oder Hä? War er denn je weg?
Nicht umsonst stehen Ökonomen, die sich an reiner Theorie aufgeilen, im Verruf, sich in ein Second Life der "Fachlichkeit" zurückgezogen zu haben. Dann beglücken sie die Öffentlichkeit mit realitätsfernen und undurchdachten Elaboraten und nennen es Wissenschaft. So wie neulich der Bernau in seinem FAZ-Blog.
Es sei wohl eine "große Welle" gewesen, die da durch die Ökonomie schwappte, erzählt Bernau. Der Egoismus sei nämlich beerdigt worden, dieses Substrat des Neoliberalismus (er nennt das böse Wort nicht) hatte zeitweilig ausgedient. Dazu unterlegt er seinen Text mit zwei Links, die ins Wirtschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen lotsen. Ein wenig Selbstreferenzialität zur Unterlegung seiner These muss schon sein. Und nun strickt sich Bernau einen Phönix aus der Asche, denn -Tatatataaa! - der Egoismus ist zurück, darf wieder Gegenstand der Volkswirtschaftslehre sein. Die "alten Freudenrufe werden relativiert", schreibt Bernau und meint damit die angeblichen Ökonomenstimmen des Abgesangs des Egoismus'.
Sagt mal, Leute, habe ich irgendwas verpasst? Wovon spricht der Mann?
Der Finanzkapitalismus war und ist in der Krise. Aber er hat doch mit Kriseneintritt nicht auch nur ansatzweise seine Prämissen überdacht. Gier und Egotrips standen nie zur Debatte. Kaum in den Kommentarspalten, nicht bei den Ökonomen und in der Realität noch viel weniger. Der Neoliberalismus hat befremdlich überlebt.
Bernau bezieht sich auf einige Spielchen, die er "wichtige Experimente" nennt. Und die belegen angeblich, "dass die Menschen einige ziemlich egoistische Fasern in ihren Körpern haben". Unter biologischen Aspekten machen wir es heute nicht mehr. Die Soziologie ist tot - es gibt nur noch Gene!
Egoismus ist für Bernau folglich eine menschliche Eigenart, ist Bestandteil der conditio humana, eine "Faser im Körper", nicht ein anerzogenes (Fehl-)Verhalten. In welchem Milieu Menschen sozialisiert wurden, welcher ideologischen Grundkonzeption diese Prägung unterworfen war, welches Wertesystem gelehrt wurde, das spielt für ihn gar keine Rolle. Nein, der Egoismus ist Biologie, ist vorinstalliert und daher zwangsläufig. Das hat er natürlich deswegen zu sein, weil man ihn dann nicht als schlechtes Benehmen abstreifen kann, sondern hinnehmen und ins Konzept einarbeiten und einweben muss. Und das nicht nur in Einzelfällen, bei der Freundin, die nur redet, aber nie zuhört oder bei dem Elternteil, das sein Umfeld terrorisiert, weil es das eigene Kind als Nabel der Welt deutet. Nein, auch im ganz großen Stil, also im Wirtschaftssystem. Das hat dann auf fast schon naturgesetzlicher Grundlage egoistische Affekte zu bedienen, Egoismus zu unterstützen und Egozentrik zu honorieren. Denn nur so lebt der Mensch in einem Klima, das seiner menschlichen Natur entspricht.
Was Bernau nicht sagt: Die Probanden der Spielchen kommen allesamt aus dem Neoliberalismus. Wie wir alle. Auch sie sind in einem Milieu gereift, in dem die gängige Ökonomie tagein, tagaus lehrte, dass jeder seines Glückes Schmied zu sein habe - und zwar ausschließlich jeder für sich selbst. Eigenverantwortung nennt sich in dieser Systematik, welchem sozialen Rang man schafft, beibehält oder eben verliert. Die Probanden haben diese angelsächsische Variante von Wirtschaftsordnung intus. Wir leben ja alle lange genug darin und ertappen uns alle immer wieder mal im Kosten-Nutzen-Schemata denken, in Preis-Leistung bewerten - und das nicht nur dort, wo es sinnvoll ist, sondern auch in privaten Lebensbereichen. Uns hat man über Jahrzehnte beigebracht, dass Verlierer notwendig seien, damit es Sieger geben kann. Und die sind dann nicht mal Zwangsopfer, sondern selbst schuld. Vielleicht fehlt ihnen ja etwas Egoismus in den Fasern! Wirtschaft wird uns seit Jahren als Krieg verkauft, nicht als Organisation und Verteilung. Studien mit Probanden neoliberaler Konditionierung als Beweise für den Egoismus aufzuführen, das gleicht in etwa einer etwaigen Studie, die beweisen möchte, dass es eine genetisch bedingte menschliche Abneigung gegen Rindfleisch gibt und zu der man nur Hindus als Testpersonen zugelassen hat.
