Der Drache spuckt die Wahrheit aus: Mario Draghi gibt (indirekt) zu, dass die EZB (satzungswidrig) Staatsschulden finanzieren will!


Schon unter ihrem Präsidenten Jean-Claude Trichet hatte die Europäische Zentralbank zeitweise Staatsanleihen aufgekauft; dieses Programm wurde aber zwischenzeitlich auf Eis gelegt.
Die Finanzierung von Staatsschulden ist der EZB nach europäischem Recht und nach ihren Statuten verboten. Dazu lesen wir in der EZB-Satzung (meine Hervorhebung):
"Artikel  21   Geschäfte  mit  öffentlichen  Stellen
21.1.  Nach  Artikel  123  des  Vertrags  über  die  Arbeitsweise  der  Europäischen  Union  sind  Über­ziehungs-  oder  andere  Kreditfazilitäten  bei  der  EZB  oder  den  nationalen  Zentralbanken  für  Organe, Einrichtungen  oder  sonstige  Stellen  der  Union, Zentralregierungen,  regionale  oder  lokale  Gebiets­körperschaften  oder  andere  öffentlich-rechtliche  Körperschaften,  sonstige  Einrichtungen  des  öffent­lichen  Rechts  oder  öffentliche  Unternehmen  der  Mitgliedstaaten  ebenso  verboten  wie  der  unmittel­bare  Erwerb  von  Schuldtiteln  von  diesen  durch  die  EZB  oder  die  nationalen  Zentralbanken.
"

