Gefühlskalt, schonungslos, mitleidslos: "Der Fall Paradin" ist beileibe nicht Hitchcocks empfindsamster Film. Emotionen, Wärme, Liebe? Fehlanzeige. Der Film rückt in die Nähe einer technischen Routineinspektion, die so diskret und objektiv wie sein juristischer Überbau einen bis zuletzt vertrackten Kriminalfall zu analysieren hat. Die Hauptdarsteller erst – Alida Vallis "mystische Kälte" mit den "Augen einer Sphinx", Gregorys Peck als leicht fehlbesetzter, distinguierter, "hohl" dreinschauender (vgl. "Spellbound") Dandy, der in die Fänge einer verwirrenden Begierde gerät und nicht mehr zwischen Ehebruch und Ethos differenzieren kann. Vielleicht hat es Hitchcock mit der Sterilität übertrieben. Angesichts des hochgestochenen Mienenspiels fällt es schwer, eine Beziehung zu einem der zu häufig zu Eis gefrorenen Akteure herzustellen, in einer Geschichte, deren zur Diskussion ausgesetzter Schlüsselmoment, der Mord, über die gesamte Dauer in seiner praktisch-topografischen Vollstreckung ungeachtet exorbitant geschwätziger Spekulationen im Film selbst (das hat auch Hitchcock angemerkt) unerklärlicherweise nicht greifbar bleibt. Manch' inszenatorischem Einfall sei Dank (die Szene, als der Richter, schmierig-schelmisch verkörpert von Charles Laughton, als Lüstling überführt wird, ist herrlich beobachtet), ist "Der Fall Paradin" zumindest zeitweise ein geschliffenes, soghaftes, wenn auch indifferentes Hitchcock-Personendrama vor Gericht, dessen abschätzbarer Ausgang, ebenso wie die von Gitterstäben abgelöste Dekadenz der gesellschaftlich Höhergestellten im Drehbuch nichtsdestoweniger eine nebensächliche Fußnote ausfüllt.
5 | 10