Der Blick von Außen: Osmanische Gesandtschaften im Abendland

Der Blick von Außen: Osmanische Gesandtschaften im Abendland

Etliche christliche Adlige fanden es im
18. Jahrhundert schick, sich osmanisch-türkisch zu kleiden und sich portraitieren zu lassen - Portraits "à la turque" - Turkomanie


Ich möchte in diesem Blogposting, welches ich übrigens zeitgesteuert erst jetzt automatisch freigeschaltet habe (ihr erinnert euch, ich bin ja krank und gestern nur kurz am PC gewesen, heute nicht), mal einen interessanten Blick von Außen auf das Abendland vorstellen.

Wie sah der Kontakt der osmanischen Gesandtschaften mit dem Okzident aus?

Hierzu einige Zitate:

Suraya Faroqhi: Die Geschichte des Osmanischen Reiches:

Doch trifft es zu, daß im 18. Jahrhundert die Kontakte des
osmanischen Hofes, besonders nach Frankreich, intensiviert
wurden. Ein erster Anlauf geschah während der Regierungszeit
Sultan Ahmeds III. (1703-30), der einen Botschafter mit der
Aufgabe entsandte, ausführlich über das Leben am Hofe des
jungen Ludwigs XV. sowie die Merkwürdigkeiten von Paris zu
berichten. Der Bericht dieses Gesandten, mit NamenYirmisekiz
Mehmed Çelebi
, steckt voll aufmerksamer Beobachtungen.
Der osmanische Botschafter war offenbar wegen seines
Geschicks ausgewählt worden, mit Menschen umzugehen; so
nahm er seinen Sohn mit, der sich bald mit jungen französischen
Adligen anfreundete. Auch das war wohl eine Quelle
wertvoller Sozialkontakte.
In diesem letzten Jahrzehnt des 18. Jh. wurden ständige Gesandtschaften in London, Paris, Berlin und Wien eingerichtet.

aus: Der osmanische Staat 1300-1922: 1300 ... - Google Buchsuche

Eine herausragende Stellung hatte bei der Rezeption des Orients Frankreich, wo im 17. Jahrhundert Stoffe "de façon orientale" von Türken hergestellt wurden. Große türkische Gesandtschaften waren auch hier - 1715 und 1721 in Paris und 1742 in Versailles zu Gast. Der eigentliche Anlass für die Beliebtheit der Portraits "à la turque" war der türkische Gesandte Said Pascha, der sich von dem Gesellschaftsmaler Jacques André Joseph Aved (1702-1766) malen ließ.

Karlsruher Türkenbeute :: Turquerie, Turkomanie, "alla turca" - Die Türkenmoden Europas (Link gerade nicht erreichbar - falls dauerhafter Zustand, suche ich einen Ersatz in archive.org, also später bitte ggf. nochmals schauen)

Seit 1763 gab es in Berlin eine ständige osmanische Gesandtschaft.
siehe auch den lesenswerten Bericht des Botschafters:
Ahmed Resmi (Neudruck 1983), Des türkischen Gesandten Ahmed Resmi Efendi gesandtschaftliche Berichte von Berlin im Jahre 1763
(Berlin)

