Der Bulldozer räumt auf

Bodrum Camel Beach

Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt

Auf einen Moment bitte

Mit Voll-Speed donnert das gelbe Monster an der Villa Kunterbunt vorbei. Vorbei ist es mit der Ruhe. Das Getöse dieser Maschine mit grosser Schaufel ausgestattet, verschlingt den Klang des sanften Wellenschlags der Ägäis, der gerade nach dem langen Winter mit seinen zahlreichen Orkanen, wie Musik in unseren Ohren in den letzten Tagen klang. Vorbei ist es auch mit dem bunten Vogelgezwitscher von Meise, Fink und Star. Vorbei ist das fröhliche Gequake der Frösche. Der Bulldozer räumt auf. Müll. Plastikmüll. Unseren Unrat.

Mehmet Akpinar, Restaurantbesitzer am Camel Beach in Bodrum Kargı beobachtet die Strand-Aufräumaktion. Englische und französische Touristen schauen aus der Ferne gebannt zu, wie der Fahrer der gelben Krake den Vorwärts- und Rückwärtsgang immer wieder einsetzt und gleichzeitig die Schaufel nach oben und unten bedient, um den Unrat am Strand aufzunehmen. Ja. Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt.

Seegras, Toilettendeckel, Pet-Flaschen, Plastiktüten, leere Bierflaschen, Kartons und Styropor, Wasserpistolen, Plastikeimer und Schaufeln, Unmengen von Plastiksandaletten und Badehosen, die gedankenlos und völlig desinteressiert am Strand, welche die Ägäis von Dezember bis März an den Strand spuckt  – all’ das wird jetzt aufwendig entsorgt.

Im Mai sieht alles wieder schön aus. Versprochen. Denn du reist an. Du freust dich auf einen sauberen Strand. Staunen. Juchzen. Und ich höre euch jetzt schon sagen: «O – wie schön ist es hier», um im selben Moment, auf dem Kamel reitend, am Strand Händchen haltend flanierend oder auf der Strandliege dösend, wird das voll geschniefte Tempotaschentuch, die leere Pet-Flasche,  die Bier- oder Coca Cola-Dose, der abgenagten Maiskolben und die Überreste eines Apfels in den Sand nonchalant entsorgt. Irgend jemand wird schliesslich dafür bezahlt, unseren Unrat zu beseitigen.

Die Vorsaison beginnt. Der Strand wird gereinigt. Nur wer mit offenen Augen dem Unrat begegne mag, wird wissen: Wir vergreifen uns an unserer Natur. Jedes Jahreszeit ist schön. Der Frühling fasziniert mit seinen bunten Wildblumen. Die perfekte Fauna für Kaulquappen. Das Gequake wird bald ein Ende haben. Der Bulldozer wird den Strand in seinen ursprünglichen Zustand versetzen. Jetzt wird wieder in die Hunde gespuckt. Der Müll, der Dreck – alles muss weg. Der Fahrer weiss sein gelbe Krake zu steuern. Jeder Handgriff sitzt. Der Fahrer steuert de Schaufel ins Erdreich und nimmt den Unrat auf. Der Fahrer setzt den Rückwärtsgang ein und setzt zurück. Der Weg ist das Ziel Jetzt schnell den Dreck ein wenig weiter im Hintergelände entsorgen und dann gleich wieder zurück an den Camel Beach. Es gibt viel zu entsorgen. Nur um gleich zurück zu kehren. Das ist – war Hansi. Der grosse Bruder von Katzenkind-Ginger. Sechs Monate habe ich ihn erfolgreich durch den Winter bekommen. Seit vier Wochen haben wir ihn vermisst. Heute habe ich seine Überreste am Strand vorfinden müssen. Qualvoll erstickt an einem Plastikverschluss. Die Schaufel des gelben Ungetüm will entleert werden, nur um die nächste Fuhre aufnehmen zu können. Die Touristen interessierten sich herzlich wenig für seine Transparente und Kunstwerke. Der Pet-Müll landete ungehemmt weiter im Sand und ins Meer. Eindrücklich zeigte diese Kunstaktion von Mai bis September 2014, wie viel Plastikmüll Touristen und Tagesgäste tagtäglich hier in einer kleinen Bucht in der Nähe des Camel Beachs hinterliessen. Mit den Plastikfalschen baute der Künstler ein Schiff nach. Grüne Wasseroasen bahnen sich ihren Weg durch den Sand am Camel Beach direkt ins Meer. Kaulquappen und Frösche nähren Möwen Elstern. Ja, so schön ist es hier. So schön, dass es traurig macht, wie unachtsam wir mit diesem Flecken Erde umgehen. Schneller Sex im Auto. Fruchttücher und Kondome dabei. Nach dem Sex fliegen sie aus den Fenstern. Im Akkord. Kondome, Plastiktüten und Plastikfolie sehen für Schildkröten wie Quallen aus, Fische verwechseln Plastikteilchen mit Plankton Klar, bei einer schnellen Nummer denkt keiner daran, was ein Kondom oder eine leere Petflasche, die gedankenlos entsorgt wird, für grausame Folgen unseres Öko-Kreislaufes haben kann. Copyright: WWF Heut zu Tage ein Muss: Feuchttücher. Für jede Gelegenheit haben wir sie dabei. Und so einfach und rücksichtslos werden sie entsorgt: ist ja nur Zellstoff. Löst sich auf und baut sich ab. Die Alu- bzw. Plastikpackung, die die Tücher schützt allerdings nicht.

Junge Frauen die ihre schönen knackigen Körper in knappen Bikini präsentieren, die durch das seichte Meer laufen und dabei genussvoll an ihren Glimmstängeln saugen, um die aufgerauchten Kippen den Fischen zum Frass dar zu bieten. Am Abend mit Freunden den Sonnenuntergang erleben, während man auf dem Steg sitzt, der weit ins Meer geht, die Füsse baumeln gelassen im Wasser, um gemeinsam mit der Prosecco-Dose anzustossen: Ja. Das hat schon was. Die Sterne scheinen hier grösser und leuchten intensiver, denn das Meer reflektiert ihre Strahlen. Und was für ein Spass muss es sein, im Cliquen-Wahn die leeren Dosen wie einen Fussball ins Meer zu schleudern.

Und je weiter das Thermometer in den nächsten Wochen nach oben klettert, desto grösser werden Leidenschaften untereinander ausgetauscht. One-Night-Stands an den schönsten Buchten Bodrums werden schon bald wieder an der Nachtordnung sein. Junge und reifere Männer, die der Liebsten einen unvergesslichen Sonnenuntergang am Strand präsentieren. Das Begehren: Liebe am Strand. Die Feuchttücher dabei. Genauso wie die Kondome, die nach dem Liebesakt voll gespritzt aus dem Autofenster geschleudert werden. Die leere Flasche Wein, Bierdose oder Pet-Flasche fliegen hinter her. Einer wird es schon wieder weg räumen.

Aber sicher doch. Der Bulldozer ist im Einsatz. Jetzt. Für dich. Für euch. Für uns.

Verzeiht. Für einmal möchte ich euch auch die Kehrseite der Medaille zeigen. Egal wie sehr wir die Schönheit Bodrums und anderswo auf unserer schönen Welt lieben, schätzen und geniessen: Bitte. Lasst uns dieser Schönheit mit gebührenden Respekt begegnen. Worte sind Schall und Rauch. Fotos und Videos vielleicht nachhaltiger – genauso wie der Dreck, den wir auf unserer Erde tagtäglich fabrizieren und hinterlassen, dem so manche Kreatur zum Opfer fällt.


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