Der Dalai Lama ruft zum Appell!

Im März diesen Jahres schoss der Dalai Lama (DL) einen Friedensappell ab, der offenbar verpuffte. Ich bekam davon erst jetzt mit. Es zeigte sich mal wieder, dass wir teils auf einer Wellenlänge liegen (böse Zungen behaupten sogar, der DL schriebe neuerdings vom "Asso-Blog" ab), und dann auch wieder nicht. Wie ich hier selbst schon sagte, müssten Religionen überwunden werden und es ginge der Erde im Grunde ohne uns Menschen besser. Allerdings braucht der Dalai Lama für solche Einsichten offenbar vier Stunden Meditation pro Tag und ich nur noch vier Minuten. Wo das doch Binsenweisheiten sind. Und davon ist auch sein Appell voll: Achtsamkeit, Gewaltfreiheit, Mitgefühl. Große Schlagworte des Populärbuddhismus. Es scheint ihm zu entgehen, dass andere Kulturen und Religionen, mit denen er die Versöhnung sucht, nicht unbedingt in diesem Vokabular denken. Was mich auch befremdet ist, warum sich der Dalai Lama überhaupt zu solch einem Appell berufen sieht. Daran an schließt sich ein Interview mit dem professionellen Schwarzseher Franz Alt, der den DL u. a. mit "Heiligkeit" anredet (ich glaube, wer so etwas tut, kann sich nicht auf gute Erziehung berufen, sondern hat schlicht ein Rad ab). Die Publikation des Interviews wurde offenbar von Red Bull gesponsert, die ansonsten zuweilen tödliche Abenteuersportarten promoten. Ob die beiden Gesprächspartner vorher mit der mancherorst schon mal verbotenen Brause abgefüllt wurden, ist nicht bekannt. Schauen wir doch mal, was sie sagten.   Der DL meint, Frieden könne nur von Dauer sein, wenn man Menschenrechte achte, genug zu essen habe und der Einzelne und die Völker frei seien. Schon im nächsten Satz jedoch verweist er darauf, dass wir wahren Frieden zwischen uns nur durch inneren Frieden erreichen könnten. Was denn nun, möchte man da fragen (was seinem Interviewer nicht gelingt), wird der Friede nun durch äußere Bedingungen geschaffen oder durch innere? Der DL beantwortet es an anderer Stelle: Ohne den inneren Frieden könne der äußere nicht geschaffen werden.   Der DL meint auch, dass die sieben Milliarden Menschen auf der Welt "mental, emotional und physisch gleich" seien (???). Er hält Ethik für "die Wissenschaft vom Glück" (sie ist jedoch das Philosophieren über Moral). Er glaubt auch, dass die Wissenschaft uns lehre, wir hätten von Geburt an ein Recht auf Glück (wer nun noch daran zweifelt, dass er mit den US-Amerikanern gemeinsame Sache macht, dem ist nicht mehr zu helfen). Der DL behauptet sogar, dass alle 1.000 Artikel, die von Chinesen in jüngerer Zeit über Tibet geschrieben wurden, den tibetischen "Ansatz" unterstützten (das ist noch die alte Rhetorik des Politikers und Staatsführers). Franz Alt meint dann noch begeistert, der DL habe freiwillig seine Macht aufgegeben, als er vor vier Jahren von seinem Amt als Staatsoberhaupt zurücktrat (welche Macht, wo doch die Chinesen eingewandert sind und er im Exil lebt, und sich nichts an seinem Einfluss auf die Tibeter änderte, da er seinen Dalai Lama-Status nicht aufgegeben hat?).
   Die größte Heuchelei stellen nach wie vor die Ausführungen des DL zur Gewaltfreiheit dar. Nicht nur kennen wir Bilder, wo sich tibetische Mönche - verständlicherweise - immer wieder gewaltsam gegen die chinesischen Besatzer zur Wehr setzten. Wir wissen auch: Solange es irgendwo einen haltlosen Gewalttäter gibt, wird unser befriedeter Geist nicht ausreichen, um ihn gewaltlos von Schandtaten abzuhalten. Eine gegenteilige Einstellung wäre nicht nur naiv, sondern auch privilegiert, ein Luxus. Denn der Dalai Lama selbst reist oft in gepanzerten Fahrzeugen und mit Leibwächtern. Er tut also, wenn er sein Leben in Gefahr sieht, genau das, was die meisten anderen Menschen täten. Das Waffentragen überlässt er aber anderen. Das ist in etwa der gleiche Zynismus, mit dem Buddhisten traditionell das Metzger(- und Waffen)handwerk - auf Grundlage des Palikanon - schlecht reden, dann die Fleischspenden der Laien annehmen und verschlingen, um im nächsten Moment auf denen rumzuhacken, die unreine Berufe ausführten, von denen sie eben noch profitiert haben.
Den kostenlos in allen Weltsprachen downloadbaren Text gibt es auch in gebundener Ausgabe mit gerade mal 56 Seiten zu kaufen. Er schaffte es bis auf die Spiegel-Bestsellerliste. Ein Amazon-Rezensent fasst die Schrift treffend zusammen: Eine Sammlung von Kalendersprüchen.

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