Osmanische Delegationen in Europa
Vor allem mit Frankreich, später auch mit Preußen, pflegten die Osmanen ein besonders freundschaftliches Verhältnis.
Ein großes Ereignis war das Eintreffen des türkischen Gesandten Çelebi Mehmet Efendi 1721 bei Ludwig XV. (reg. 1715-1774). Seine Eindrücke von Paris schrieb er in einem Buch "Das Paradies der Ungläubigen" nieder. 1763 begab sich mit Ahmet Asmi Efendi zum ersten Mal ein türkischer Botschafter nach Berlin. Die Ambassade wurde von den Berlinern als großes Spektakel empfunden und zahlreiche Schaulustige bevölkerten die Straßen, um den Legaten zu sehen, der u.a. eine Schule, eine Kirche und Handwerksmanufakturen besuchte. Zweck dieser Mission war es, Politik, Verwaltung, gesellschaftliche Verhältnisse und vor allem das Militär Preußens zu studieren. Zudem ging es darum, ein Bündnis gegen den gemeinsamen Feind Russland zu erwirken. Mittlerweile also hatte sich die Lage ins Gegenteil verkehrt: Die Osmanen suchten Unterstützung gegen ihre Feinde an den europäischen Höfen. Dass sich die politische Annäherung zeitweise schwierig gestaltete, bezeugt das Geschacher um die Tagegelder, die das Gastland der Delegation zu zahlen hatte. Dieses entschied Ahmet Efendi mit dem Ausspruch, wenn man ihm wenig gäbe, bliebe er lange, gäbe man ihm viel, so ginge er bald wieder. Dass die Beziehungen jedoch prinzipiell gut waren, belegt ein höflicher Briefwechsel zwischen Friedrich II. und dem Sultan Mustafa III. (reg. 1757-1774) bzw. dessen Großwesir. Dies war die Basis für die freundschaftlichen osmanisch-preußischen Kontakte der beiden folgenden Jahrhunderte.

aus:
Karlsruher Türkenbeute :: Osmanische Außenpolitik

Auch in Frankreich konnte eine echte Janitscharenkapelle bestaunt werden, die als Begleitung einer Gesandtschaft im 17. Jahrhundert am Hof verweilte.
Der Eindruck, den die Musik hinterließ, war so stark, daß Jean Baptiste LULLY, der den Stoff MOLIERES, "le bourgois gentilhomme", als Ballett bearbeitete, die Türkenszene mit Janitscharenmusik untermalte, und die Darsteller/innen in einem erfundenen Pseudo-Türkisch reden ließ. (Vgl. Ausstkat, 87:272)
Im folgenden, 18. Jahrhundert wurde das Sujet der Türkenoper immer beliebter, erlebte geradezu einen Boom.2 Als türkische Instrumente galten "Becken, Tamburen, Triangel, Schellen, Glöckchen, kleine und große Trommel, Pauken, Trompeten, Piccoloflöten Hackbrett und der
Schellenbaum". (Ausstkat, 87: 273)

aus: http://www.geschichtsforum.de/253296-post12.html --> 2 Das musikalisch geprägte Türkenbild


Hier die wechselseitigen Beziehungen zwischen dem Osmanischen Reich und Europa im Überblick:

Muslim Heritage


Subjects of the Sultan: Culture and ... - Google Buchsuche u.a. ab S. 240 ff. Beobachtungen osmanischer Gesandte in Berlin, z.b. von dem Theater. Das gleiche Standardwerk gibt es auch in deutsch, aber ich habe nun nicht nach der genauen Seite geschaut. Könnt ihr sicherlich anhand des Inhaltsverzeichnis schnell selber finden, sehr interessante Einblicke in die Gedankenwelt der Osmanen, was sie dachten, als sie bei diesen merkwürdigen Christen ins Theater gingen...
Nun noch einige Origianzitate aus jenen Zeiten. Den Anfang mache ich mit einer Beschreibung des habsburgischen Kaisers durch Evliya Çelebi (1611-1683) einen osmanischen Weltreisenden, bei seiner Begegnung in Wien, der auch als osmanischer Münchhausen gilt, sind doch seine Beschreibungen oft blumig oder durch Übertreibungen gekennzeichnet. Früher wurde in der Geschichtswissenschaft seine Texte aufgrund seiner Erzählungen, bei denen er offenkundig eher seine Leserschaft unterhalten wollte, denn auf Wahrheit erpicht war, eher weniger wertvoll angesehen, wenn es darum galt, historische oder andere Fakten aus jener Zeit beschrieben zu bekommen. Inzwischen wandelte sich diese Einstellung, und man kann mittlerweile besser zwischen Wahrheit und Dichtung bei ihm unterscheiden, und dadurch diesen Weltenbummler doch als eine wertvolle Quelle nutzen. Besonders interessant sind seine Beschreibungen, weil er einer der ersten ist, der nicht voller Verachtung von den "Barbaren" im Norden spricht, nicht von der Warte aus, selber militärisch und kulturell hoch überlegen zu sein. Natürlich relativ gesehen zu den zeitgenössischen Beschreibungen, die es sonst so gab.

