16.10.2015Hintergrund
mehriran.de - Im Iran herrschen im Hintergrund die Revolutionswächter und wollen jeden loswerden, der eigenständig denkt und es zu einer gewissen Berühmtheit bringt. Ein alternativer Heiler hat viele Anhänger gewonnen, jetzt läuft er Gefahr sein Leben zu verlieren.
Aktivisten protestieren in London gegen die Verurteilung von Tâheri zum Tode
mehriran.de - Dr. Mohammad Ali Tâheri sitzt seit 5 Jahren im Gefängnis. Er hat mehrmals gegen seine Inhaftierung durch mehrere Hungerstreiks protestiert. Seit August 2015 ist er wieder in einen Hungerstreik getreten, seither sind mehr als 60 Tage vergangen und er ist gewillt weiter zu machen, obwohl ihn aus dem In- und Ausland gut gemeinte Appelle erreichen, den Streik zu brechen. Sein Fall ist ein Beispiel für die skandalösen Machtstrukturen im Iran und macht deutlich wo die Strippenzieher hinter den Kulissen sitzen.
Amnesty International setzt sich mit einer Urgent Action für sein Leben ein und schreibt dazu:
www.amnesty.de/urgent-action/ua-212-2014-2/zum-tode-verurteilt
"Mohammad Ali Taheri ist im Zusammenhang mit seiner spirituellen Weltanschauung und Lehren wegen "Beförderung von Verdorbenheit auf Erden" zum Tode verurteilt worden. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener.
Gegen Mohammad Ali Taheri erging am 1. August ein Todesurteil wegen "Verbreitung von Verderbtheit auf Erden" (efsâd-e fel arz). Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe beziehen sich auf die Gründung der spirituellen Gruppe Erfân-e-Halgheh. Er musste sich zuvor in zwei Sitzungen am 11. März und am 29. April vor der Abteilung 26 des Teheraner Revolutionsgerichts verantworten. Bis zum 20. August hat er nun die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen seine Verurteilung einzulegen.
Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge basiert das Todesurteil gegen Mohammad Ali Tâheri auf denselben spirituellen Lehren und Praktiken, die auch schon im Oktober 2011 die Grundlage seiner Verurteilung in mehreren Anklagepunkte waren. Er war 2011 unter anderem wegen "Beleidigung islamischer Heiligkeiten" zu fünf Jahren Haft, 74 Hieben und einer Geldstrafe von neun Milliarden Rial (ungefähr 277.000 Euro) verurteilt worden. Seit seiner Inhaftierung im Mai 2011 befindet er sich in der den iranischen Revolutionsgarden unterstellten Abteilung 2A des Evin-Gefängnisses in Teheran in Einzelhaft. Amnesty International befürchtet, dass Mohammad Ali Tâheri wegen "Beförderung von Verdorbenheit auf Erden" zum Tode verurteilt worden ist, weil die Revolutionsgarden diesbezüglich Druck ausgeübt haben. Dies lässt Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des iranischen Justizsystems aufkommen."
Die ausgesprochenen Zweifel von Amnesty International an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des iranischen Justizsystems sind vollkommen gerechtfertigt. Das lässt sich am Fall Tâheri sehr gut nachvollziehen.
Es gibt innerhalb des Systems im Iran Institutionen, die vergleichbar mit Einrichtungen anderer Staaten sind. So gibt es eine angeblich unabhängige Justiz unter ihrem Leiter Sadegh Larijani, die tatsächlich unabhängig von der Regierung ist, in diesem Fall der Regierung unter Hassan Rouhani. Sie ist mit Diebstählen, Gewaltakten, Drogendelikten, Familiensachen und anderen Streitigkeiten befasst. Dazu gibt es Gerichte, die nur für Geistliche zuständig sind, Militärgerichte und Revolutionsgerichte, die eingeschaltet werden, wenn jemand verdächtigt wird dem revolutionären Staat Iran gefährlich zu werden. Alle diese Gerichte wiederum müssen sich Weisungen einer Geheimdienstinstitution der Pasdaran fügen, die "Zâbetin-e Qoveyieh Ghazâyieh" heisst (Befehlsgeber für die Gerichtsbarkeit).
Weiterhin gibt es einige ideologisch arbeitende Institutionen (think tanks), welche die Aufgabe haben die Ideologie des Systems zu tragen, zu verteidigen, zu verbreiten und auf verschiedenen Ebenen durchzusetzen. Diese Institutionen gehören auch zum mächtigen Apparat der Revolutionsgarden (Pasdaran). Eine dieser Institutionen (Zentrum für Weltanschauungsfragen und Religionen, Feragh va Adyan) überwacht und prüft alle weltanschaulichen und religiösen Gruppen im Land und weltweit. Hier werden auch die Kader der Pasdaran ideologisch geschult.
