Pilze sind perfekte Wiederverwertungsmaschinen; sie zersetzen totes organisches Material und produzieren daraus nährstoffreichen Humus, sind also neben Bakterien die wichtigsten «Destruenten». Dafür haben sie im Lauf der Evolution ganz spezielle Verdauungsenzyme entwickelt, mit denen sie etwa Lignin und andere komplexe Substanzen in verholzten Pflanzen abbauen können – eine fast einzigartige Fähigkeit in der belebten Natur. Doch da viele Pilze nicht nur totes Material, sondern auch lebende Pflanzen besiedeln können, verursachen sie bei wirtschaftlich wichtigen Nutzpflanzen teils erhebliche Schäden.
Dass Pilze durch den Abbau bestimmter Holzbestandteile nicht nur Schaden anrichten, sondern ganz im Gegenteil bestimmte Eigenschaften von Holz sogar verbessern können, zeigt etwa Francis Schwarzes «Stradivari-Projekt», mit dem der Empa-Forscher Klangholz aus Fichte oder Ahorn akustisch verbessern will – mit Hilfe Holz zersetzender Pilze wie dem nun entschlüsselten S. commune. Bereits 2006 hatte Schwarze ein Verfahren hierfür zum Patent angemeldet, und im letzten September siegte eine Biotech-Geige aus mit Pilz behandeltem Holz in einem Blindtest über eine echte Stradivari.
Vom nun vorliegenden kompletten Genom «seines» Geigenpilzes verspricht sich Schwarze einiges. «Die Genomsequenz liefert uns entscheidende Schlüsselinformationen über die Gene der lignolytischen, also Holz zersetzenden Enzyme. Mit diesem Wissen können wir Wildstämme genetisch modifizieren, um dadurch ganz bestimmte Abbauprozesse zu optimieren und zu kontrollieren.» Das S. commune-Genom dürfte dafür einen reichen Fundus liefern, besitzt der Spaltblättling doch gemäss der Erbgutanalyse die umfangreichste Enzymmaschinerie aller Ständerpilze (Basidiomycota) zum Verwerten von Polysacchariden – Kohlenhydrate beziehungsweise langkettige Zucker – sowie einen bislang einzigartigen Abbaumechanismus für Lignin. Diese enzymatische Vielfalt erkläre auch, warum S. commune derart weit verbreitet ist, so Schwarze; er könne sich einfach von «fast allem» ernähren.
Durch das relativ neue Gebiet, das Schwarze «Fungal Biotechnology» nennt, lässt sich zum Beispiel Fichten- oder Tannenholz – beides nicht besonders dauerhaft und widerstandsfähig – besser mit Holzschutzmitteln und anderen Veredlungssubstanzen imprägnieren. «Ein riesiges wirtschaftliches Potenzial, vor allem in der Schweiz mit ihren mehr als 60 Prozent Fichten und Tannen», ist Schwarze überzeugt. Doch auch effizientere Methoden zur Produktion biogener Treibstoffe auf Basis verholzter Biomasse seien denkbar.
Ausserdem sollten die Gene, die die Fruchtkörperbildung steuern, wichtige Informationen darüber liefern, wie sich dieser Prozess zum Beispiel für Speisepilze optimieren lässt. Im Falle der rund 2.5 Millionen Tonnen Champignons und Co., die weltweit jährlich produziert werden, eine durchaus lohnende Frage.