Schweigen ... Den Maulkorb tragen... Nichts sagen dürfen, weil...
Es gibt viele Begriffe dafür. Die Definitionen dürften jedem bekannt sein. ;-)
Zu schweigen erscheint bequem, man entgeht einem möglichen Shitstorn, üblen Nachreden oder einem Streit. Zu schweigen, obwohl man am liebsten vor Zorn platzen möchte, oder sich einer Ungerechtigkeit gegenüber sieht, macht aber längerfristig krank. Zu schweigen erzeugt bei jedem Mensch irgendwann immensen Leidensdruck – bis hin zu Depressionen. Die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, sich den Dämonen besser nicht zu stellen, war bisher auch mein Weg. Doch wie unterscheidet man richtig und falsch? Geht man den Weg des geringsten Widerstandes oder geht man auf Konfrontationskurs? Gibt es einen Mittelweg?
Als Person des öffentlichen Lebens (als Autoren sind wir das nun mal) sollte der Schritt, das Schweigen zu brechen, gut überlegt sein.
Einige vergangene Ereignisse im Jahre 2019 haben mich jedoch zum Umdenken animiert. Ich bin ein wahrheitsliebender Mensch, trage mein Herz auf der Zunge und sage meist, was ich denke. Natürlich kommt das nicht immer gut an, wenn ich jemanden den Spiegel vorhalte. Und der Spruch: Was du nicht willst, was man dir tut, füge auch keinem anderen zu … Erzeugte bei mir im letzten Jahr einen bitteren Beigeschmack. Nicht jeder hält sich an diese goldene Regel.
Die lange Homepage-Abstinenz obliegt nicht der Tatsache, dass ich nichts zu erzählen gehabt hätte, sondern weil ich emotional nicht in der Lage gewesen war, diesen Online-Part auch noch zu bedienen. Es wäre eine Lüge gewesen, so zu tun, als sei alles in Ordnung, etwas vorzuspielen, dass alles super läuft. Mir ist es bereits schwer gefallen, überhaupt in der Öffentlichkeit zu bleiben - es war also keine böswillige Ignoranz von mir. Ignoranz zeugt von Arroganz und Egoismus - menschliche Tugenden die es bei mir nicht gibt.
Everything will be okay in the end. If it's not okay, it's not the end.
2019 war absolut kein schönes Autorenjahr für mich.
Ich habe emotional einiges einstecken müssen. Tiefschläge, Enttäuschungen, die mich als Autorin mehr als einmal an den Rand des Abgrundes getrieben haben. Am liebsten würde ich alles aus meinem Gedächtnis streichen – doch wo wäre ich am heutigen Tag, in diesem Moment, wenn ich diese negativen Erfahrungen nicht gemacht hätte?
Die Tiefschläge waren schmerzhaft, aber sie haben mich letztlich stärker gemacht. Das Leben (sei es als Autor und auch privat) ist kein Schlaraffenland, das wissen wir alle.
Noch heute klopft gelegentlich der hinterlistige »Teufel der Zweifel« an mein Hintertürchen, um mich mit Fragen zu bombardieren:
Habe ich wirklich alles richtig gemacht?
Die richtigen Entscheidungen getroffen?
Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, hätte ich anders entschieden?
Allerdings gebe es tatsächlich ein oder zwei Sachen, die ich anders geregelt hätte.
Im Frühjahr 2019 wurde mir mit aller Härte gezeigt, dass Wunschträume nichts weiter als Hirngespinste sind, dass Ignoranz ein dehnbarer Begriff ist, dass Herzprojekte nichts weiter als Schall und Rauch sein können. Mit den Folgen klarzukommen hat mich viel Kraft gekostet, um nicht daran zu zerbrechen. Ja, plötzliche Erkenntnisse können schmerzhaft sein und ab da durchfuhr ich eine emotionale Berg- und Talfahrt. Man fühlt sich wie der letzte Abschaum, minderwertig und austauschbar, obwohl man immer sein Bestmöglichstes getan hat …
Und immer wieder diese Fragen: Was habe ich jetzt wieder verkehrt gemacht? Liegt es doch an mir, dass es nicht funktioniert?
Heute weiß ich: Was ich auch tat, es war offenbar nicht gut genug. Es lag allerdings nicht an mir. Dass es so gekommen ist, daran ist niemand schuld. Da existiert keine Schuldfrage, die Erwartungen wurden nicht erfüllt. Punkt. Aus.
Falsche Entscheidungen gibt es nicht, sondern es ist nur eine Sache der Akzeptanz, damit zu leben. Eigentlich sind Entscheidungen nicht in Stein gemeißelt und es besteht immer die Möglichkeit zur Kurskorrektur. Doch wenn es keine Korrektur gibt, wenn alles aussichtslos erscheint, und es besser ist, den eingeschlagenen Weg bis zum bitteren Ende zu gehen? Ich traf meine Wahl, auch wenn mir das im ersten Moment furchtbar schwer gefallen war. Manchmal ist es aber besser, das Alte loszulassen, um neue Türen aufzustoßen.
Für mich ist also noch lange nicht Ende ...
