Nach längerer Pause wurde gestern von Stefan Liebich wieder zu Brot, Pop & Politik geladen. Über 140 Gäste drängten sich in der Brotfabrik an der Weißenseer Spitze und nur mit Hilfe von Beamer und Leinwand konnten alle Besucher in Bild und Ton der Debatte folgen.
Unter der Überschrift "Der Erste und der Einzige" warf der Gastgeber gemeinsam mit Lothar de Maizière, dem letzten und zugleich einzig frei gewählten Ministerpräsidenten der DDR, und Gregor Gysi, dem letzten SED-Vorsitzenden und Oppositionsführer in der Volkskammer, einen Blick auf das 41. Jahr der DDR, der interessante Einblicke in die Debatten der damaligen Zeit bot.
Schnell zeigte sich, dass das Moderationstalent von Stefan Liebich an diesem Abend keiner besonderen Herausforderung unterlag, die beiden zentralen Protagonisten der Wendezeit ließen weitgehend ungehemmt ihrem Redefluss freien Lauf. Es wurden Anekdoten kundgetan, ernsthafte Analysen gewagt und wichtige Erinnerungen gepflegt. Insbesondere dem Musiker und Rechtsanwalt Lothar de Maizière merkte man noch immer an, dass Politik nicht wirklich seine Welt ist und selbst politische Erfolge ihn eher beunruhigten denn anspornten. Vom heutigen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist das nach dem überwältigenden Sieg der aus CDU, DSU und Demokratischer Aufbruch bestehenden Allianz für Deutschland (die laut de Maiziere ihren Namen tatsächlich in Anlehnung an den gleichnamigen Versicherungskonzern bekam) an de Maizière gerichtete Bonmot überliefert: „Sie sehen nach dem Wahlsieg trauriger aus als der Volker Rühe nach seiner Niederlage in Schleswig-Holstein“.
De Maizière und Gysi, beide waren einst auch erfolgreiche Rechtsanwaltskollegen in der DDR, fanden schnell in die halbanarchistische Zeit von 1990 zurück, berichteten anschaulich über Ränkespiele und unkonventionelle Gesetzesarbeit über gemeinsames Überwinden von Hürden und getrenntes politisches Agieren.
Nach dem Wahlerfolg von Lothar de Maizière besucht Gregor Gysi ihn noch einmal privat und gab damals dem neuen DDR-Staatschef mit auf dem Weg: „Du wirst recht bald viele Freunde verloren haben und etliche Feinde gewonnen“. Lothar de Maizière sagt dazu kein Wort, auch jetzt nicht. Vielleicht dachte er daran, dass es dem Propheten dann auch nicht viel besser erging.