Der Arbeitsstrich der 24h Pflege

Der Arbeitsstrich der 24h Pflege
Der Arbeitsstrich der 24h Pflege

Im Sommer 2006 brach erstmals die politische Debatte über illegale Altenbetreuung hoch, als im  Vorfeld der Nationalratswahlen bekannt wurde, dass auch in der Familie von Wolfgang Schüssel, der vorher einen „Pflegenotstand“ abgestritten hat, eine Slowakin illegal beschäftigt wurde.
http://www.news.at/articles/0633/30/148663/pflegeskandal-schuessel-oevp-kanzler-pflegerin  

In einigen juristischen Schnellschüssen wurden ein Hausbetreuungsgesetz geschaffen und Gesundheits- und Krankenpflegegesetze, Ärztegesetz, Gewerbeordnung und Bundespflegegeldgesetz einer Novellierung unterzogen.
Es musste auch ein Spagat dafür gefunden werden, dass die „Kompetenz und der Kollektivvertrag der diplomierten Pflegeberufe“ unangetastet blieben es aber trotzdem legal möglich war, dass die Altenbetreuerinnen neben ihrer Tätigkeit als Putzfrau, Köchin und Gouvernante auch noch „pflegerische Tätigkeiten“ übernehmen können.

Im Rahmen der legalen 24-Stunden-Betreuung dürfen Haushalts- und Betreuungstätigkeiten sowie einfache pflegerische Tätigkeiten durchgeführt werden, spezielle pflegerische Tätigkeiten verlangen die Miteinbeziehung einer diplomierten Pflegekraft. Dem wird u.a. dadurch entsprochen, dass viele der Vermittlungsagenturen von österr. Diplomkrankenschwestern geführt werden.

Nachdem die Aufregung wieder abgeebbt ist, kommt das Thema in den österreichischen Medien kaum mehr vor. 
Vermutlich nicht so sehr, weil die gefundenen Lösungen so gut funktionieren , sondern weil man im Herrn Karl’schen Sinn „lieber nicht mehr davon spricht“.

Man schätzt, dass dzt. 16.000 -18-000 slowakische Altenbetreuerinnen in Östereich in der Altenpflege tätig sind.
(http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/728667/16000-Slowakinnen-als-Altenpfleger-in-Oesterreich , http://www.compresspr.at/node/207538)
Schätzungen über die Gesamtzahl der in Österreich legal und illegal arbeitenden Altenbetreuerinnen schwanken  zwischen 20.000 und 60.000.

Die Kosten für die Vermittlungsagenturen schwanken beträchtlich; alle verlangen eine erstmalige Vermittlungsgebühr, monatliche und jährliche Gebühren, Qualitätssicherungsbeiträge, … etc. 
Die meisten privaten Agenturen, treten in Form von Vereinen auf, werben mittels Internetauftritt,   Annoncen und Werbeschaltungen in Bezirkszeitungen. Ein weiterer Vertriebsweg läuft über das „Entlassungsmanagement“ der Krankenanstalten, das explizit einzelne Vereine empfiehlt.  Auch unter den großen Anbietern herrscht eine große Fluktuation, eine exakte Zahl der in Österreich tätigen Vermittlungsagenturen ließ sich auch über die Wirtschaftskammer selbst nicht eruieren.

Das Hausbetreuungsgesetz sieht die Wahlmöglichkeit vor, die Personenbetreuung selbständig oder unselbständig auszuüben. In der Praxis hat sich allerdings nur das Selbständigenmodell durchgesetzt. Die selbständigen Betreuungskräfte können die Vorteile einer freiberuflichen Tätigkeit nicht beurteilen, da sie keine Wahlmöglichkeit bezüglich des Beschäftigungsverhältnisses haben. Die Vermittlungsagenturen bestimmen über die Art der Beschäftigung und legen auch die Tageshonorare für die PersonenbetreuerInnen fest. Die Vorteile der Selbständigkeit, wie etwa die freie Aushandlung des Gehalts, der Arbeitszeiten und die Flexibilität in der Arbeitsgestaltung, können im Rahmen der Personenbetreuung nicht genutzt werden. Die staatlichen Regelungen haben die Bevorzugung des Selbständigenmodells forciert, da für die Personenbetreuung wichtige arbeitsrechtliche Grundlagen mit dem Gewerbe nicht berücksichtigt werden müssen und die kollektivvertraglichen Gehaltsregelungen nicht gelten. Angesichts eines Tageshonorars in Höhe von ca. ! 60 hat die Betreuungtätigkeit einen prekären Charakter. Auch wenn die BetreuerInnen
Unterkunft und Verpflegung während ihrer Einsatzdauer zur Verfügung gestellt bekommen, ist ein Tageslohn von ! 60 für eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit eine unterbezahlte Tätigkeit. Dennoch stellt es für osteuropäische Personen einen großen finanziellen Unterschied dar, wenn das Einkommen im Heimatland als Vergleich herangezogen wird.
http://www.care-ring.or.at/wp-content/uploads/2010/12/Diplomarbeit_GudrunBauer.pdf  

