Der Altersarmt an den Kragen

Der Altersarmut soll es nun an den Kragen gehen! Im Alter mit zu wenig Rente leben? Die Zeiten sind vorbei, Ministerin von der Leyen vertreibt die Armut - Ruheständlern winkt satter Zuverdienst!, wie es der Stern optimistisch verkündigt. Zuverdienst, nicht Zugewinn - richtig gelesen. Die Alten dürfen mehr arbeiten und damit mehr dazuverdienen zur Rente. Anpacken - nicht jammern, selbst machen - nicht auf Almosen warten! Wer jetzt noch sagt, er habe im Alter nicht genug, der hat selbst Schuld...
Keine Rentenerhöhung. Keine Stärkung des Umlageverfahrens um wieder das gesellschaftliche Vertrauen in die staatliche Rente aufzubauen. Keine kleineren Abschläge bei Frühverrentung. Nein, das liegt nicht im Trend der neoliberalen Zeit. Arbeit soll sich wieder lohnen - auch für die, die eigentlich gar nicht mehr richtig arbeiten können. Morsche Knochen auf den Arbeitsmarkt - Zubrot zur Rente verdienen! Bis 73 an der Drehbank - bis 79 sachbearbeiten. Die Debatte um die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist ein schaler Witz. Ausdebattiert! Einfach Renten klein halten und nebenbei die installierte und subventionierte Privatrente als Luxusartikel vertreiben - und zusätzlich die Verdienstobergrenze ausweiten: dann braucht es kein Geschwafel mehr, dann ist die Debatte erfolgreich weggewischt. Jeder kann dann zwar mit 67 in Rente - aber gearbeitet werden kann theoretisch bis Ableben; absichtlich verkleinerte Renten, aus einem Rentensystem, das man öffentlich verächtlich macht, garantieren antiquierte Arbeitskraft. Und die Option des Zuverdienst', setzt sie sich erstmal durch als mögliches Modell, hält die Rente künstlich am Boden.

Altersarmut darf man nicht subventionieren, lehrt uns der codex canum neoliberalum. Und weiter steht geschrieben: Lasset die Alten zu mir kommen und arbeiten - gebt ihnen nicht ohne Gegenleistung; Alter soll sich wieder lohnen. Gebt ihnen nur zu essen, wenn sie tun. Es ist unmoralisch, die Alten verhungern zu lassen. Aber sie zu unterfordern, ihnen die Happen nur so hinzuwerfen - das ist auch unmoralisch und asozial gegenüber den Jungen. Sozial ist, was Alter schafft. Und dass die Jungen dann im Arbeitsmarkt-Wettbewerb mit den routinierten Routiniers, mit den Rentenaufstockern stehen, gilt dann als sozialverträglich.
... winkt satter Zuverdienst!, schreibt der Stern. So, als käme der einfach ins Haus, so als klingelte er an der Türe. Als ob jeder Rentner einen Arbeitsplatz hätte, fände, bekäme. Als ob diese Frohbotschaft jeden Ruheständler ereile - auch die Oma, deren Einkaufstour samt Rollator ein tagesausfüllender Erschöpfungsmarsch ist?
... winkt satter Zuverdienst! Dass der alte Mensch dafür arbeiten muß, liest sich da nicht heraus. Dass sich die alte Haut zu einem Markte tragen muß, auf den sich ohnehin zu viele, viel agilere, viel jugendlichere, viel belastbarere Menschen tummeln, kann man auch nicht deuten. Dass die schnelle Abhilfe einer zu kleinen Rente nur begrenzt ist, wenn man mal annimmt, der Senior hat überhaupt einen Arbeitsplatz, weil früher oder später Alterserscheinungen hinzukommen, die ihn als Arbeitnehmer uninteressant machen, erkennt man in diesem Freudeschrei auch nicht.
... winkt satter Zuverdienst! Es gibt ja heute schon - traurig genug! - Rentner, die sich noch etwas dazuverdienen müssen. Für sie ist ein 400 Euro-Job das größte Glück - eine Teilzeit- oder Vollzeitstelle erhalten sie nicht; schon mit 50 waren sie für so eine zu alt. Was hat denn der normale Rentner, der mal Arbeitnehmer war, wenn er nicht gerade keine Arbeit genommen, sondern von ihr los war... was hat denn der normale Rentner von einer höher angesetzten Zuverdienstobergrenze? Bestenfalls hat er 400 Euro als zusätzlichen Lohn - und da liegt heute schon die Grenze. Ja soll er denn gleich mehrere Stellen antreten?
Eine humanistisch geschulte Sozialpolitik würde Fürsorge walten lassen - eine neoliberal beschlagene schafft Anreize, neue Impulse, setzt Höchstgrenzen höher. Eine humanistische Politik hilft denen, die sich nicht (mehr) helfen können - eine neoliberale macht die Hilflosigkeit zu einem persönlichen Makel. Keiner kann sich dann mehr beschweren, er könnte doch seiner alten Armut entfliehen, wenn er nur Arbeit fände, wenn er nur dazuverdienen wollte. So ein neoliberales Zeichen setzt von der Leyen...
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