„Vorwärts immer, rückwärts nimmer.“ diese Redewendung eines Herrn mit Hornbrille und Synthetikanzug brachte schon einen ganzen Staat zu Fall. Jetzt, wo der Winter uns fest im Griff hat und alles unter Eis und Schnee liegt, besinnt sich aber auch Föhnsturm auf die gute, alte – und vor allem wärmere – Zeit Ende August 2015.
„Felsbleiche Traumburg über wäldergrünem Sockel“ – Der Wendelstein.Bayrischzell. Bergsportgemeinde, Schneegarant und Base Camp zum Sudelfeld. Im Laufe des Jahres treffen sich hier Bergsteiger, Bergradler, Bergmotorradler und Skifahrer. Bisher führte mich mein Weg zwecks namhafter Gipfel wie Wendelstein, Breitenstein oder Traithen in dieses zwischen steilen Hängen verlaufende Tal. Heute aber wollen wir etwas gänzlich Neues wagen. Als mir der Furtwängler Jens den Vorschlag zum Bayrischzeller Höhenweg unterbreitete, war die Tour nach kurzer Recherche in einschlägigen Tourenbüchern gleich beschlossene Sache. Ein Rundweg, der uns zur Wanderung durch die so typische bayerische Voralpenlandschaft einlädt, ist zumindest für mich Neuland. War für uns zwei Gipfelstürmer doch immer mindestens eine Bergspitze für die Sammlung dabei, ist es in diesem Fall einfaches Wandern, ganz nach der philosophischen Redensart: Der Weg ist das Ziel.
Bereits die Anfahrt in das so idyllisch gelegene Bayrischzell dauert etwas länger, da die Straße von Bad Feilnbach über den Hundhamer Berg noch immer erneuert wird. Und so gibt’s erst einmal eine Rundfahrt über die Dörfer bis sich das Tal an seiner Westseite bei der Gemeinde Leitzach natürlicherweise öffnet.
Der am Minigolfplatz gelegene Parkplatz ist hinter einer Straßenbaustelle versteckt und so müssen wir erst einmal umdrehen aber als wir von der anderen Seite kommen ist er sogleich zu sehen.
Zu dritt machen wir uns auf den Weg, welcher gleich zu Beginn in steilen Serpentinen durch dichten Laubwald führt. Wir wandern auf wurzeligem schmalen Pfad und brennend protestieren meine Beine gegen diese anfängliche Belastung. Der Schweiß fließt bereits reichlich übers Gesicht und tropft mir auf die Brille. Genau im Sichtfeld läuft er an den Gläsern herab, verwäscht und verzerrt die Umgebung. Die körperliche Belastung drängt diese optische Lapalie aber schnell in den Hintergrund. Nach einer Halben Stunde legen wir die erste Rast ein um einen erfrischenden Schluck aus der Wasserflasche zu nehmen. Ich bemerke erst jetzt wie penetrant heulende Motorräder die Stille zerreißen. In regelmäßigen Abständen beschleunigen sie in Richtung Kufstein oder hinauf auf’s Sudelfeld.
Nach etwa einer Stunde verlassen wir den Wald und erreichen die Neuhütte. Gemütlich und klein steht sie unter wolkenlosem blauen Himmel am Südhang des Seeberges. Etwas abseits entdecken wir die „Wacht“, ein Aussichtspunkt der Superlative. In südlicher Richtung präsentiert sich uns hier das Ursprungtal in seiner ganzen Pracht. Gesäumt von bewaldeten Berghängen windet sich hier die Tiroler Straße über Landl und Thiersee nach Kufstein. Im Hintergrund ragt die grandiose Alpenskyline in den sonnigen blauen Himmel empor.
