Was heisst “Bildsprache” eigentlich? Kann ein Bild sprechen? Und wenn ja, was erzählt es? Wozu braucht man eigentlich eine eigene Bildsprache? Nun, zumindest die letzte Frage lässt sich relativ einfach beantworten: Die eigene, unverwechselbare Bildsprache ist der Multiplikator deiner Arbeit, der Fluchtweg aus dem sich kannibalisierenden Diskount-Bereich, der Faktor X mit dem du deinen Tagessatz multiplizieren kannst – sie ist deine fotografische Identität.
Wenden wir uns zunächst einmal Fotografen zu, deren fotografisches Machwerk sofort auf den Urheber schliessen lassen. Wer fällt Euch als erstes ein? Anne Geddes, Robert Mapplethorpe, Jim Rakete? Ich habe bewusst mal diese 3 herausgegriffen. Schauen wir doch mal, was Euch zu den Dreien als erstes einfällt:
Anne Geddes = Babys
Robert Mapplethorpe = Akt
Jim Rakete = schwarz/weiss
Merkt Ihr was? In den 3 Beispiel-Bereichen (Baby, Akt, s/w) ist das fotografische Portfolio aller Fotografen dieser Welt unüberschaubar. Und trotzdem bringt man sofort bestimmte Fotografen damit in Verbindung. Es gibt sicherlich kein Motiv, was öfter fotografiert wird als “das Baby” und trotzdem hat Anne Geddes es geschafft, sich mit ebendiesem Motiv einen Namen zu machen. Weil sie es auf ihre ganz eigene Weise macht. Und weil sie eben dieses Motiv immer und immer wieder penetriert – in verschiedenen Variationen. Ich kenne jedenfalls kein berühmtes “Brücken-Foto” von ihr. Ein Schlüssel zur eigenen Bildsprache scheint also in der Kontinuität zu liegen. Mir fallen adhoc keine berühmten Farb-Motive von Jim Rakete ein… Euch? Solltet Ihr also an Eurer eigenen Bildsprache arbeiten und mit dieser identifiziert werden wollen, so schmeisst schon mal alle HDR-Versuche aus dem Flickr Stream und packt das Material von Euch zusammen, was zusammengehört.
Doch Kontinuität allein reicht nicht. Erinnert Ihr Euch an den letzten Teil (Analyse & Vergleich)? Paul Ripke hat ein eigenes (unfassbar geiles) Team nur für die Nachbearbeitung seines Materials! Hier wird aus einem Ripke Foto ein Ripke-Foto, was sich auch sofort mit ihm in Verbindung bringen lässt. Bei der Entwicklung der eigenen Bildsprache muß man sich also nicht auf das “geschossene Foto” reduzieren. Einen unverkennbaren “look” in der Postproduction zu kreieren ist eine ebensolche Kunst, wie in einem bestimmten “look” zu fotografieren.
Man wird die Erarbeitung der eigenen Bildsprache jedoch nicht mit einer Rezeptur auf einen Punkt bringen – schon gar nicht in einer Blogpost. Fotografische Regeln zu verlassen kann ebenso dazu gehören, wie der Verzicht auf Nachbearbeitung oder der Wahl einer bestimmten Kamera bzw. eines bestimmten Objektives. Auch die Reduktion auf einen der Beiden großen Bereiche – ”situative” oder “konzeptionelle” Fotografie – ist nicht zwingend der Schlüssel zum Glück.
Schauen wir auf einen meiner Lieblingsfotografen: Neil Krug. Auch für ihn treffen beide bisher angeführten Punkte zu: Kontinuität in der Wahl seines verwendeten Materials (Polaroid) und der unverkennbare “look” der sich aus der Verwendung ebendiesem Materials ergibt. Er benötigt weder große Sets noch teure Kameras um hochwertige Fotografien zu erstellen. Er arbeitet mit einer Mischung aus den 2 großen Bereichen der Fotografie “situativ” und “konzeptionell” und zeigt, das es hier keiner Festlegung bedarf um sich seine eigene Bildsprache zu erarbeiten.
Es gibt per Definition jedoch einen Faktor, der dich von anderen Fotografen unterscheidet lässt und in dem große Chancen liegen. Dieser eine Faktor bist Du selbst. Spiel in aus! Das ist Dein Joker!