Da man als Weisser fast nur freundliche, herzliche Menschen in Kenia trifft, fragt man sich irgendwann natürlich, wo es denn lauert, das Böse, welches es auch in Afrika überall gibt.
Sicherlich liest man in der Zeitung Horrornachrichten, über vergewaltigte Frauen (der Nachbar), über Hexemverbrennungen (die Nachbarn) oder gelynchte Diebe (alle).
Aber man kann es sich nicht richtig vorstellen, surreal irgendwie, weil es für uns Mzungus so schwer in Einklang mit den gemachten (positiven) Erfahrungen zu bringen ist.
Nun, eines morgens, ich hatte soeben erfolgreich meine Swimmingpool Runden absolviert ohne zu ertrinken und als Massai und ich auf die Strasse treten wollten bekam ich unvermittelt einen Einblick in die Abgründe der afrikanischen Seele, und es sollte sich daraus eine Eigendynamik entwickeln die damit endet, dass ich ich diese Zeilen in Thailand schreibe.
Im Strassenstaub vor dem Tor, sass ein armer Tropf in abgerissener Kleidung, der von Leuten die ich kannte umringt war und von denen gequält, gedemütigt und geschlagen wurde. Die Leute, allesamt Angestellte der Apartmentanlage, die ich am Tag vorher noch zum Essen eingeladen hatte und jeden einzelnen als Freund betitelt hätte, hatten offensichtlich viel Spass daran diesen armen Tropf zu demütigen.
Über meine Anwesenheit war man offensichtlich nicht so erfreut, vor allem dann nicht, als ich (schwachen) Protest äussere. "Its a Thief", sagte man mir mit tiefster Befriedigung und der Wächter holte aus und liess sein Holzknüppel auf den armen Tropf niedersausen. Die Handwerker von der Baustelle auf der gegenüberliegenden Strassenseite waren dankbare Schaulustige, sie johlten und strahlten bei jedem Schlag. Ein Angestellter, der sich sonst im Bibellesen und Palmversen zitieren hervortat, flüsterte mir zu, dass nun der Dieb seine gerechte Strafe erhielte.
Zu diesem Zeitpunkt war ich noch unsicher wie zu reagieren hätte, ich war Gast in diesem Land, und wenn Diebe so bestraft werden: bitteschön, es hat mich nichts anzugehen. Allerdingss war ich auch zahlender Gast in diesem Hotel und ich hatte ein Mitspracherecht, gewissenermassen. Auch der (harmlose) Massai beobachtete die Szene interessiert und ging mal kurz schnuppern.Wahrscheinlich sagten sie dem armen Tropf, dass nun der Hund komme um ihn zu beissen, denn der arme Tropf fing nun vor Angst an hysterisch herumzuschreien und um sein Leben zu betteln.
In seiner Not bettelte er mich an, sein Leben zu verschonen und meinen Hund zurück zu rufen und nun reichte es mir, sagte den Jungs, dass wenn sie ihn nicht gehen liessen ich heute noch ausschecken würde. "No more money from me, no more tipps, no more frindschip, no more nothing". Dann liess man ihn ziehen, den armen Tropf, er hatte sich vor angst in die Hosen gepisst und ich hatte es geschafft in fünf Minuten aus fünf Freunden, fünf Feinde zu machen. Von nun an war alles anders.
Ich habe es dann später geschafft, mir einen Gesamtüberblick über das Geschehene zu verschaffen, nichts ist so in Afrika so wie es auf den ersten Blick scheint:
Es fing damit an, dass der Wächter, der als einziger nicht vom Hotel angestellt ist, sondern von einer externen Securityfirma angestellt und bezahlt wird sich einen (widerrechtlich) freien Tag gegönnt hat.
Den ersten seit 5 Jahren (!) übrigens, er hat nämlich für sein Gehalt von 5000 Schilling (40 euro) monatlich von morgens bis abends hinter dem Tor zu sitzen und zu wachen. Und das tagtäglich!
Als er nun für einen Tag nicht kam, wude ruckzuck die Securityfirma angerufen und er war zum Ende des Monats seinen Job los.
In den verbleibenden Tagen die ihm noch blieben, zeichnet er sich durch übertriebenen Aktivismus aus, er will unbedingt einen Dieb fangen damit er wieder im besseren Licht darsteht und vielleicht doch seinen Job in der Hotelanlage behalten kann.
Tja, dann kommt da ein armer Tropf die Strasse entlang und traut sich über die Mauer zu gucken.
Ausspähen wollte, er, der Dieb wird behauptet und schon ist der Freibrief an Freunde, Kollegen, Passanten, Schaulustige und Aggressive ausgestellt.
In der afrikanischen Gesellschaft dürfen Diebe ungestraft an Ort und Stelle von jedem der gerade Lust hat, verprügelt werden. Ein gutes Ventil um Frust und Hass schnell und ungestraft lozuwerden. Aber wie man sieht, kann es auch mal den falschen erwischen. Hat ihm übrigens nichts genutzt, dem Wächter, denn am Ende des Monats war er ausgetauscht.
Ich merkte den Stimmungswechsel am nächsten Tag, Leute die gestern noch "Friends" waren ignorieren mich. Schade, aber damit kann ich leben, solange sie mein Zimmer putzen und die Klorollen wechseln aber jetzt fängt die Geschichte erst recht an hässlich zu werden:
Am nächsten Morgen vermisse ich Massai. Er ist einfach weg. Auf Nachfrage erfahre ich, dass er in der Hotelanlage nicht mehr erwünscht sei. "Bitte schön? Er ist hier aufgewachsen, er lebt hier...". "yes, but he makes to many problems, the big boss don´t want him here anymore".
Es ist offensichtlich was hier abgeht und ich bin entsetzt. Rede mit der Rezeptionistin, bettle, drohe, versuche es mit Charme und Bestechung. "Nein, der Hund dürfe nicht meht aufs Grundstück".
Ich bin zwischenzeitlich davon überzeugt, dass sie ihn gekillt haben, die Schweine. Warum? Neid. Neid darauf, dass ich dem Hund zu fressen gegeben habe. Wut, darauf, dass sie den armen Tropf nicht totprügeln durften. Alles am armen Hund ausgelassen, der nichts weiter als mein Freund sein wollte.
Ich starte einen letzten Versuch: "If Massai is not allowed back I will not stay here anymore (am nächsten Tag, der 1. August, wäre mein Zahltag für den kommenden Monat). Ausserdem würde ich in meinem Blog darüber schreiben, ausserdem einen Brief an den Eigentümer der Anlage verfassen. Nichts zu machen, und ich bin überzeugt davon, dass Massai tot ist.
Ich checke aus, ich bin traurig und das gute Leben ist zu Ende, genauso wie sie es gewollt haben und ich weiss noch nicht wie es nun weitergeht.
But the story is not over yet.....