Man möchte aber fast bezweifeln, daß mit ihm der Herrgott wirklich einen Menschen hat erschaffen wollen:
Er ist ein junger Mann von Mittelgröße, ohne Kinnbart, mit schmalen Hüften, nicht gerade fett und beleibt, aber auch nicht eben hager.
Nach Allahs Ratschluß hat er einen flachen Kopf, oben zugespitzt wie die Mütze eines Mevlevi-Derwisches oder wie ein Birnenkürbis, mit einer Stirne, flach wie ein Brett, und dichten, schwarzen Augenbrauen, die aber weit auseinanderstehen und unter denen seine von schwarzen Wimpern umrandeten, kreisrunden und hellbraunen Augen wie die Lichter eines Uhus funkeln.
Sein Gesicht ist lang und spitz wie das des Meisters Reineke, mit Ohren, groß wie Kinderpantoffel, und einer roten Nase, die wie eine unreife Weinbeere leuchtet und groß ist wie die Hälfte eines zerbrochenen Münzenbrettes oder wie eine
Aubergine aus Morea. Aus den weiten Nasenlöchern, in die er je drei Finger auf einmal hineinstecken könnte, hängen ihm Haare, lang wie die vom Schnurrbart eines dreißigjährigen Haudegens, heraus und vermischen sich im dichten Wirrwarr mit dem Bart auf seiner Oberlippe und mit seinem schwarzen Backenbart, der ihm bis zu den Ohren hinanreicht. Seine Lippen sind wulstig wie die eines Kamels, und in seinen Mund würde ein ganzer Laib Brot auf einmal passen. Auch seine Zähne sind groß und weiß wie die eines Kamels. Immer wenn er spricht, spritzt und trieft ihm der Speichel aus seinem Mund und von seinen Kamellippen, als ob er erbrechen würde. Da wischen ihm dann die strahlend schönen Pagen, die ihm zur Seite stehen, mit riesigen roten Mundtüchern ständig den Geifer ab. Er selber kämmt seine Locken und Kringeln dauernd mit einem Kamm. Seine Finger sehen aus wie die Langa-Gurken.
Nach dem Willen Allahs des Allerhabenen sind übrigens sämtliche Kaiser aus diesem Geschlecht von so garstigem Äußeren. Und in all ihren Kirchen und Häusern sowie auf den Talerstücken wird der Kaiser mit solch häßlichem Gesicht abgebildet; ja, wenn ihn einer mit hübschem Antlitz malt, dann läßt er diesen Mann hinrichten, weil er, wie er meint, ihn entstellt hat! Denn daß sie so häßlich sind, dessen rühmen und brüsten sich diese Kaiser.

Dieses, und die folgenden Zitate aus:
Bernard Lewis: Die Welt der Ungläubigen. Wie der Islam Europa entdeckte. Frankfurt/M. 1987.

Hier wird der Schreibstil deutlich, dass er oft mit Schalk im Nacken etwas beschreibt. Er will auch eher unterhalten, denn belehren, so dass seine Berichte nicht immer streng die Wahrheit enthalten, sondern auch eine große Portion Phantasie - deshalb der Vergleich mit Münchhausen.
Solche Reiseberichte nennt man Sefaretname (Botschaftsbuch, oder Botschaftsbrief) und sie bilden nun eine eigene Gattung in der osmanischen Literatur.

