Der Fall Kachelmann oder warum wir uns manchmal fremdschämen müssen…

Der Fall Kachelmann oder warum wir uns manchmal fremdschämen müssen…

© chrisandre / pixelio.de

Manchmal ist im Leben wirklich Fremdschämen angesagt, und wenn man sich die Prozesse in Mannheim um und gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann anschaut, dann weiss man garnicht, für wen man sich zuerst und für wen man sich am meisten fremdschämen soll.

Da war zB. der Sprecher der Staatsanwaltschaft, der Blutspuren des inzwischen Freigesprochenen am angeblichen Tatmesser behauptete, die es nie gegeben hat (noch nicht einmal DNA-Spuren wurden gefunden), da war der langmähnige Staatsanwalt mit hoher Diskantstimme, der dem Angeklagten die Darlegungs- und Beweislast zuschob, den Prozess gnadenlos gegen die Wand fuhr und dafür inzwischen auch noch befördert worden ist, da war die Reise nach Jerusalem, Verzeihung, in die Schweiz, die “SeidlingBockBültmann” (so die neue, höchst inoffizielle Bezeichnung für das Dreigestirn, welches am Landgericht Mannheim Strafkammer übte) inszenierten, der beisitzende Richter, der sich öffentlich darüber wunderte, warum die Nebenklägerin, die inzwischen zur Frau ohne Namen mutiert ist, so schlecht log, usw. usw. …

Da war aber auch der Ermittlungsrichter, der später den Beschluss des OLG Karlsruhe zum Geheimpapier  erklärte, und da ist überhaupt das Landgericht Mannheim selbst im Schulterschluss mit der “Kavallerie der Justiz”, der Staatsanwaltschaft Mannheim, die bis heute das Urteil im Giftschrank verwahrt – mit einem Blick auf diese juristische Provinz weiss man immerhin, warum die EU den Friedensnobelpreis nicht bekommen hat, weil in ihrem Territorium Alles so rechtsstaatlich abläuft…

Aber wenn man glaubt, man habe sich genug fremdgeschämt für diese Prozesse, für diese Justiz, für eine Reihe von Akteuren in diesen Possenspielen – dann tauchen neue Umstände und Personen auf: neue Sterne am Justizhimmel der Kachelmann-Prozesse in Mannheim erscheinen in Form der neuen Prozessvertreter der ehemaligen Nebenklägerin, deren Namen man nicht mehr nennen darf – und in Form der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim, welche sich wohl bei den dortigen Strafrichtern angesteckt hat…

Schauen wir etwas näher hin: da wäre zunächst RA M.Z. aus Schw. bei Mannheim (keine Namen bitte, wahrscheinlich Alle geheim und deren Nennung verboten), der jetzt mit vielen Pfeilen im Köcher aktiv ringt – und dies nicht nur auf der Matte, sondern auch im Gerichtssaal. Kollege M.Z. jedenfalls reichte mal kurz und schneidig zwei Anträge auf Erlass von einstweiligen Verfügungen ein – natürlich beim Landgericht Mannheim, sozusagen Heimmatte bzw. Heimspiel für ihn und Frau Namenlos. Aber damit nicht genug, einen der beiden Anträge stellte er inzwischen ins Internet, und da kann man höchst Erstaunliches lesen:

