Skandal des Tierschutzes mitten in Deutschland
Das Ganze ist nicht nur ein Tierschutzskandal, es ist zugleich ein Skandal des Tierschutzes in Deutschland. Hunden wird systematisch das halbe Leben genommen - mitten in Deutschland - und der Tierschutz schweigt dazu. Es wirft ein Schlaglicht darauf wie in der Hundezucht bzw. Hundehandel das Wohl der Tiere mit Füßen getreten wird und wie es mit der Tierschutzrealität mitten in Deutschland aussieht: schweigende Amtstierärzte, schweigende Tierschutzvereine, schweigender VDH, schweigende Medien.
Im Vorfeld der Jahreshauptversammlung sah sich der DV nach Jahren öffentlicher Ignoranz endlich gezwungen, öffentlich das Thema DCM anzusprechen. Wiblishauser gab sein Statement in der Vereinszeitung "Unser Dobermann", auf der Website wurde ein 24-Seiten PDF mit den "Argumenten" des DV präsentiert.
Wissenschaftler entlarven Unwahrheiten des DV/VDH
Hierzu veröffentlichten am 10.6.2013 führende Tierkardiologen Deutschlands Priv.-Doz. Dr. Gerhard Wess von der Uni München und Dr. Jan-Gerd Kresken, Vorsitzender des Collegium Cardiologicum, einen Offenen Brief, der die Haltlosigkeit der DV-Argumentation fundiert nachweist.
Schauen wir uns die DV-Argumente näher an:
Der Dobermann-Verein (DV) behauptet,
seine Hunde seien gesund, insbesondere herzgesund. Der DV steigert sich sogar in die Behauptung, Herzuntersuchungen seien als eine Voraussetzung zur Zuchtzulassung unnötig.
Tatsache ist,
dass etwa die Hälfte der Dobermänner in Deutschland Träger dieser tödlichen Erbkrankheit sind. Die Prävalenz der Dobermann-Population liegt bei nicht weniger als 58%. Das sind die Ergebnisse umfangreicher, seriöser wissenschaftlicher Studien!
Der DV behauptet,
eine Untersuchung seiner Hunde in 2009 habe keine besorgniserregenden Zahlen ergeben.
Tatsache ist,
dass bei dieser Untersuchung lediglich junge Hunde vorgestellt wurden. Auf Basis von bis zu 18-monatigen Hunden kann aber keine Aussage getroffen werden. Darauf weist der wissenschaftliche Leiter der damaligen Studie, Tierarzt Dr. Kresken auch ausdrücklich hin. Die Behauptung des DV wird ausdrücklich als eine Falschinterpretation zurückgewiesen.
Der DV behauptet,
es mangele an Ursachenforschung.
Tatsache ist,
die führenden Spezialisten beim Thema DCM Dr. Wess und Dr. Kresken nennen diese Behauptung des DV schlicht: falsch. Denn Tatsache ist, dass bereits hinreichend Untersuchungen vorliegen, die die Ernsthaftigkeit dieser menschengemachten Seuche untermauern und eine sehr gute Grundlage zu deren Bekämpfung schaffen.
Der DV behauptet,
DCM beim Dobermann sei nicht erblich bedingt. Er führt sogar aus: "Die DCM beim Dobermann muss also nicht zu den angeborenen, sondern zu den erworbenen Herzerkrankungen gerechnet werden, da sie meist im höheren Lebensalter auftritt."
Tatsache ist,
Auch diese Behauptung ist nicht nur schlicht falsch, ja geradezu peinlich.
- Sie ist zum einen von den Fakten her falsch. Denn alle Wissenschaftler national wie international stufen DCM beim Dobermann gut begründet als erblich bedingt ein. Man hat sogar ganz bestimmte Stellen in einem konkreten Gen (Chromosom 5) als beteiligt nachweisen können.
- Die Behauptung des DV ist zudem bereits in sich fachlich disqualifizierend. Denn erblich bedingte Krankheiten können - entgegen der Unterstellung durch den DV - durchaus erst im höheren Alter manifest, das heißt als Krankheit sichtbar werden. Es gibt nicht wenige Erbkrankheiten, die regelmäßig erst im höheren Alter als solche auftreten. Bei Menschen ist Chorea Huntington eine solche tödliche Erbkrankheit, die regelmäßig erst nach dem 40. Lebensjahr manifest wird. Eine solche Unkenntnis genetischen Grundwissens stellt dem DV kein gutes züchterisches Zeugnis aus, sie ist vielmehr der fachliche Offenbarungseid des DV (VDH).
Der DV behauptet,
das Ausland würde Maßnahmen verhindern. DV/VDH-Vorstand Wiblishauser behauptet: "Eine Pflichtuntersuchung zur DCM (und weitere) kann nur auf internationaler Basis erfolgen".
Tatsache ist,
dass der DV oder/und VDH sehr wohl Pflichtuntersuchungen zur Voraussetzung für eine Zuchtzulassung in Deutschland machen können - und es bei anderen Hunderassen auch vorschreiben (z.B. Bulldog). Es wäre ein Leichtes, für die Zucht in Deutschland ausschließlich Hunde, gleich ob aus dem In- oder Ausland, zur Zucht zuzulassen, die nach bestimmten Maßgaben herzuntersucht sind. VDH und DV könnten eine solche Untersuchung (Herzultraschall) beim Dobermann darüber hinaus zur Voraussetzung für die Teilnahme an Ausstellungen und Veranstaltungen in Deutschland (dem mit England wichtigsten Ausstellungsland Europas) erklären. Der VDH verpflichtet sich und seine Mitgliedsvereine in der VDH Zucht-Ordnung zur Bekämpfung von Erbkrankheiten (z.B. §4: "Sämtliche Zuchtmaßnahmen müssen zum Ziel haben, ... erbliche Defekte durch geeignete Zuchtprogramme zu bekämpfen" - aber Papier ist geduldig... ). VDH-Vorstand Wiblishauser ist zudem Präsident des Internationalen Dobermann Clubs (IDC) und der DV hat das weltweite Patronat der FCI zu dieser Hunderasse. Bessere Voraussetzungen zur Bekämpfung einer Erbkrankheit gibt es nicht!
Die Fakten liegen klar auf dem Tisch.
Die Problematik ist seit 1949 bekannt, seit den 1960er Jahren zunehmend gesichert. Die Krankheit ist alles andere als eine Randerscheinung. Jeder zweite Hund ist betroffen. Die Krankheit ist nicht behandelbar, sie ist tödlich. Die Krankheit ist erblich bedingt, das ist gesicherte Erkenntnis.
Warum wird nicht schon seit langem konsequent gehandelt?
- Warum gibt es kein Zuchtprogramm zur Bekämpfung dieser Erbkrankheit?
- Warum sind Herzultraschalluntersuchungen keine Voraussetzung zur Zuchtzulassung?
- Warum dürfen Dobermann-Rüden bereits mit 18 Monaten ohne Limit in die Zucht?
- Warum gibt es keine Deckbeschränkung für Rüden?
- Warum gibt es nicht einmal ein Monitoring?
- Warum beschließt die JHV des Dobermann-Verein e.V. noch im Juni 2013, also in voller Kenntnis der Sachlage, weiterhin auf all solche Maßnahmen zu verzichten?
Frei nach Heinrich Heine: "Denk ich an Tierschutz-Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen."
Ein Beitrag von Christoph Jung