Der diskursive Reflexbogen oder PC = das Ende der Aufklärung
Als Reflexbogen (http://de.wikipedia.org/wiki/Reflexbogen_%28Physiologie%29) wird die kürzeste Verbindung zwischen Reiz aufnehmender und die Antwort steuernder Nervenzelle bezeichnet. Typischerweise werden hier – um Zeit zu sparen – die Nervenzellen der Großhirnrinde gar nicht einbezogen.
Als politische Korrektheit (PC; http://de.wikipedia.org/wiki/Political_correctness) hat sich – ausgehend von den USA – eine Haltung auch zu uns verbreitet, die bestimmte Begriffe tabuisiert und durch scheinbar „neutrale“ zu ersetzen sucht.
Dagegen ließe sich
erstens einwenden, dass dadurch die Ungerechtigkeiten nicht aus unserer Welt geschafft wurden, sondern nur deren Benennung,
zweitens, dass uns schon Freud vor der Ausbreitungstendenz von Tabus gewarnt hat (früher: „Krüppel“ , dann: „Behinderter“, heute: „Personen mit besonderen Bedürfnissen“; morgen: ??) und
drittens, dass dieser „Neusprech“ durchaus nicht neutral sein muss, sondern ebenso missbräuchlich verwendet werden kann (G. Orwell 1984).
Der Zusammenhang mit der „physiologischen Einleitung“ ist einfach:
Hat man sein „korrektes Vokabular“ drauf, dann kann man pfeilschnell Zensuren verteilen, ohne sich durch den Gebrauch seiner Großhirnrinde verunsichern zu lassen.
Eine „philosophische Kritik“ dieses Phänomens stammt von Rudolf Burger( „Wiener Zeitung“ vom 2. Juni 2007): „Es ist erstaunlich, in welchem Maße politische Korrektheit als gesellschaftliche Selbstzensur um sich greift. Man kann vieles an der heutigen kulturellen und diskursiven Entwicklung nur verstehen, wenn man nach Amerika schaut. Um Europa zu verstehen, muss man Amerikanist werden, hat Sloterdijk einmal sehr richtig gesagt. Die Political Correctness ist ein Produkt des amerikanischen Diskurses, im Zusammenhang mit der Bürgerrechtsbewegung, mit der Affirmative-Action-Bewegung und dem amerikanischen Feminismus entstanden, der über sprachlichen Puritanismus versucht hat, gravierende Klüfte in der amerikanischen Gesellschaft abzubauen. …. Wir erleben heute eine zunehmende Mikronormierung und Pädagogisierung des Alltags bis in die Sprache hinein. Das kann beängstigend sein.
…. Das Beunruhigende ist, dass etwas Entscheidendes der europäischen Aufklärung damit zurückgenommen wird. Das wissenschaftliche, moderne Denken zeichnet sich vor dem vormodernen, theologisch imprägnierten u.a. dadurch aus, dass es in sich selber nicht häresiefähig ist. Einer, der eine abweichende Position hat, wird nicht als moralisch verwerflich gesehen. In der Physik gibt es immer noch Spinner, die glauben, die Relativitätstheorie ist falsch. Aber entweder argumentiert man gegen sie, oder man lässt sie links liegen. Nie werden sie als Häretiker, als Ketzer, als moralisch verwerfliche Individuen angesehen. Diese Errungenschaft wird jetzt zurückgenommen. Abweichende sind jetzt moralisch schlechte Menschen. Das gilt in der Geschichtspolitik, aber auch selbst in den Naturwissenschaften, in der Klimaforschung, der Meteorologie.“
Im Schutz eines Tabus lebt es sich bequem, die Kritiker müssen schweigen (http://www.zeit.de/2010/16/Sprache-Tabu/seite-1).
Wer glaubt, dass er mit dem
„Binnen-I“ für die geschlechtsübergreifenden Zungenbrecher, dem
„N-Wort“ für die dunkle Schokolade mit Nüssen, dem
„M-Wort“ mit dem dunklen Gugelhupf mit Schlagobersgupf, und dem
„Z-Wort“ für den aus dem heutigen Indien stammenden Volksgruppen
schon alle Fallgruben erkannt hat, dem kann frau/man noch folgende Lektüre empfehlen:
http://de.uncyclopedia.org/wiki/Political_correctness
http://relevant.at/meinung/64625/kleines-woerterbuch-political-correctness.story
http://derstandard.at/3070872/Von-Negerkuessen-und-Mohrenkoepfen
http://www.textfeld.ac.at/text/1251
Derartig auf munitioniert, korrekt gegendert und korrekt bis zum geht nicht mehr, lade ich Sie dann auf eine Reise nach Kapstadt ein und beobachte Sie dann prustend, wie sie die dortigen Personengruppen korrekt ansprechen …