  1. Die ehemalige Nebenklägerin, deren Namen man nicht mehr nennen darf, sei zwar Radiomoderatorin, jedoch dies nur bei einem kleinen regionalen Rundfunksender – wo sie immerhin Gehalt beziehe, wie man dem beigefügten Nachweis wohl entnehmen kann, und die Kirchensendungen nicht für Gotteslohn abhalten müsse (der Wettermoderator steht ja als Dukatenesel nicht mehr zur Verfügung). Aber als Moderatorin eines Rundfunksenders – mit eigenen Unterschriftenkarten, wie man dem Internet allgefällig entnehmen kann – sei sie keine öffentliche Person. Da reibt man sich doch die Augen, oder?
  2. Aber zu einer öffentlichen Person werde sie auch nicht, weil sie eine seitenlange Homestory samt Titelblatt im Boulevardblatt “Bunte” unter Einbezug von vielen, vielen Hochglanzphotos abgeliefert habe. Dort sei nämlich auch nur ihr richtiger Vorname (nein, der ist nicht “Jutta”, sonder “Pieps”, wenn man dem SWR trauen darf) genannt worden, ihr Nachname allerdings nur mit dem ersten Buchstaben.
  3. Ihr richtiger Name sei nie erschienen – nun gut, fast nie, nur in der “Emma”, also in der Zeitschrift, für die Alice Schwarzer verantwortlich zeichnet, die Dame, die sich durch besonders sinnbefreite Unterstützung der Nebenklägerin im Kachelmannprozess (deren Name nicht mehr genannt werden darf, erwähnte ich das schon?) und für Rechnung der “Bild”-Zeitung hervorgetan hat. Und diese Namensnennung sowohl in der Printausgabe (Restauflage des sich auf dem ganz absteigenden Ast befindlichen Blättchens um die 40.000 Stück) als auch in der Internetveröffentlichung (die inzwischen pfeilschnell gelöscht wurde) sei ja von der Dame, deren Namen man nicht mehr aussprechen darf, nicht legitimiert worden. Hat Herr Kachelmann eigentlich seine Namensnennung im Rahmen des Prozesses (zuerst wohl durch die Saatsanwaltschaft Mannheim, wenn ich mich richtig erinnere) irgendwann legitimiert, so fragt man sich doch ausserhalb Mannheims da doch sofort…

Ja, aber nur allein mit solchen “Argumenten”, da will es der Freizeitringer dann doch nicht belassen – es folgt noch ein schlanker Hinweis auf die “Esra”-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 21. 6. 2005 – VI ZR 122/04).

Haken wir kurz hinten ein: beim Bezug auf den BGH erscheint die Spurensuche des Kollegen M.Z. aus Schw. bei Mannheim nach meiner Einschätzung nun nicht gerade besonders zielführend, denn bei der dortigen Entscheidung ging es um Personen, die sich mitnichten in das Licht der Öffentlichkeit gedrängt haben, sondern erst durch die Veröffentlichung des Romans erkennbar wurden, und zwar nur für einen sehr begrenzten Familien- und Freundeskreis. Und von einer tatsächlichen Namensnennung im dort sanktionierten Roma ist in der Entscheidung nun schon mal garnicht die Rede – aber von der “Esra”-Entscheidung sehr häufig in den einschlägigen juristischen “Kochbüchern”, den Formularsammlungen, aus denen man sich schnell mal Begründungen herausschreibt, wenn einem selbst nichts wirklich Berauschendes einfällt.

Aber halten wir uns nicht mit solchen juristischen Spitzfindigkeiten auf, beschäftigen wir uns lieber nach diesem kurzen Exkurs zu einer wissenschaftlichen Nullspur mit den angeblichen “Sachargumenten”. Und da finde ich es schon interessant, wie dünn diese “Pfeile im Köcher” des Kollegens sind, muss er doch einräumen, dass sich die Frau mit dem nicht mehr aussprechbaren Namen selbst in eines der grössten Boulevardblätter der Bundesrepublik gedrängt und die Veröffentlichung ihres Namens im Emanzen-Kampforgan “Emma” fast ein Jahr geduldet hat.

Aber anscheinend braucht man beim Landgericht Mannheim gar keine Argumente, wenn man aus dem nahegelegenen Schw. kommt und es gegen Herrn Kachelmann geht. Das Landgericht jedenfalls erliess prompt die gewünschte einstweilige Verfügung. Nun, da führt der Herr Ringer ja definitiv nach Punkten – wenn auch der Gegner noch garnicht auf der Matte war. So ist das anscheinend in der Kurpfalz – von der ich bisher eigentlich nur die gleichnamigen Kekse von Aldi kannte, und inzwischen ob meiner sonstigen Nichtkenntnis eine gewisse Erleichterung durchaus verspüren kann.