Um den obigen Ausführungen die Geisteshaltung der Osmanen auf dem Zenit ihrer Macht zu verdeutlichen, ein Beispiel aus den Anfängen der Diplomatie:

S. 40 f.:

Sülyeman hatte eine Art Vereinbarung mit Franz I. von Frankreich gegen das Haus Habsburg getroffen, welches die Franzosen - ebenso wie ihre europäischen Gegner - als Bündnis betrachteten.
Die Türken sahen die Situation anders. ein türkischer Autor des 16. Jh. schreibt:
'Der Bei von Frankreich [ein Titel, der den Monarchen auf das Niveau eines osmanischen Provinzgouverneurs degradierte] hatte stets seine Verbundenheit [das türkische Wort ist intisab, das normalerweise im Zusammenhang von Vasall-Schutzherr-Beziehungen verwendet wird] mit der Schwelle des Nestes der Glückseligkeit erklärt und seine Treue zur Hohen Pforte, welche der Sitz der Macht ist, kundgetan... da er sich bedrängt sah, befragte er seine Wesire und Ratgeber, die alle darin übereinstimmten, daß es der klügste und beste Weg sei, Schutz und Kontakt beim weltumspannenden Thron des Sultans zu suchen.'
Der Bei von Frankreich habe daher einen Gesandten nach Istanbul geschickt, um Hilfe zu erbitten und diese Botschaft zu überbringen:
'Ein unbarmherziger Feind hat uns mit Hilfe und Unterstützung des sündhaften Königs der unglückseligen Ungarn besiegt und überwältigt. Wenn der Sultan der Welt sich großzügig herablassen könnte, diesen verfluchten Helfer unserer Feinde zurückzutreiben, dann wären wir fähig, ihm zu begegnen und gegen ihn zu kämpfen und hätten die Macht, seine bösen Pläne zu durchkreuzen. Als dankbare Sklaven des Herrn der Majestät würden wir gern den Nacken beugen und den Kopf vor dem Joch seines Gehorsams senken.26'
Der ruhmreiche und großherzige Sultan, von Mitleid für das Mißgeschick des unglücklichen Franzosen gerührt, schreibt der Historiker, habe beschlossen, ihm zu helfen, und so seien die osmanischen Heere ausgezogen, um die verfluchten und unnützen Ungarn zu züchtigen.
Im Jahre 1552 gab es sogar gemeinsame französische und türkische Operationen gegen spanische Häfen, die in manchen, aber nicht allen osmanischen Geschichtsdarstellungen am Rande erwähnt werden.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kam es zu einer Korrespondenz mit Königin Elisabeth I. von England über eine Vielzahl von Themen, einschließlich gelegentlicher Hinweise auf eine mögliche geeinte Front gegenüber Spanien, dem gemeinsamen Feind. ... Im Anschluß an die zweite Niederlage von Wien bildete sich jedoch eine neue Diplomatie heraus, die über lange Zeit hinweg als Modell diente. Im Laufe des 18. Jahrhunderts werden sich die Osmanen langsam der Tatsache bewußt, daß sie nicht mehr das Reich des Islam im Kampf mit der Christenheit vertreten, sondern zu einem Staat unter mehreren anderen gehören, unter denen sowohl Verbündete wie Feinde sein können.

Aus einem Gesandtschaftsbericht erfahren wir folgendes:
S. 113:

Mehmed Said Çelebi war seit langem der erste osmanische Botschafter in Paris [1720], und ihm wurden, wo er sich auch zeigte, Neugier und großes Interesse zuteil. Während er auf den Kanälen nach Paris reiste, sammelten sich Menschenmengen an den Ufern, um ihn zu betrachten. Einige der Neugierigen fielen ins Wasser, manche wurden sogar von den Wächtern angeschossen. In Bordeaux wurde er Zeuge eines wahrhaft bemerkenswerten Schauspiels, wie er es noch nie gesehen hatte:
'An diesem Ort konnten wir Ebbe und Flut sehen, wovon wir gehört hatten. Sie steigt und fällt im Ozean zweimal in 24 Stunden .. . Ich persönlich beobachtete mit eigenen Augen, wie das Wasser des Flusses um mehr als eine Elle stieg und fiel. . . niemand, der dies nicht mit eigenen Augen gesehen hat, könnte es glauben.37'
In Paris wurde er standesgemäß von König und Hof empfangen, und wiederum belästigte ihn die Neugier sowohl des gemeinen Volkes wie des Adels:
'Sie standen zitternd bis 3 oder 4 Uhr nachts in Kälte und Regen und wollten sich nicht entfernen. Wir waren erstaunt über ihre Neugier.38'
Zur gegebenen Zeit präsentierte der Botschafter dem französischen Regenten seine Beglaubigung:
'Ich erklärte ihm, daß wir in der Freude, einer so erhabenen Persönlichkeit wie ihm zu begegnen, alle Sorgen unserer Reise vergessen hätten, aber dies sagte ich aus Höflichkeit. Tatsächlich, wenn ich von all den Qualen zu erzählen hätte, die wir zwischen Toulon und Paris erleiden mußten, würde der Himmel nicht genug Platz bieten. . .'