Die Zeit heilt jede Wunde? Oder gewöhnt man sich nur an den Schmerz?
Heilt die Zeit tatsächlich alles? Nein, das tut sie definitiv nicht. Erfahrungen, ob gut oder schlecht, prägen jeden Menschen. Schmerzhafte Eindrücke werden verarbeitet und in die dementsprechende Schublade gepackt und bei Bedarf kramt man sie hervor, um sich daran zu erinnern, den gleichen Fehltritt nie wieder zu begehen.
2019 litt ich unter der schwersten Schreibblockade überhaupt. Die Buchstaben waren leere Worte, mein Kopf war angefüllt mit emotionalen Altlasten, die ich einfach nicht losgeworden bin. Worst Case für jeden Autor, eine Art Schockstarre, ein persönliches Armageddon. Wir leiden Höllenqualen, wenn wir nicht schreiben können. Ein Nichtautor kann das nicht nachfühlen und würde uns vielleicht belächeln. Es ist aber tatsächlich so, dass wir davon krank werden können. Jeder kreative Mensch weiß, wie sich das anfühlt.
Meine Muse hat mir den Mittelfinger gezeigt und sich wieder mit ihrem Schirmchendrink in den Liegestuhl gelegt, wenn ich es doch gewagt habe, etwas zu Papier zu bringen. Auf Biegen und Brechen habe ich im Mai 2019 „Fast lane love“ begonnen – was beinahe zu einer Katastrophe geworden wäre, wenn ich nicht den Entschluss gefasst hätte, die Geschichte vorerst auf Eis zu legen. Letztlich wollte ich das Schreiben sogar aufgeben, ich sah keinen Sinn mehr darin. Kapitulation vor der Literaturwelt sah ich als einzigen Ausweg …
Doch Ende 2019 habe ich dem kleinen Miststück den Liegestuhl geklaut, in ihren Schirmchendrink gespuckt und ihr in den Hintern getreten, um ihr endgültig zu erklären, dass sie sich nicht aus der Verantwortung ziehen kann. Oh ja, sie war verdammt sauer … :-D Aber siehe da, das Luder brachte mir tatsächlich ganz reumütig neue Pläne, großartige Ideen und eröffnete mir eine ganz neue Perspektive.
2020 ... Die Uhr wird auf Null gestellt.
Ein Neuanfang.
Ein neues Terrain.
Ich habe die Harpune gespannt, um im großen "Haifischbecken" zu bestehen. Ein Überleben ist nur gewiss, wenn ich genug Biss habe, mich den Herausforderungen zu stellen. Wir setzen uns tagtäglich extremen Leistungsdruck aus und nicht jeder ist dem gewachsen. Ich bin seit fast sieben Jahren dabei und ich habe viele meiner Kollegen(innen) das Handtuch werfen sehen. Mich stimmt das jedes Mal traurig. Doch ich bin zu stur und zu kämpferisch, um das Handtuch zu werfen. Mich bekommt niemand klein. Das Schreiben werde ich nicht aufgeben.
Meine bekloppte Muse impfte mir eine verrückte Idee in den Kopf: Eine Zukunft am anderen Ufer der Literaturwelt – als Verlegerin. Aber nicht so, wie im herkömmlichen Sinne. Ich plane einen Kurs einzuschlagen, den es so mit ziemlicher Sicherheit schon gibt, aber nicht an jeder Ecke vertreten ist.
Noch ist es eine fixe, geradezu irre Idee. Ich bin sozusagen "Ideenschwanger". :-D Aber wie alle meine Pläne werde ich auch diesen irgendwann umsetzen. Vielleicht nicht sofort, vielleicht auch nicht dieses Jahr. Aber ich habe das Ziel vor Augen und das werde ich verfolgen. Ich besitze den Biss, das Wissen, die Mittel und die nötige Empathie, mich in Menschen hineinzuversetzen.
Wieso also nicht beide Ufer zu einer einzigen Insel vereinen?
Oh ja, es gibt genügend Verlage auf dieser Welt. Sie kommen und gehen, das ist so gewiss, wie der tagtägliche Sonnenaufgang. Natürlich gibt es die zuhauf, da stimme ich jedem zu - doch nicht mit meiner Variante ... ;-) Ich liebe verrückte Sachen und die Herausforderung. :-D Ich lasse mich überraschen, was die Zukunft bringt. Ob sich letztlich alles so verwirklichen lässt, wird sich zeigen. Es kann nur besser werden, nicht schlechter. :-)
In dem Sinne, ihr Lieben: Nicht stillschweigend schaukeln gehen, sondern brüllend den Sandkasten erobern. :-D Haut jedem das Förmchen an den Kopf, der euch im Weg steht und euch daran hindern will, etwas zu tun. Schweigt nicht. Fasst eure Gedanken in Worte, auch auf die Gefahr hin, anderen auf die Zehe zu treten. Zeigt der Welt die Reißzähne, wenn sie sich mit euch anlegen will. ;-) Nichts ist schädlicher für die Seele, als seine Gedanken nicht aussprechen zu dürfen ...
Eure Lina (die nie wieder schweigend schaukeln geht) :-D
Fotos: Pixabay