Da legal angestellte Betreuerinnen als Selbstständige „Ich-AGs“ agieren und somit direkt mit dem Auftraggeber (zu pflegende Person, Angehörige) ein Vertragsverhältnis eingehen können, bleibt die Notwendigkeit der Vermittlungsagenturen oft zu hinterfragen.
Aus eigenen Recherche zeigte sich, dass die Bewerberselektion mancher Agenturen eher oberflächlich, um nicht zu sagen unprofessionell erfolgt. Die Verträge mit den Vermittelten sind äußerst heterogen, viele müssen von ihrem Einkommen auch noch einen Teil an den österreichischen Vermittler abliefern, obwohl dieser kaum irgendeine Gegenleistung bietet:

Die Vermittlungsgebühr kostet rund 1.200 Euro pro Jahr. Es hat sich schon unter den 24-Stunden-BetreuerInnen herumgesprochen, dass einem die Agentur im Notfall nicht weiterhilft. Die Agenturen wissen, wenn eine Frau aufhört, warten schon zehn andere.
http://www.vida.at/servlet/ContentServer?pagename=S03/Page/Index&n=S03_17.2.1.a&cid=1278067528159  

Neben den österreichischen Vermittlungsagenturen, existieren meist auch im Herkunftsland der Bewerberinnen lokale Vermittlungsagenturen, die ebenfalls für ihre Dienste Entlohnung fordern. Daneben hat sich auch ein florierendes Transportwesen (Sammelbusse, Taxis) für die anreisenden Betreuerinnen in ihren Heimatländern entwickelt.

Im Rahmen einer Erhebung zu Kosten und Leistungen hat der Verein für Konsumenteninformation (VKI) 77 Anbieter von 24-Stunden-Betreuung mit Firmensitz beziehungsweise Adresse in Österreich kontaktiert – 45 davon gaben nähere Auskünfte.

Die Kosten für einen Betreuer bewegen sich bei den befragten Institutionen – je nach Anforderung und Leistungsspektrum – zwischen 40 und 115 Euro pro Tag zuzügl. An- und Abreisevergütung.
http://www.konsument.at/cs/Satellite?pagename=Konsument%2FArtikel%2FDetail&cid=318879833113  

Über die Kosten und Leistungen der Vermittlungsagenturen ergab sich ein sehr heterogenes Bild.

Eigene Erfahrungen zeigen einen zunehmenden Wildwuchs in diesem Bereich. Immer mehr Agenturen verlangen auch nach der Vermittlung einen
Tagsatz
von den Betreuerinnen,
bestehen auf die Inanspruchnahme des eigenen (!) Transportunternehmens,
verrechnen für einen 10-minütigen „Kontrollbesuch einer Diplomkrankenschwester unter dem Titel „Qualitätssicherung“  70 € vom Betreuten und
verpflichten die Betreuerinnen -ohne rechtliche Grundlage- zu regelmäßigen, kostenpflichtigen „Fortbildungskursen“, ….
  
Es wäre Zeit sich mit diesem Geschäft wieder etwas näher auseinanderzusetzen!
 
Nicht, dass uns gefallen wird, was wir da sehen:
Wir benützen die ökonomische Zwangslage osteuropäischer Frauen, um unseren Pflegenotstand zu lösen, so wie wir unsere Konsumgüter kostengünstig in chinesischen Sweatshops erzeugen lassen, werden das Problem aber damit nicht dauerhaft lösen.

Nicht, dass es eine Patentlösung für das Problem geben wird:
Die Löhne in der Slowakei steigen, so dass immer mehr Frauen aus Bulgarien und der Ukraine rekrutiert werden müssen. Die Anreisekosten steigen und verringern den Nettoverdienst. 
Aber wir sollten uns langsam fragen, ob wir tatenlos zuschauen wollen, dass auch zahllose in- und ausländische Agenturen an den Pflegehelferinnen aus dem Osten (http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=33704mitverdienen, wenn schon nicht aus Solidarität, so doch aus unserem eigenen Interesse.


Links: 
https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/resources/documents/Deutsch_24_Stunden.pdf 
http://de.wikipedia.org/wiki/24-Stunden-Betreuung_(%C3%96sterreich)  
http://portal.wko.at/wk/format_detail.wk?AngID=1&StID=377055&DstID=338  


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