Evliya Çelebi über die Ungarn:

S. 156:

Ein halbes Jahrhundert später versuchte Evliya Çelebi einen Vergleich zwischen den Ungarn und den Österreichern, der sich auf direkte Beobachtung stützt. Evliya schreibt, daß die Ungarn durch die osmanischen Eroberungen des vorhergegangenen Jahrhunderts geschwächt worden seien; diejenigen, welche die Türken nicht unterworfen hätten, seien unter österreichische Herrschaft geraten. Trotzdem waren sie seiner Ansicht nach den Österreichern, die er für sehr unkriegerisch hielt, weit überlegen. ... Die Ungarn seien ein edleres Volk.
'Die Ungarn hingegen sind zwar in ihrer Staatsmacht geschwächt, aber sie halten gute Küche, üben Gastfreundschaft und sind fleißige Bauern in einem fruchtbaren Land. Wie die Tataren streifen sie mit je zwei Pferden in die umliegenden Gebiete, haben jeder fünf bis zehn Flinten und am Gürtel ihre Säbel. Sie sehen ganz so aus wie unsere Grenzkämpfer, tragen die gleichen Kleider wie diese und reiten wie sie auf edlen Pferden, gehen sauber einher und essen sauber und wissen ihren Gast zu ehren. Ihre Gefangenen quälen sie nicht, wie das die Nemçe [Deutsche] tun, und die Klinge verstehen sie zu führen wie wir Osmanen. Kurz und gut - beide sind sie Giauren [Ungläubige] ohne den wahren Glauben, aber die Ungarn ' sind wohlgeartete, saubere Ungläubige, die sich allmorgendlich das Gesicht nicht mit ihrem Harn waschen, wie die Nemce [Deutsche], sondern mit Wasser, wie wir Osmanen.39'

Die Erfahrungen des Botschafters Mehmed Said Efendi 1720 in Paris:
S. 251:

In Paris leitete das Erscheinen des türkischen Botschafters und seines Gefolges einen Stil der turquerie ein, der von Damenmoden bis zur Architektur und Musik reichte und in anderen europäischen Hauptstädten, die besucht wurden, Parallelen hatte. ... Mehmed Said Efendi geht in seinem Botschaftsbericht recht ausführlich auf die Gärten von Versailles und anderswo ein, die er sehr bewunderte. Der Einfluß des förmlichen französischen Gartens mit Marmorbrunnen, die von symmetrisch angeordneten Pfaden und Blumenbeeten umgeben sind, ist eindeutig. Einige Möbelstücke westlichen Stils, die vorher unbekannt waren, wurden in den Palast gebracht - in erster Linie wohl für westliche Besucher.
Mehmed Said Efendi äußert sich aufschlußreich über die Reaktion, welche die Künste auslösten:
'Es ist Brauch bei diesem Volk, daß der König Botschaftern sein eigenes Porträt, verziert mit Diamanten, gibt, aber da Bilder bei den Moslems verboten sind, erhielt ich statt dessen einen mit Diamanten besetzten Gürtel, zwei in Paris gefertigte Teppiche, einen großen Spiegel, ein Gewehr und Pistolen, eine Schatulle mit Klammern aus vergoldetem Messing, eine Tischuhr aus vergoldetem Messing, für Eis zwei dicke Porzellanvasen mit Griffen aus vergoldetem Messing und eine Zuckerschale.6'

