Wenn man zu Fuß vom kleinen Juranest Ramiswil im Güldental auf die weiten Anhöhen des Sunneberges hochsteigt, dann kommt man an einer Blechtafel vorbei, die von einer alten Sage aus jener Gegend berichtet:
“Vor langer Zeit wohnte hier auf dem Passwang ein reicher, aber geiziger und hartherziger Senn. Ihm gehörten der prächtigste Hof, die saftigsten Weiden und stattlichsten Kühe. Er besaß Geld wie Heu….”
Nun, die Erzählung berichtet, wie er immer reicher wurde und zuerst die Kuhglocken vergolden ließ, später die Hörner der Kühe und zum Schluss auch die große Felswand der Zingelenfluh. Irgendwann verließ ihn aber das Glück, bis er am Schluss im Elend starb.
Zuerst lacht man natürlich über diesen dummen Senn. Aber während man beim steilen Anstieg Schritt für Schritt über die Geschichte nachdenkt, merkt man, wie ähnlich man sie heute erzählen könnte.
Damals, dort im Güldental, hatten die armen Bauern ein paar Ziegen, die reicheren eine Kuh, und wurden sie noch reicher, kauften sie halt noch mehr Kühe, und war man sehr reich, bekam die Kuh noch etwas Gold um den Hals. Bei uns haben die reichen Leute keine Kühe mehr, sondern ein Auto. Werden sie noch reicher, kaufen sie noch ein Auto, und wenn sie sehr reich sind, hat das allerneuste Auto dann allerlei zusätzliche Ausstattung. Aber genau wie die Kuh mit den vergoldeten Hörnern nicht mehr Milch gibt, so fährt das Auto mit der tollen Ausstattung nicht schneller im Stau.
Nun, ich habe selber weder eine Ziege noch ein Auto, aber es gehen einen dann doch viele Dinge durch den Kopf, bei denen man eigentlich das “Gold” daran nicht bräuchte, Dinge, die vielleicht sowieso nicht wirklich notwendig sind im Leben, oder Dinge, die man mit viel Zufriedenheit auch einfacher haben oder machen kann….
Bühne Frei / 30cm x 40cm / Tusche und Aquarell auf Aquarellpapier / 2006, Nr.06-050