Lautstark tönen Gebetsverse über Lautsprechern durch die Straßen von Amritsar. Menschen mit Turbanen und buschigen Bärten wuseln aufgeregt umher. Konzentriert sucht sich jeder seinen Weg durch die Menge die ein und dasselbe Ziel zu haben scheint: Das Innere der Anlage des Goldenen Tempels, der heilgste Ort der Sikhs im reichen Bundesstaat Punjab in Indien.
Jeder Sikh strebt in seinem Leben mindestens einmal an hierher zu kommen. Im inneren der Tempelanlage liegt das goldene Märchen auf einer Insel umgeben vom heiligen Wasser, dem Amrit Sarovar (Nektarbecken). Dem Glauben der Sikhs zu Folge kann sich jeder der in diesem Wasser badet „rein waschen“ und sein Karma verbessern. Außerdem soll es heilende Kräfte besitzen. Es kursieren viele fantastische Erzählungen von menschlichen Schicksalen die in diesem Wasser Heilung gefunden haben.
Gebetsstellen aus dem heiligen Buch werden verlautbart; Sikhs jeglichen alters entkleiden sich und folgend dem Ritual des heiligen Bades; Opfer werden in Form von Speisen dargebracht, Gebete mantra-artig immer wieder wiederholt; Pilger meditieren;
Langsam bricht nun der Tag über den Tempel herein und das Licht reflektiert an der Oberfläche des heiligen Wassers. Wo gestern Nacht noch Kerzen den Tempel erhellt haben bringt jetzt das Tagelicht den fast schneeweißen Marmorboden zum Leuchten.
Die ersten Strahlen der Sonne fallen über die Mauern der Palastanlage und die Menschen erheben sich. Es ist Zeit für das Morgengebet. Wir stehen auch, Blick Richtung Sonne gerichtet die nun Teile des Goldenen Tempels streift und alles noch unechter und kitschiger wirken lässt. Auch wenn wir nicht verstehen was die Menschen beten, fühlen wir doch eine unheimliche Erhabenheit und Stolz. Wir sehen uns an und sind einfach unheimlich dankbar hier sein zu dürfen.
Nachdem das Morgengebet beendet wurde setzt wieder jeder Pilger sein Tun fort. Wir tapsen barfuß weiter in der Palastanlage umher und umrunden den Tempel. Menschen liegen quer verteilt in der Anlage herum und schlafen. Manche verlassen während ihres Besuches den Tempel gar nicht, obwohl es für jeden Pilger die Möglichkeit gibt in den offiziellen Unterkünften (Pilgerherbergen, auch Niwas genannt) für zumindest einige Tage ein Bett gratis zur Verfügung zu bekommen. Einige machen sich auf um für die Essensverteilung anzustehen. Im Glauben der Sikhs hat jeder Mensch Recht auf Nahrung, so wird täglich mehrmals zum Essen geladen. Man sitzt mit anderen Pilgern in Reihen und es wird Dahl (Linsengericht) mit Chapati gereicht. Jeder darf sich sattessen, auch Gäste ohne religiösem Sikh-Hintergrund.
Wir empfehlen für die Stadt 2-3 Tage einzuplanen, wobei davon sicherlich 2 Tage für den Tempel verwendet werden können. Es lohnt sich auch einen Ausflug zur pakistanisch-indischen Grenze, wo bei der jeweiligen Wachablöse der Spannung zwischen den beiden Ländern Ausdruck verliehen wird.