sparprogrammen und Abbau bei den Ärmsten unserer Gesellschaft ist uns vor allem über längere Frist keinesfalls geholfen. Es braucht dazu die höhere Besteuerung von Einkommen in den Millionenbereichen, fertig, aus. Das ist keine sozialistische Kampfansage, sondern bitterer Realismus.
Die Unternehmenssteuerreform II
Gerade die Schichten in den höheren Einkommensetagen und deren Unternehmungen haben in den letzten Jahrzehnten extrem von Steuererleichterungen profitiert (und schreien selbst heute bei jeder Gelegenheit nach mehr!) und ihr eigenes Portemonnaie geschont. Nur schon das Beispiel der Unternehmersteuerreform II, welche im Jahr 2008 nur äusserst knapp vom Schweizer Stimmvolk angenommen wurde, zeigt wie Unternehmungen extrem bevorteilt werden. Neu ist es dank dieser Reform zum Beispiel möglich, dass Dividenden nicht aus dem Jahresgewinn, sondern aus den Kapitaleinlagen (zum Beispiel dem angehäuften Agio) zu zahlen sind. Und das bedeutet, dass auf dieser Dividende weder Verrechnungssteuer abgezogen wird, noch dass natürliche Personen in der Schweiz darauf Einkommenssteuern bezahlen müssen.
Das Resultat dieser Reform sind steuerliche Milliardenausfälle für Bund und Kantone. Dass man nun zum Beispiel im Kanton Zürich noch zusätzlich nachziehen möchte, grenzt ja bereits an blanken Hohn. Dort sollen die Kapitalsteuern halbiert werden. Zum Glück hat der Zürcher Gemeinderat erstmalig eigenhändig ein Referendum gegen einen Beschluss des Kantonsrates zusammengebracht und lässt dem Stimmvolk am 17. Juni die Freiheit für ein deutliches NEIN zum Nachvollzug der Unternehmenssteuerreform II.
Die Allgemeinheit zahlt die Zeche
Zurück zum Steuerwettbewerb: Die Studie der CS zeigt, wie erwartet, dass die Steuerbelastung in den Innerschweizer Kantonen (Zug, Schwyz, Ob-Nidwalden, Appenzell) am tiefsten ist. Vergleicht man solche Steuerdaten mit dem kantonalen Finanzausgleich, kommt zum Teil sonderbares an den Tag: So erhält der Kanton Thurgau im Jahr 2012 (notabene ein Kanton mit der beschriebenen Flat Rate Tax) einen Beitrag von 214 Millionen Franken! Auch die Appenzeller Kantone, bei welchen die Steuerbelastungen für natürliche und juristische Personen weit unter dem Schweizer Durschnitt liegen, erhalten viele Millionen aus dem Finanzausgleich. Der Kanton Nidwalden erreichte in den Finanzen zudem nur ein positives Ergebnis, da er 4.5 Millionen Eigenkapital auflöste, um so eine knappe, schwarze Null zu erreichen. Und der Kanton Schwyz verzeichnete ein sattes Minus von fast 50 Millionen im Kantonshaushalt und steigerte seine Schuldenquote über 10 %, da will noch jemand sagen, solche Steuermodelle seien nachhaltig und gut für die Allgemeinheit…
Natürlich gibt es auch positive Beispiele wie der Kanton Zug, bei welchem der Beitrag auf das Jahr 2012 auf knapp 250 Millionen gesteigert wurde, Zug zahlt aber längst nicht so viel wie der Kanton Zürich (knapp 430 Millionen) und hier wollen also die Bürgerlichen wiederum Steuergeschenke verteilen. Das Zuger Modell ist zudem nicht nachhaltig, beruht es doch auf der quasi Nichtbesteuerung von Holdingunternehmungen. Da dieser Faktor der EU aber bereits seit längerem ein Dorn im Auge ist, ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis diese Handhabung abgeschafft oder geändert wird und dann sind die Multis schneller weg, als ein Zuger „Steuern“ sagen kann…
Unter diesem „Wettbewerb“ müssen natürlich die normalverdienenden leiden, entweder auf der Einkommensseite (Steuerfüsse bleiben unangetastet) oder auf der Ausgabenseite (Ausgaben in sozialen und gesellschaftlichen Bereichen werden gekürzt). Dies zeigt, dass dem Steuerwettbewerb der Kantone eindeutig die Schranken fehlen. Es kann nicht sein, dass sich die Kantone auf Bundesebene auf Kosten anderer refinanzieren und die Mittel dann dazu einsetzen möglichst tiefe Steuerfüsse zu haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Steuern durchaus ein Standortfaktor seien dürfen und das ein bisschen Wettbewerb den Kantonen durchaus nicht schadet. Es braucht wettbewerbsfähige Unternehmungen, auch aus dem Ausland, welche zu unserem Wohlstand beitragen. Sobald aber die Allgemeinheit unter diesem Steuerkrieg leidet und dafür die Zeche zahlen muss, muss der Staat eingreifen und mit Regeln für nachhaltige Steuermodelle sorgen.
Quellen:
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Finanzausgleich-Welche-Kantone-2012-am-meisten-zahlen/story/27247002
Studie Credit Suisse „Kantonaler Steuerwettbewerb“