Allerdings gibt es einen Schleichweg. Insoweit ist folgende Unterscheidung wichtig:
  • "Primärmarkt" = Kauf neuer Anleihen direkt von den Schuldnerstaaten. Das ist der EZB auf jeden Fall verboten ("unmittelbarer Erwerb von Schuldtiteln"), und gegen dieses ausdrückliche Verbot wird sie sicherlich nicht verstoßen.
  • "Sekundärmarkt" = Kauf von Anleihen, die ein Staat schon ausgegeben hat, an den Märkten (also z. B. an der Börse, oder auch direkt von Banken, Versicherungen usw.). 
Das Trichet-Programm lief als Kauf am Sekundärmarkt. Das hilft den Staaten insofern, als bei entsprechend massiven Käufen der EZB die Kurse der Anleihen steigen. Und aufgrund dieser EZB-Kursmanipulation (denn darauf läuft es hinaus!) kann ein Staat seine neuen Anleihen mit niedrigeren Zinsen ausgeben, als er es an einem unbeeinflussten Markt tun könnte. 
Nun ist es freilich klar, dass es bei einer Auslegung zwar nicht nach dem Wortlaut, aber nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung darum geht, generell zu verhindern, dass Staaten ihre Schulden über die Notenbanken finanzieren. 
Denn das war ja in Deutschland nach dem 1. und 2. Weltkrieg, und jüngst in Zimbabwe, die Ursache von Hyperinflation gewesen: Der Staat hatte seine Ausgaben nur teilweise über Steuern finanziert, und großen- oder größtenteils einfach durch frisch gedrucktes Geld von der Notenbank. Mit anderen Worten: Die Finanzierung schöpfte keine von den Bürgern real produzierten Werte ab, sondern trat zusätzlich als Nachfrage ohne Gegenleistung am Markt in Erscheinung. Und diese Lage führt früher oder später (nach dem 1. Weltkrieg hat das relativ lange gedauert) zu Preissteigerungen, weil ja mehr Geld auf die gleiche Gütermenge trifft.
Aus diesem Grunde war die EZB ein wenig 'schämig' und hat behauptet, dass ihr Programm zum Ankauf von Staatsanleihen aus geldpolitischen Gründen erfolge. Konkret wurde behauptet, dass es darum gehe, das Zinsniveau für Kredite in den Krisenländern abzusenken. Das hat zwar niemand ernst genommen (wenn es wirklich zuträfe, müsste das Programm ja auch aktuell fortgeführt werden, wo die Zinsen für Italienische und spanische Staatsanleihen bei 6 - 7 % liegen). Aber immerhin: die Europäische Zentralbank hat die Legende von der geldpolitischen Zielsetzung der Staatsanleihenkäufe in der Öffentlichkeit beharrlich verbreitet.
Äußerungen von Mario Draghi, der solche Käufe in naher Zukunft wieder aufnehmen will (sofern die Zinsen nicht sinken), hat jetzt allerdings Äußerungen gemacht, aus denen man eindeutig entnehmen kann, dass die EZB wissentlich und willentlich (wieder) in die (indirekte) Staatsfinanzierung einsteigen will, und dass die geplante Anleihekäufe eben NICHT geldpolitischen Zwecken dienen.
In dem Artikel "Schuldenkrise. Draghi brandmarkt Weidmann als Abweichler" der Financial Times Deutschland vom 02.08.2012 heißt es u. a.:
"Die von Angst gespeiste Situation mache Geldpolitik nahezu unmöglich, sagte Draghi. Die Aufschläge, die manche Staaten in der Euro-Zone aufgrund der Angst der Märkte zahlen müssten, seien nicht akzeptabel. Er zeigte sich kämpferisch: "Der
Euro kann nicht rückgängig gemacht werden."
Was, bitte, haben die hohen Zinsen, die manche Staaten an den Kapitalmärkten bezahlen müssen, mit der Geldpolitik zu tun? Hier hat Draghi verraten, dass es ihm in Wahrheit eben NICHT um Geldpolitik geht - sondern um Staatsfinanzierung mit EZB-Unterstützung!
Noch deutlicher wird das aber in dem folgenden Passus:
"Zudem sagte Draghi, die EZB werde klammen Euro-Staaten erst dann mit Anleihekäufen unter die Arme greifen, wenn die Euro-Rettungsschirme am Bondmarkt aktiv werden. "Dies ist eine notwendige Bedingung", sagte Draghi. Das bedeute aber nicht automatisch, dass die EZB auch tatsächlich eingreifen werde."
Danke, Mario Draghi! Damit hast du endgültig klargestellt, dass es um Staatsfinanzierung geht, und nicht um Geldpolitik! (Denn ihre Geldpolitik könnte und dürfte die EZB nicht von irgendwelchen Rettungsschirmen abhängig machen!)
Nach Meinung von Hans-Walter Forkel, Rechtsanwalt und Professor an der Fakultät Bauingenieurwesen der Technischen Universität Dresden, haben die Bürger ein individuelles Klagerecht, wenn die EZB ihrem Auftrag zur Erhaltung der Preisstabilität nicht nachkommt (vgl. seinen WELT-Artikel "Schuldenkrise. Verklagt die EZB! Rechtsstaat kann Europa retten" vom 01.08.12). Es wird freilich schwer werden nachzuweisen, dass eine sog. "Monetarisierung" von Staatschulden zur Inflation führt. Zunächst einmal würde die EZB bestreiten, dass sie überhaupt Staatsschulden "finanziert" - und rein formal tut sie das ja auch tatsächlich nicht. Sodann würde sie bestreiten, dass ihr Verhalten preistreibend wirkt, also "Inflation" auslöst - und das Gegenteil ließe sich wohl erst dann beweisen, wenn es zu spät ist.
Aber wenn es juristisch zulässig sein sollte, dass ein Bürger die EZB verklagt, weil sie wider Sinn und Zweck gegen ihres Statuts verstößt, sollten jedenfalls die vorliegenden Äußerungen für Mario Draghi zumindest für einen gerichtlichen Beweis dafür ausreichen, dass die EZB mit dem Kauf von Staatsanleihen keine geldpolitischen Zwecke verfolgt. Und damit agiert sie ja bereits außerhalb ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs!
Jenseits dieser Debatte ist, was die Erteilung einer Banklizenz für den ESM angeht (s. dazu auch meinen vorigen Blott), die folgende Information immerhin ein wenig beruhigend:
"Zur aktuellen Diskussion um die Ausstattung des Rettungsfonds ESM mit einer Banklizenz sagte er: Nur die Politik könne den Rettungsfonds mit einer Banklizenz auszustatten. In seiner derzeitigen Form sei es schlicht nicht möglich, dass der Fonds Geld von der Zentralbank bekomme."
Wenn wir Mario Draghi insoweit Glauben schenken dürfen, dann ist wenigstens das eine erfreuliche Lage!
 
ceterum censeoVerhindert die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu den von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Brüsseler Gipfel 28./29.06.2012 zugesagten Auflagenerleichterungen und insbesondere zur Entlassung der Nationalstaaten aus der Haftung für die Banken in ihren Ländern, wenn die erforderliche Änderung des ESM-Vertrages dort zur Abstimmung ansteht! WIR sind das Volk; bei UNS(eren Vertretern) liegt die Entscheidungskompetenz!
Textstand vom 02.08.2012. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm. Eine vorzügliche, laufend aktualisierte Übersicht über die Internet-Debatte zur Eurozonenkrise bietet der Blog von Robert M. Wuner. Für diese Mühe herzlichen Dank!Hinweis für Paperblog-Leser: Die Original-Artikel in meinem Blog werden teilweise aktualisiert bzw. geändert.

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