Das alles mögen wissenschaftlich betrachtet spannende Geschichten sein. Mit Ökonomie haben sie nichts zu tun. Der Mensch benötigt kein Wirtschaftssystem nach seiner egoistischen Natur, weil er a) nicht von Natur aus egoistisch ist, sondern von Natur aus Wahlmöglichkeiten hat - und weil b) die Organisation von Produktions- und Arbeitsabläufen, die Verteilung von Gütern und die damit verknüpfte sozio-kulturelle Teilhabe sich keiner Grundlagen bemächtigen sollte, die das Gegenteil von all dem bewirkt. Zu glauben, man könne mehr soziale Gerechtigkeit über einen Markt intelligent gesetzter Egoismusanreize schaffen, der darf auch keinen Widerspruch in kriegerischen Parolen erkennen, die den Frieden als Schlagwort führen.
Egoismus ist eine menschliche Option und Charaktereigenschaft, keine geeignete Grundlage für ein Gemeinwesen. Die Ideologie mit dem biologisch begründeten Egoismus ist die Legitimierung eines räuberischen Konzepts, das nicht räuberisch sein will, sondern sich einfach nur als "menschlich bedingt" entschuldigen möchte - das ist ein Weltbild, in dem der Mensch nicht mehr als intelligenzbegabtes Wesen vorkommt, sondern als eine allerlei Unarten in ihren Fasern tragende organische Bestie. Die Tugend, den eigenen Egozentrismus zu bändigen, gerät damit vom Status einer Kulturleistung zu einem überkommenen Impuls, zu einer Entfremdung von der eigentlichen Menschlichkeit.
Nicht umsonst stehen Ökonomen, die sich an reiner Theorie aufgeilen, im Verruf, sich in ein Second Life der "Fachlichkeit" zurückgezogen zu haben. Dann beglücken sie die Öffentlichkeit mit realitätsfernen und undurchdachten Elaboraten und nennen es Wissenschaft. So wie neulich der Bernau in seinem FAZ-Blog.
Es sei wohl eine "große Welle" gewesen, die da durch die Ökonomie schwappte, erzählt Bernau. Der Egoismus sei nämlich beerdigt worden, dieses Substrat des Neoliberalismus (er nennt das böse Wort nicht) hatte zeitweilig ausgedient. Dazu unterlegt er seinen Text mit zwei Links, die ins Wirtschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen lotsen. Ein wenig Selbstreferenzialität zur Unterlegung seiner These muss schon sein. Und nun strickt sich Bernau einen Phönix aus der Asche, denn -Tatatataaa! - der Egoismus ist zurück, darf wieder Gegenstand der Volkswirtschaftslehre sein. Die "alten Freudenrufe werden relativiert", schreibt Bernau und meint damit die angeblichen Ökonomenstimmen des Abgesangs des Egoismus'.
Sagt mal, Leute, habe ich irgendwas verpasst? Wovon spricht der Mann?
Der Finanzkapitalismus war und ist in der Krise. Aber er hat doch mit Kriseneintritt nicht auch nur ansatzweise seine Prämissen überdacht. Gier und Egotrips standen nie zur Debatte. Kaum in den Kommentarspalten, nicht bei den Ökonomen und in der Realität noch viel weniger. Der Neoliberalismus hat befremdlich überlebt.
Bernau bezieht sich auf einige Spielchen, die er "wichtige Experimente" nennt. Und die belegen angeblich, "dass die Menschen einige ziemlich egoistische Fasern in ihren Körpern haben". Unter biologischen Aspekten machen wir es heute nicht mehr. Die Soziologie ist tot - es gibt nur noch Gene!