Die Wacht. Das Ursprungtal in Richtung Süden.An dieser Stelle eröffnet sich uns nun die Möglichkeit den Seeberggipfel zu besteigen, doch angesichts des heiß auf unsere Häupter scheinenden Muttergestirns und der Wegstrecke die noch vor uns liegt, verwerfen wir diesen Gedanken ganz schnell. Aber auch ohne den Seeberg haben wir jetzt den höchsten Punkt der Tour mit 1241 Metern über Null erreicht. Wir lassen die Alm hinter uns und laufen nun auf breitem Wirtschaftsweg immer leicht bergab, die Berglandschaft immer im Blick. Wir begegnen wenig später den ersten Bergradlern.
Ich bin geradezu schockiert, wie viele von ihnen bereits elektrisch nachhelfen und schnell bekommen wir ein Auge dafür, bereits aus der Ferne zu bestimmen, wer auf einem E-Bike sitzt und wer sich auf die traditionelle Art nach oben kämpft. Aufrecht sitzende, ja geradezu thronende Radler mit selbstgerechtem Grinsen im Gesicht muten in der bergigen Landschaft schon fast surreal an. Hingegen erkennen wir die traditionellen Bergradler daran wie sie sich mit verbissenem Gesicht an ihren Drahtesel klammern und sich bergauf quälen.
Jeder hat sein Päckchen zu tragen. In diesem Fall das Lunchpaket. Eine leckere Wespe.Gemütlich marschierend kommen wir an der unbewirtschafteten Klareralm mit Rotwand und Hochmiesing im Hintergrund vorbei und kehren kurz darauf bei der Niederhofer Alm ein. Ich lasse ein kühles Radler meine durstige Kehle hinabfließen, dankbar für diese willkommene Erfrischung. Im Schatten des Sonnenschirmes sitzen wir nun über der Wanderkarte und beraten uns über den weiteren Weg, von dem noch genug übrig ist. Nach einer halben Stunde brechen wir wieder auf und setzen unseren schweißtreibenden Weg in Richtung Süden fort. Es geht wieder steil bergauf und meine Beine erinnern mich sofort daran wie schön es war auf der Bank zu sitzen. Erneut kämpfen wir uns durch Mischwald bergauf, bis wir auf einen weiteren Wirtschaftweg treffen, der uns in einer Ostschleife um den Sillberg herumführt.
Mir fällt auf, wie trocken es durch den regenarmen Sommer geworden ist. Viele Bächlein, deren felsige Bettchen sich die Bergflanke herunter schlängeln sind komplett ausgetrocknet. Ich frage mich, wie sich diese Landschaft wohl durch den vorausgesagten Klimawandel verändern wird.
Eine halbe Stunde Fußmarsch trennt uns jetzt nur noch von unserer eigentlichen Einkehr. Das Sillberghaus. Als wir die Auffahrt zur Hütte hochgehen, staunen wir nicht schlecht. Menschen in Badehose und Bikini kreuzen unseren Weg. Der Hüttenwirt versucht hier offenbar eine neue Einnahmequelle zu erschließen. Er hat kurzerhand ein kleines Schwimmbad an die Hütte angebaut und verkauft diese Idee nun als Almbad. Jener spritzig, kühle Anbau interessiert mich jedoch im Augenblicke nicht. Viel mehr ist die Speisekarte nun das Ziel, auf dass sich mein Magen so sehr freut.
Nach einer deftigen Brotzeit und einem zischend, kühlen Bier sind Körper und Seele wieder gestärkt und bereit den noch recht langen Rückweg anzutreten.
Direkt hinter der Hütte wandern wir steil ins Ursprungtal hinab. Es ist nicht zu überhören, dass wir der Kufsteiner Straße immer näher kommen; und wieder sind es die Motorradfahrer, die uns dies mit Vollgas kundtun. Getrennt durch einen schmalen Waldstreifen verläuft der Wanderweg nun neben der Straße zurück nach Bayrischzell. Auch hier stellen wir fest, dass der hier verlaufende Aubach uns sein komplett trockenes Bett präsentiert.
„Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück…“Nach einer halben Stunde ist es endlich geschafft. Wir sind zurück am Parkplatz und froh, diesen sonnigen Tag so gut genutzt zu haben.
Info: wir parkten in der Seebergstrasse unterhalb des Stockschützenplatzes.