Werfen wir einen Blick auf die “Begründung” des Landgerichts Mannheim, die RA M.Z. aus Schw. bei Mannheim ja auch veröffentlicht hat – und reiben uns umgehend die doch noch nicht so trüben Augen: aus dieser Begründung ergibt sich zur Frage der Veröffentlichung des Namens der Frau, die inzwischen keinen Namen mehr hat, in der Postille “Emma” genau Folgendes:

GARNICHTS! Nichts, keine Zeile, kein Wort, kein Buchstabe, nichts, Null!

Als wenn die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 21.06.2006, Az. VI ZR 259/05 überhaupt nicht existieren würde, obwohl diese nun tatsächlich einschlägig wäre – Näheres finden Sie zB. hier: Das Buch Kachelmann und die einstweilige Verfügung der Claudia D.: Und schon wieder wird das Oberlandesgericht Karlsruhe helfen müssen… « Rechtsanwaltssozietät Scherer & Körbes.

Auch die Erkenntnis, dass der Name der Dame, die inzwischen ohne diesen Namen dastehen will, in diversen anderen Informationsmedien genannt wurde, scheint am Landgericht Mannheim komplett vorbei gegangen werden. Es mag sich bis in die Kurpfalz noch nicht herumgesprochen haben, aber in der EU, aber eigentlich weltweit und dementsprechend auch zumindest ausserhalb von Mannheim hat sich die Informationstechnologie seit der Steinzeit weiter entwickelt: wir haben Internet! Und dieses Internet mit seinen Blogs, seinen Foren, seinen Homepages stellt einen Teil der Öffentlichkeit dar, und wer den Namen der Dame, die ihn nicht mehr hören will, in diesem Internet googelt, der findet massenhaft Einträge genau zu dieser Dame und dem Namen, der nun noch nicht einmal mehr geflüstert werden darf.

Und warum findet man diese Einträge im Internet, in der ersten Presseerklärung des Landgerichts Mannheim nach dem Freispruch des Jörg Kachelmann (UPS!), im Alice-Schwarzer-Sprachrohr “Emma”?

“(Wenn) der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen (tritt), (dann) wirkt er durch sein Verhalten auf andere ein und berührt (er) dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens, dann ergibt sich aufgrund des Sozialbezuges nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Einschränkung des Bestimmungsrechts desjenigen, über den berichtet wird.”

Was für ein Satz – Juristendeutsch, schwer verständlich, sperrig, richtig, für das Landgericht Mannheim wohl trotzdem nicht nachvollziehbar.

Aber nun, es geht noch weiter, diese Einschränkung des Bestimmungsrechts dürfte spätestens nach der Hochglanzstory in der Bunten bei Frau without a name eingetreten sein, denn tatsächlich,…

“Wer sich im Wirtschaftsleben (oder eben im gesellschaftlichen Leben, Anm. d. Verf.) betätigt, setzt sich in erheblichem Umfang der Kritik an seinen Leistungen aus (…). Zu einer solchen Kritik gehört auch die Namensnennung. Die Öffentlichkeit hat in solchen Fällen ein legitimes Interesse daran zu erfahren, um wen es geht und die Presse könnte durch eine anonymisierte Berichterstattung ihre meinungsbildenden Aufgaben nicht erfüllen. Insoweit drückt sich die Sozialbindung des Individuums in Beschränkungen seines Persönlichkeitsschutzes aus. Denn dieser darf nicht dazu führen, Bereiche des Gemeinschaftslebens von öffentlicher Kritik und Kommunikation allein deshalb auszusperren, weil damit beteiligte Personen gegen ihren Willen ins Licht der Öffentlichkeit geraten.”

Und, wer hat das erfunden? Nein, nicht die Schweizer, und schon gar nicht ein bestimmter Schweizer (nun gut, 5,00 Euro in die Kasse für besonders flache Anspielungen), es ist der BGH – aber da sich das Landgericht Mannheim wohl noch nicht einmal um das OLG Karlsruhe schert (wie man dem Buch von Miriam und Jörg Kachelmann durchaus entnehmen könnte), schert es sich eben auch nicht um den Bundesgerichtshof.