Egoismus ist für Bernau folglich eine menschliche Eigenart, ist Bestandteil der conditio humana, eine "Faser im Körper", nicht ein anerzogenes (Fehl-)Verhalten. In welchem Milieu Menschen sozialisiert wurden, welcher ideologischen Grundkonzeption diese Prägung unterworfen war, welches Wertesystem gelehrt wurde, das spielt für ihn gar keine Rolle. Nein, der Egoismus ist Biologie, ist vorinstalliert und daher zwangsläufig. Das hat er natürlich deswegen zu sein, weil man ihn dann nicht als schlechtes Benehmen abstreifen kann, sondern hinnehmen und ins Konzept einarbeiten und einweben muss. Und das nicht nur in Einzelfällen, bei der Freundin, die nur redet, aber nie zuhört oder bei dem Elternteil, das sein Umfeld terrorisiert, weil es das eigene Kind als Nabel der Welt deutet. Nein, auch im ganz großen Stil, also im Wirtschaftssystem. Das hat dann auf fast schon naturgesetzlicher Grundlage egoistische Affekte zu bedienen, Egoismus zu unterstützen und Egozentrik zu honorieren. Denn nur so lebt der Mensch in einem Klima, das seiner menschlichen Natur entspricht.
Was Bernau nicht sagt: Die Probanden der Spielchen kommen allesamt aus dem Neoliberalismus. Wie wir alle. Auch sie sind in einem Milieu gereift, in dem die gängige Ökonomie tagein, tagaus lehrte, dass jeder seines Glückes Schmied zu sein habe - und zwar ausschließlich jeder für sich selbst. Eigenverantwortung nennt sich in dieser Systematik, welchem sozialen Rang man schafft, beibehält oder eben verliert. Die Probanden haben diese angelsächsische Variante von Wirtschaftsordnung intus. Wir leben ja alle lange genug darin und ertappen uns alle immer wieder mal im Kosten-Nutzen-Schemata denken, in Preis-Leistung bewerten - und das nicht nur dort, wo es sinnvoll ist, sondern auch in privaten Lebensbereichen. Uns hat man über Jahrzehnte beigebracht, dass Verlierer notwendig seien, damit es Sieger geben kann. Und die sind dann nicht mal Zwangsopfer, sondern selbst schuld. Vielleicht fehlt ihnen ja etwas Egoismus in den Fasern! Wirtschaft wird uns seit Jahren als Krieg verkauft, nicht als Organisation und Verteilung. Studien mit Probanden neoliberaler Konditionierung als Beweise für den Egoismus aufzuführen, das gleicht in etwa einer etwaigen Studie, die beweisen möchte, dass es eine genetisch bedingte menschliche Abneigung gegen Rindfleisch gibt und zu der man nur Hindus als Testpersonen zugelassen hat.
Das alles mögen wissenschaftlich betrachtet spannende Geschichten sein. Mit Ökonomie haben sie nichts zu tun. Der Mensch benötigt kein Wirtschaftssystem nach seiner egoistischen Natur, weil er a) nicht von Natur aus egoistisch ist, sondern von Natur aus Wahlmöglichkeiten hat - und weil b) die Organisation von Produktions- und Arbeitsabläufen, die Verteilung von Gütern und die damit verknüpfte sozio-kulturelle Teilhabe sich keiner Grundlagen bemächtigen sollte, die das Gegenteil von all dem bewirkt. Zu glauben, man könne mehr soziale Gerechtigkeit über einen Markt intelligent gesetzter Egoismusanreize schaffen, der darf auch keinen Widerspruch in kriegerischen Parolen erkennen, die den Frieden als Schlagwort führen.
Egoismus ist eine menschliche Option und Charaktereigenschaft, keine geeignete Grundlage für ein Gemeinwesen. Die Ideologie mit dem biologisch begründeten Egoismus ist die Legitimierung eines räuberischen Konzepts, das nicht räuberisch sein will, sondern sich einfach nur als "menschlich bedingt" entschuldigen möchte - das ist ein Weltbild, in dem der Mensch nicht mehr als intelligenzbegabtes Wesen vorkommt, sondern als eine allerlei Unarten in ihren Fasern tragende organische Bestie. Die Tugend, den eigenen Egozentrismus zu bändigen, gerät damit vom Status einer Kulturleistung zu einem überkommenen Impuls, zu einer Entfremdung von der eigentlichen Menschlichkeit.