Grundsätzlich organisiert dieses Zentrum Ausstellungen, in denen andere religiöse oder spirituelle Gruppen als Satanisten diffamiert oder als Staatsfeinde und fünfte Kolonne des Westens im Iran dargestellt werden. Junge Geistliche werden in Provinzstädte geschickt, um einfache Bürger gegen Baha'i, Sufi-Derwische oder andere Gruppen aufzuhetzen.
Gegen Mohammad Ali Tâheri ist dieses Zentrum nun vor fünf Jahren gerichtlich vorgegangen. Er wurde vor einem Revolutionsgericht angeklagt "Verderbtheit auf Erden" (efsâd-e fel arz) zu verbreiten und islamische Heiligkeiten beleidigt zu haben.
Herr Tâheri hätte sich gerne selbst vor Gericht verteidigt, was ihm nicht gewährt wurde. Er sollte seinen Standpunkt schriftlich einreichen. Die 200 Seiten, die er daraufhin als Verteidigungsschrift verfasste, wurde jedoch von Mitarbeitern des Zentrums für Weltanschauungsfragen und Religionen konfisziert und dem Gericht nicht vorgelegt. Stattdessen brachte das besagte Zentrum Rechtsgutachten dreier Ajatollahs aus Ghom vor Gericht ins Spiel und berief sich auf religiöses Recht anstatt auf gesetzliche Grundlagen. Auf Druck und Weisung der Pasdaran Abteilung "Zâbetin-e Qoveyieh Ghazâyieh" verurteilte der zuständige Richter dann im August 2015 Herrn Tâheri zum Tode.
Das Urteil wurde nicht gleich veröffentlicht. Hier sieht man sehr gut wie das Regime im Iran dann sein Spiel mit der öffentlichen Meinung sehr subtil und mehrstufig umsetzt. Der Richter informierte lediglich den inzwischen hinzugezogenen neuen Anwalt Tâheri's am Telefon darüber, dass ein Todesurteil gegen seinen Mandaten gefällt worden war. Der Anwalt, Alizadeh Tabatabei, der auch Mehdi Hashemi und Amir Helmati vor Gericht vertreten hat, veröffentlichte dann durch Interviews die Entscheidung des Gerichtes. Umgehend wurde die Entscheidung jedoch offiziell dementiert und erst eine Woche später in einer Pressekonferenz von Mohsen Ejei, dem Sprecher der Justiz, bestätigt. Anwalt Alizadeh Tabatabei reiste daraufhin nach Qom und suchte das Gespräch mit den drei Ajatollahs, die als Quelle des zu Grunde gelegten Rechtsgutachtens genannt worden waren und erfuhr, dass keiner von den dreien eine solche Fatwa erlassen hatten, geschweige denn, dass sie Herrn Tâheri und seinen Fall kannten, um in der Lage zu sein ein Rechtsgutachten zu seinem Tod zu erlassen. Dann legte er Berufung gegen das Todesurteil ein. Ejei bestätigte in einer weiteren Pressekonferenz daraufhin noch einmal das Todesurteil und den Eingang der Berufung und versprach den Fall an den Obersten Gerichtshof weiter zu leiten, der über das Todesurteil zu befinden habe. Seither sind zwei Monate vergangen und nichts ist passiert.
Mohammad Ali Tâheri ist entschlossen seinen Hungerstreik weiter zu führen. Es ist sein einziges Mittel sich gegen die Willkürjustiz zu wehren.
Menschenrechtsaktivisten aus Teheran, wie die Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, der Journalist Mohammad Nourizadeh oder der ehemalige Teheraner Universitätsrektor Mohammad Maleki geben in Interviews mit DorrTV zu verstehen, dass die mächtigen Revolutionswächter im Iran die Popularität Tâheri's nicht mehr tolerieren wollten und ihn auf diesem Weg aus dem Weg schaffen wollen.
V. Beheshti, ein führendes Mitglied der Internationalen Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran, lebt in London. Er warnt davor, dass das Regime im Iran mit dem Fall Tâheri einen Präzedenzfall schaffen will, um später einfacher Anführer missliebiger Gruppen "gesetzlich" aus dem Leben zu befördern.
Helmut N. Gabel für mehriran.de
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