Der Anschlag – Stephen King

Wer in den letzten Tagen Fernsehen geschaut hat, hat es schon bemerkt: Das Attentat auf John F. Kennedy jährte sich vor Kurzem zum 50sten Mal. Also werden wieder Verschwörungstheorien ausgepackt und man erinnert sich, dass JFK ein rechter Frauenheld gewesen ist (das ZDF wusste neulich von 2000 Affären zu berichten – und der Typ hat nebenher noch eine Supermacht regiert! Keine schlechte Quote).

Und es gibt da natürlich noch die große “Was wäre gewesen, wenn…?”-Frage: Wenn Kennedy überlebt hätte, wenn der Anschläge hätte verhindert werden können, wenn…

Genau hier setzt Stephen King an mit seinem Zeitreise-Roman “Der Anschlag”.

Protagonist ist Jake Epping, der im Jahr 2011 als geschiedener 40something Englisch an einer High School unterrichtet. Eines Tages ruft ihn der Imbissbesitzer Al Templeton an, mit dem sich Jake gut versteht. Al bittet ihn, bei ihm vorbeizukommen, er würde ihm gerne etwas zeigen und es sei wichtig. Jake erschrickt, als er Al sieht: Er scheint gealtert zu sein und wirkt sehr krank. Und offenbar wirkt er nicht nur krank, er ist es auch: Al eröffent Jake, dass er bald an Lungenkrebs sterben wird. Und Jake soll für ihn eine Aufgabe erledigen, die Al leider nicht mehr schaffen wird.

Um ihm zu zeigen, worum es geht, bittet er Jake, in seinen Abstellraum zu gehen… und ehe Jake richtig weiß, wie ihm geschieht, ist er durch ein Loch in der Zeit gestiegen und am selben Ort, nur im Jahr 1958 gelandet. Nachdem sich Jake dort ein bisschen umgesehen hat und wieder die Reise zurück in die Gegenwart geschafft hat, erzählt ihm Al ein paar mehr Details: Man kommt durch dieses “Kaninchenloch” immer am gleichen Zeit zur gleichen Zeit heraus, und egal, wie lange man sich in der Vergangenheit aufhält, vergehen in der Gegenwart nur zwei Minuten. Und wenn man ins Jahr 2011 zurückgekehrt ist, werden bei der erneuten Reise ins Jahr 1958 alle Änderungen, die man beim letzten Ausflug gemacht hat, wieder rückgängig gemacht.

Al war bei seiner letzten Zeitreise fast vier Jahre in der Vergangenheit, ehe er zu schwach wurde und zurück musste. Und er erzählt Jake, was er versucht hatte und was dieser nun vollenden soll: Er soll das Attentat an Kennedy verhindern. Dazu hat Al ihm einige Aufzeichnungen hinterlassen, an denen er sich orientieren kann. Al ist überzeugt, dass Lee Harvey Oswald der alleinige Täter war, und er ist überzeugt, dass die Weltgeschichte einen besseren Verlauf genommen hätte, wenn Kennedy eines natürlichen Todes gestorben wäre.

Ungeklärt ist jedoch der Schmetterlingseffekt: Welche Folgen hat eine noch so kleine Veränderung der Vergangenheit auf die Zukunft?

Jake hat sich schnell entschieden, die Herausforderung anzunehmen und versucht erstmal, in geringerem Maße einzugreifen und zu schauen, was passiert. Es scheint einigermaßen zu funktionieren, die Welt dreht sich weiter und er scheint das Leben einiger Menschen zum Besseren gewendet zu haben. Dann geht er endgültig zurück, dieses Mal für seine wirklich große Aufgabe. Er hat zunächst noch ein bisschen Zeit und landet in der texanischen Kleinstadt Jodie. Dort fühlt er sich sehr wohl, obwohl er natürlich seine Eigenschaft als Zeitreisender sorgfältig verbergen muss. Er arbeitet als Lehrer, wird von anderen Bewohnern sehr freundlich empfangen und verliebt sich schließlich sogar in seine Kollegin Sadie. Ein nettes Detail fand ich, dass er sein Geld unter anderem auch mit Sportwetten verdient. Das ist fast schon konsequent… ;)

Doch je näher er dem Jahr 1963 kommt, desto stärker bemerkt er auch: Die Vergangenheit wehrt sich gegen Eingriffe, sie WILL nicht verändert werden. Und dazu kommt noch, dass er sich mittlerweile ganz wohl fühlt in der Vergangenheit und dass Sadie irgendwie zu ahnen scheint, dass ihr Lover irgendwie…. anders ist.

Ja, mir hat dieses Buch echt gut gefallen. Klar ist die Idee des Zeitreiseromans nicht neu, aber sie verliert glaube ich nie an ihrer Faszination. Außerdem hat King hier einige gute Ideen, die auch gut umgesetzt sind.

Bei einem 1000-Seiten-Wälzer (es lebe das eBook!) bleiben so manche Längen nicht aus. Interessanterweise sind diese aber alle irgendwie nötig, um die Handlung ordentlich aufzubauen und als Leser zu verstehen. Lediglich die ein oder andere “Alternativ-Geschichte” fand ich etwas zu krass – offenbar wollte King nochmal auch dem Dümmsten klarmachen, was jetzt doch gleich der Schmetterlingseffekt war.

Nichtsdestotrotz: Ein auf jeden Fall spannendes und dadurch empfehlens- und lesenswertes Buch.

ISBN: 3-641-06440-6
1072 Seiten
Originaltitel: 11/22/63
Heyne
€9,99 (eBook)

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