Mehmed Said Efendi mißbilligte also Porträts - oder jedenfalls möchte er diesen Eindruck erwecken. Sein mangelndes Interesse an der Malerei wird durch die sehr kurze Darstellung der Bilder bestätigt, die man ihm im Palast zeigte:
'Dann begannen wir, uns die wundersamen Bilder anzusehen, die im Sitzungssaal hingen. Wir gingen mit dem König herum, der selbst erklärte, wer sie waren.7'

Dagegen schwingt er sich zu rhetorischen Höhen auf, wenn es umWandteppiche geht:
'Es gibt eine besondere Fabrik zur Herstellung von Wandteppichen, die dem König gehört... Sie wußten, daß ein Botschafter kommen würde, und hatten alle Teppiche, die fertig waren, an die Wände gehängt. Da die Fabrik sehr groß ist, müssen mehr als hundert Stücke an den Wänden gehangen haben. Als wir sie sahen, steckten wir den Finger der Bewunderung in den Mund. Zum Beispiel sind die Blumen so geknüpft, daß sie einer Vase mit echten Blumen gleichen. Das Äußere der abgebildeten Personen, ihre Augenlider, ihre Augenbrauen und besonders die Bärte und das Haar auf ihren Köpfen sind so trefflich dargestellt, daß weder Mani noch Behzad auf dem feinsten chinesischen Papier eine solche Kunst erreichen könnten. Einer erscheint lachend, um seine Freude zu zeigen, ein anderer traurig, um seine Trauer zu zeigen. Einer ist zitternd vor Furcht abgebildet, ein anderer weinend, noch ein anderer von irgendeiner Krankheit befallen. So ist der Zustand jeder Person auf den ersten Blick zu erkennen. Die Schönheit dieser Arbeiten geht über jede Beschreibung und jede Vorstellungskraft hinaus.8'
Die schmutzigen Sitten der Abendländer erregten weiterhin den Ekel der Moslems. Noch am Ende des 18. Jahrhunderts verzeichnet der indisch-moslemische Besucher Abu Talib Khan in Dublin, daß es nur zwei Bäder gebe, beide klein und schlecht ausgestattet. Gezwungenermaßen habe er das eine besucht, aber es habe ihm kein Vergnügen bereitet. Im Sommer wüschen die Bewohner von Dublin sich im Meer, im Winter überhaupt nicht. Die beiden Bäder seien für die Kranken gedacht und würden nur von denen benutzt, die tatsächlich sehr krank seien. Als Abu Talib das Bad besucht habe, sei kein Barbier oder irgendein Aufseher zu finden gewesen. Anstelle eines Masseurs habe man ihm eine Roßhaarbürste angeboten, wie sie zum Säubern von Schuhen oder Stiefeln benutzt wurde. "Jeder entfernt seinen eigenen Schmutz mit eigenen Händen. "4
Europäische Kleidung wird gelegentlich von moslemischen Besuchern erwähnt. Evliya schreibt über die hohen Damen und die anderen Frauen von Wien:


Siehe hier S. 2-3:
Tuerkenkriege Europas PDF auf Tuerkenbeute.de

Halet Efendi, der von 1803 bis 1806 in Paris weilte ..., schildert einen anderen Aspekt der sexuellen Sitten Europas. Er beginnt damit, daß er empört einen Vorwurf zitiert, der den Moslems von ihren Verleumdern gemacht werde:
'Sie sagen: Wisset, daß die Moslems, wie viele Armenier und Griechen es auf der Welt auch geben mag, in der Regel homosexuell sind. Dies ist ein Skandal. In Frangistan kann so etwas, Gott behüte, nicht geschehen. Und wenn es doch geschieht, wird es streng bestraft und ist ein großes Ärgernis und so weiter. Wenn man ihnen zuhört, könnte man also glauben, daß wir alle zu jener Sorte gehörten, als hätten wir kein anderes Interesse. In Paris ist eine Art Marktplatz namens Palais Royal, wo es Laden für verschiedene Waren an allen vier Seiten und über ihnen Zimmer mit 1500 Frauen und 1500 Jungen gibt, die sich ausschließlich der widernatürlichen Unzucht widmen. Es ist schändlich, diesen Ort bei Nacht aufzusuchen, aber da es nicht schadet, bei Tage dorthin zu gehen, machte ich mich auf, um dieses besondere Schauspiel zu betrachten. Sobald man eintritt, sieht man an allen vier Seiten Männer- und Frauenhände, die an jeden Ankömmling gedruckte Karten verteilen; darauf steht: "Ich habe soundso viele Frauen, mein Zimmer ist dort und dort, es kostet soundso viel" oder "Ich habe soundso viele Jungen, sie sind soundso alt, der offizielle Preis ist soundso viel" - alles auf speziell gedruckten Karten. Und wenn ein Junge oder eine Frau unter ihnen sich Syphilis zuzieht, gibt es von der Regierung beauftragte Ärzte, die sie versorgen. Die Frauen und Jungen umgeben einen von allen Seiten, stolzieren herum und fragen: "Wer von uns gefällt dir?" Schlimmer noch, die Großen des Landes fragen stolz: "Habt Ihr unseren Palais Royal besucht? Und haben Euch die Frauen und die Jungen gefallen?" Gott sei Dank, daß es in den Ländern des Islam nicht so viele Jungen und Lustknaben gibt.21'

