Ruhet in Frieden: Zum Jahresabschluss gibt's im Biografien-Blog lauter Nachrufe
R.I.P. - Das haben wir oft lesen müssen in diesem Jahr. Wer ist nicht alles gestorben in den vergangenen zwölf Monaten: Nie wieder auf der Bühne stehen werden Udo Jürgens, Joe Cocker und Robin Williams. Auch die Intellekuellen tragen Trauer: Die Schriftsteller Gabriel Garciá Márquez und Siegfried Lenz und die Journalisten Frank Schirrmacher und Ralph Giordano hinterlassen klaffende Lücken im Geistesleben. Über sie alle sind unzählige Nachrufe geschrieben und gesendet worden - das Eulengezwitscher kann das in angemessener Qualität nicht leisten. Ganz ohne Nachrufe soll der Biografien-Blog aber auch nicht bleiben - deshalb gibt's heute einen Sammelband von 101 Nachrufen aus dem 20. Jahrhundert: ein Jahrhundertrückblick...
Georg Thiel
Alle tot
Das 20. Jahrhundert in 101 Nachrufen
Erschienen im Verlag Anton Pustet im Oktober 2014. 256 Seiten kosten in der Taschenbuchausgabe 25 €.
Zugegeben - ein bißchen spät kommen diese Nachrufe schon. Der letzte Todesfall, an den die Autoren Georg Thiel und Florian Baranyi erinnern, liegt immerhin 15 Jahre zurück: Lolo Ferrari, französische Tänzerin und Busenwunder, ist im Jahr 2000 verschieden. Genau 100 Jahre zuvor hat es den Schriftsteller Oscar Wilde erwischt. Nun ist es mit Nachrufen in die Ewigkeit aber wohl so, das es da auf einen Tag oder eben ein Jahrhundert nicht so genau ankommt. Und wenn man sich auf diese jenseitige Sicht der Dinge einlässt, dann ist der Sammelband mit dem treffenden Titel "Alle tot" eine spannende Rundreise durch das 20. Jahrhundert. Für jedes Jahr haben dioe Autoren einen geschichtsträchtigen, geheimnisumwitterten oder besonders dramatischen Todesfall ausgewählt und einen Nachruf auf die oder den Verblichene(n) geschrieben. Mordopfer wie der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand (1914) sins ebenso bedacht wie der Schriftsteller Aldous Huxley (1963) und die Rocklegende Jim Morrison (1977). Die Auswahl ist natürlich sehr subjektiv - kaum verwunderlich, wenn man sich allein die prominenten Todesfälle dieses Jahres vor Augen führt.
Die einzelnen Kurztexte (3-5 SEiten) sind flott und peppig geschrieben, ohne dabei pietätlos oder lächerlich zu wirken. Allerdings tragen die wenigsten Porträts wirklich den gewohnten Nachrufcharakter, der sich durch die Auseinandersetzung mit der Nachwirkung und dem Einfluss der Protagonisten für die Gegenwart befassen - eher sind es Biogramme, also akzentierte Porträts, die schnell und in großen Linien (dabei jedoch sehr gut recherchiert) die Lebensgeschichten nachzeichnen. Das ist abgesehen von der möglicherweise missverständlichen Titelgebung aber nicht weiter tragisch - wahrscheinlich sogar sinnvoll, da viele Protagonisten tatsächlich schon länger aus dem Blickfeld geraten. So ist "Alle tot" ein Nekrolog des 20. Jahrhundert, der kurz und unterhaltsam biografisches Wissen über Menschen aus dem 20. Jahrhundert vermittelt. Man könnte nun bemängeln, dass die Frauen zu kurz kommen - aber das hat Autor Georg Thiel auf der Frankfurter Buchmesse zurückgewiesen: Zum einen, weil er - völlig zurecht! - wenig von einer festen Quote hält. Den beiden Autoren ist es wichtiger, durch die Auswahl ein rundes und stimmiges Gesamtbild von Persönlichkeiten zu zeichnen, die das 20. Jahrhundert geprägt haben. Zum anderen warten zwischen den Buckdeckeln von "Alle tot" sehr wohl spannende Frauenportraits - darunter Ingeborg Bachmann (1973), Zarah Leander (1981) und Romy Schneider (1982) - die mit zunehmender Dauer des 20. Jahrhunderts auch immer zahlreicher werden.