Der Bulldozer räumt auf

Von Jacqueline Jane Bartels @by_JJ_Bartels

Bodrum Camel Beach

Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt

Auf einen Moment bitte

Mit Voll-Speed donnert das gelbe Monster an der Villa Kunterbunt vorbei. Vorbei ist es mit der Ruhe. Das Getöse dieser Maschine mit grosser Schaufel ausgestattet, verschlingt den Klang des sanften Wellenschlags der Ägäis, der gerade nach dem langen Winter mit seinen zahlreichen Orkanen, wie Musik in unseren Ohren in den letzten Tagen klang. Vorbei ist es auch mit dem bunten Vogelgezwitscher von Meise, Fink und Star. Vorbei ist das fröhliche Gequake der Frösche. Der Bulldozer räumt auf. Müll. Plastikmüll. Unseren Unrat.

Mehmet Akpinar, Restaurantbesitzer am Camel Beach in Bodrum Kargı beobachtet die Strand-Aufräumaktion. Englische und französische Touristen schauen aus der Ferne gebannt zu, wie der Fahrer der gelben Krake den Vorwärts- und Rückwärtsgang immer wieder einsetzt und gleichzeitig die Schaufel nach oben und unten bedient, um den Unrat am Strand aufzunehmen. Ja. Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt.

Seegras, Toilettendeckel, Pet-Flaschen, Plastiktüten, leere Bierflaschen, Kartons und Styropor, Wasserpistolen, Plastikeimer und Schaufeln, Unmengen von Plastiksandaletten und Badehosen, die gedankenlos und völlig desinteressiert am Strand, welche die Ägäis von Dezember bis März an den Strand spuckt  – all’ das wird jetzt aufwendig entsorgt.

Im Mai sieht alles wieder schön aus. Versprochen. Denn du reist an. Du freust dich auf einen sauberen Strand. Staunen. Juchzen. Und ich höre euch jetzt schon sagen: «O – wie schön ist es hier», um im selben Moment, auf dem Kamel reitend, am Strand Händchen haltend flanierend oder auf der Strandliege dösend, wird das voll geschniefte Tempotaschentuch, die leere Pet-Flasche,  die Bier- oder Coca Cola-Dose, der abgenagten Maiskolben und die Überreste eines Apfels in den Sand nonchalant entsorgt. Irgend jemand wird schliesslich dafür bezahlt, unseren Unrat zu beseitigen.

Junge Frauen die ihre schönen knackigen Körper in knappen Bikini präsentieren, die durch das seichte Meer laufen und dabei genussvoll an ihren Glimmstängeln saugen, um die aufgerauchten Kippen den Fischen zum Frass dar zu bieten. Am Abend mit Freunden den Sonnenuntergang erleben, während man auf dem Steg sitzt, der weit ins Meer geht, die Füsse baumeln gelassen im Wasser, um gemeinsam mit der Prosecco-Dose anzustossen: Ja. Das hat schon was. Die Sterne scheinen hier grösser und leuchten intensiver, denn das Meer reflektiert ihre Strahlen. Und was für ein Spass muss es sein, im Cliquen-Wahn die leeren Dosen wie einen Fussball ins Meer zu schleudern.

Und je weiter das Thermometer in den nächsten Wochen nach oben klettert, desto grösser werden Leidenschaften untereinander ausgetauscht. One-Night-Stands an den schönsten Buchten Bodrums werden schon bald wieder an der Nachtordnung sein. Junge und reifere Männer, die der Liebsten einen unvergesslichen Sonnenuntergang am Strand präsentieren. Das Begehren: Liebe am Strand. Die Feuchttücher dabei. Genauso wie die Kondome, die nach dem Liebesakt voll gespritzt aus dem Autofenster geschleudert werden. Die leere Flasche Wein, Bierdose oder Pet-Flasche fliegen hinter her. Einer wird es schon wieder weg räumen.

Aber sicher doch. Der Bulldozer ist im Einsatz. Jetzt. Für dich. Für euch. Für uns.

Verzeiht. Für einmal möchte ich euch auch die Kehrseite der Medaille zeigen. Egal wie sehr wir die Schönheit Bodrums und anderswo auf unserer schönen Welt lieben, schätzen und geniessen: Bitte. Lasst uns dieser Schönheit mit gebührenden Respekt begegnen. Worte sind Schall und Rauch. Fotos und Videos vielleicht nachhaltiger – genauso wie der Dreck, den wir auf unserer Erde tagtäglich fabrizieren und hinterlassen, dem so manche Kreatur zum Opfer fällt.