Einige Ausführungen zu Wien und Berlin von Ahmed Resmi Efendi, dem ersten Botschafter in Berlin, lassen sich hier einsehen:
An Ottoman Statesman in War and ... - Google Book Search

B. Lewis versucht zu beschreiben, warum wohl die muslimischen Gesandten im Abendland so begafft wurden:

S. 289

In den moslemischen - besonders den arabischen Ländern boten die Städte eine unendliche Mannigfaltigkeit von Typen, die durch zurückkehrende Reisende, Besucher, Sklaven und Händler aus den fernen Ländern Asiens, Afrikas und sogar Europas bereichert wurde. Die Erscheinung von Männern mit fremdartigen Trachten und ungewohnten Gesichtszügen erregte keine Neugier in den großen Metropolen des Mittleren Ostens, wo so etwas alltäglich war. Es gab keine Parallele zu der außerordentlichen Neugier, welche die Bewohner der ethnisch homogenen Hauptstädte Europas beim Anblick von marokkanischen, osmanischen, persischen und anderen exotischen Besuchen in ihrer Mitte zur Schau stellten.
Viele moslemische Besucher Europas bemerkten diese heftige, oft unhöfliche Neugier. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts staunte der osmanische Botschafter Mehmed Said über das seltsame Benehmen von Europäern, die große Entfernungen zurücklegten, stundenlang warteten und erhebliche Mühen auf sich nahmen, nur um ihre Neugier durch den Anblick eines Türken zu befriedigen. Das als "Neugier" übersetzte Wort ist hirs, dessen Bedeutung sich genauer als "Eifer", "Gier" oder "Begehrlichkeit" wiedergeben ließe.4 Azmi Efendi der auf seinem Weg nachBerlin im Jahre 1790 in Köpenick haltmachte, bemerkt: "Da unser erhabenes Sultanat seit dreißig Jahren keinen Botschafter nach Berlin geschickt hatte, waren die Menschen von Berlin nicht fähig, ihre Ungeduld bis zu unserer Ankunft in der Stadt zu zügeln. Ungeachtet des Winters und des Schnees kamen Männer wie Frauen in Kutschen, zu Pferde und zu Fuß, um uns anzusehen und zu betrachten, und dann kehrten sie nach Berlin zurück. "5 Azmi schreibt, daß die ganze Strecke von Köpenick nach Berlin zu beiden Seiten von Zuschauermengen gesäumt gewesen sei. Die Massen in der Hauptstadt hätten sie noch übertroffen. Vasif beschreibt ähnliche Szenen bei seinem Eintreffen in Madrid.6 Die meisten der anderen Besucher waren beeindruckt und überaus geschmeichelt durch das Interesse, das die Menschen veranlaßte, sich soviel Mühe zu machen und sogar erhebliche Summen zu bezahlen, nur um die Ankömmlinge anzustarren. Diese Art der Neugier war offenbar ganz ungewohnt und schwer zu vermitteln.


(Bilquelle: Wikimedia Commons)


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