Doch damit nicht genug, sogleich wird die 3. mannheimer Zivilkammer auch noch in ihrer Begründung, die immerhin epochale 6 Absätze umfasst, sachverhaltsschöpfend tätig: tatsächlich soll nämlich die in einer Boulevardzeitung abgedruckte bildliche Darstellung der Dame, deren Namensnennung gleich Beschlüsse des LG Mannheim nach sich ziehen kann, deswegen dem Unterlassungsanspruch  nicht entgegen stehen, weil sie dadurch nur für ihr nächstes Umfeld identifizierbar sei….

Das ist ja jetzt mal unorthodox – ok, ich gebe zu, diese Formulierung geklaut zu haben; aber so zum an den Kopf fassen die Entscheidung des Schiedsrichter in der 31. Minute des gestrigen Länderspiels war (Irland-Deutschland im 11FREUNDE-Liveticker | 11 Freunde), so ist es auch diese Begründung der mannheimer Kammer: die Zeitschrift “Bunte” hat eine Auflage von rund sechshundertfünzigtausend (650.000!!) Exemplaren (Bunte – Wikipedia), und auf sämtlichen Titelblättern dieser 650.000 Zeitschriften war die Namenlose abgebildet: in Farbe, wohlgemerkt! Und dadurch ist sie nur für ihr nächstes Umfeld identifizierbar?

Ausserhalb der Kurpfalz gibt es für diese unorthodoxe (siehe oben) Begründung des Landgerichts Mannheim eigentlich nur drei (teilweise ebenfalls unorthodoxe) Erklärungen:

  • die 650.000 Exemplare sind genauso unerheblich wie die 40.000 “Emma”-Heftchen mit Namensnennung, durch so ein bisschen Verbreitung entsteht keine Öffentlichkeit.
  • Photoshop hat so was von ganze Arbeit geleistet, dass die Bilder in der “Bunten” mit dem Original nicht, aber auch garnichts gemein haben und deswegen anhand dieser Bilder niemand die Frau, dessen Namen ich lieber auch nicht nenne, obwohl man ihn in der Emma und im Internet unschwer nachlesen kann, erkennen kann.
  • eine Erklärung, die ich hier aus Selbstschutz lieber nicht schreibe.

Wie gesagt, erhebliches Fremdschämen ist angesagt.

Da bleibt der Auftritt vom Papa des RA M.Z. aus Schw. bei Mannheim, des Kollegen R.Z., natürlich auch aus Schw., zusammen mit der Kollegin K.S. (Sie ahnen es, aus Schw.) auf der Buchmesse in Frankfurt am gestrigen Tag eine kleine, aber doch lustige Randnotiz. Da hat der Kollege schon mal einen grossen Auftritt (warum auch immer) vor Augen – und dann erscheint er dort unter den ganzen iPhone-Trägern mit Lederhut und Tiermusterkravatte, wobei auch seine Kollegin auf dem Photo nicht wirklich liebenswert rüberkommt (Klick und Klick).

Mal ehrlich, bei diesem Auftritt in Verbindung mit diesem Gesichtsausdruck muss man  sich nicht wundern, wenn ein bärbeissiger Ordner den beiden Anwälten auf Leserreise den Zugang zur Pressekonferenz verwehrt – die arme Miriam Kachelmann hätte sich ja bei deren Anwesenheit ähnlich unwohl gefühlt wie bei der völlig überflüssigen, aber dennoch in extenso ausgeweiteten Befragung durch “SeidlingBockBültmann”…

Allerdings frage ich mich verzweifelt: was machen die beiden da vor Ort, wo man das Buch doch ungeschwärzt in jeder gut sortierten Buchhandlung erwerben kann? Es gibt doch sicherlich angenehmere Ziele für den jährlichen Kanzlei-Ausflug… nachdem sich der nicht nur mit dem Recht ringende Sohn und Kollege schon “absentiert” hat – das Wort habe ich schon seit meiner Schulzeit und dem grossen Latinum nicht mehr gehört, es macht einen ausgesprochen eloquenten (ja, ich kann das auch mit den fremden Worten) Eindruck.

Jedenfalls für Spannung ist gesorgt in Mannheim…. und wir werden uns nicht das letzte Mal fremdgeschämt haben für den einen oder anderen Akteur dort, vermute ich.

Photo: www.pixelio.de


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