Von Marc Schanz
Der Märktepsychiater Draghi diagnostiziert eine schwere Störungen an den Anleihemärkten und wird die Irrationalen Handlungen mit allen Mittel aus seinem Giftschrank bekämpfen: Der EZB-Präsident Draghi kündigt den unbegrenzte Aufkauf von Staatsanleihen an! Das darf doch nicht wahr sein! In diesen Maastricht-Verträgen, die mit dem Blut europäischer Demokratien geschrieben wurden, steht doch dieser eine in Stein gemeißelte Satz:No-Bailout! No-Bailout! NO-BAILOUT!1!!Die EZB verletzt dieses höchste aller Ordoliberalen Gebote! Oh Graus, der Euro ist nicht mehr deutsch! Am heutigen Tag starb die ehrenwerte Bundesbank und morgen kommt die Hyperinflation, ganz bestimmt!1!!
Welch putzige Horrorgeschichte. Um zu verstehen, was wirklich passiert, muss man zumindest die Grundzüge des Finanzsystems kennen. Das Finanzsystem stellt nicht nur die Finanzierung der Realwirtschaft sicher, es verwaltet auch enorme Vermögenswerte. Richtig, die Staatsschulden gehören in die Sphäre der Vermögenswerte und haben erstmal wenig mit der Realwirtschaft zu tun. Wenn die Staatsschulden steigen, schrumpfen oder auf den Mars exportiert werden, für die Realwirtschaft hat das erst einmal keine Konsequenzen. Ob also die EZB Staatsanleihen kauft oder nicht, ob eine schlichte Umbuchung in der Sphäre der Vermögensverwaltung statt findet oder nicht, ist für die Realwirtschaft erst einmal egal. Erst wenn der Staat sein Vermögen in seine Wirtschaft oder Bürger investiert, in dem er Konjunkturprogramme auflegt oder seine Sozialausgaben erhöht, gäbe es einen positiven realwirtschaftlichen Effekt. Glaubt jemand ernsthaft daran, dass Europa, das Land der ESM-Willkürherrschaft und Troika-Knechtschaft, sich in ein solches Gutmenschenparadies verwandeln könnte? Eben, das wird nicht geschehen und daher wird exakt nichts passieren. Nur den Staatshaushalten wird etwas Luft verschafft und das Sterben der dysfunktionalen Währungsunion wird verlängert. Der Horror einer Hyperinflation wird nicht eintreten und die Krise wird bestehen bleiben.
Für die No-Bailout-Irren habe ich noch einen Hinweis: Die vertraglichen Regelungen einer Währungsunion darf zweifelsohne eine No-Bailout-Klausel enthalten. In diesem Fall müssen aber in den Verträgen alternativlos zwingend zwei weitere Regelungen definiert werden: eine Staatsinsolvenz und ein Austritt aus der Währungsunion. Die derzeitige Währungsunion, die zwar eine No-Bailout-Klausel enthält, aber immer noch auf eine Regelung der Staatsinsolvenz und eines Austritts verzichtet, ist purer Schwachsinn. Dass dieser Konstruktionsfehler seit über zehn Jahre bestehen kann und selbst nach über drei Jahren Dauerkrise noch nicht in Angriff genommen wurde, ist mit der Formulierung “abgrundtiefe Dummheit jenseits sämtlicher Vorstellungskraft” nur äußerst unzureichend beschrieben.
Europa wird nicht an einer Hyperinflation des Geldes, sondern an der Hyperventilation seiner eigenen Dummheit zugrunde gehen.