Der alte Traum vom freien WLAN

Erstellt am 24. Juni 2016 von Hrgajek

WLAN für alle, im Ausland heisst es „WiFi“ – eine tolle Vorstellung. Mal schnell ins Internet gehen, was nachgucken, den Freunden Bescheid geben, zum Treffen verabreden, mobiles Internet ist heute ein Muss.

Internetzugang über „freies“ WLAN ist in aller Munde. Die Bundesregierung wollte die sogenannte „Störerhaftung“ raus nehmen, die es potenziellen WLAN-Betreibern bisher unmöglich machte, ihre eigenen WLAN-Sender („Hotspots“) unbekannten Dritten zu öffnen, denn diese Besucher hatten natürlich nichts anderes im Sinn, als sofort irgendwelche Software oder Musiksstücke oder Videos etc. im Netz zu verteilen, wofür sie vorher keinerlei Rechte erworben hatten. (Vorsicht! Ironie!) Die gute Absicht in Berlin ist – je nach politischem Standpunkt des Betrachters – noch nicht ganz perfekt gelöst.

Bei WLAN für alle denken die allermeisten an „kostenlos“. Nur „kostenlos“ ist es in Wirklichkeit nicht. Die WLAN-Sendeanlagen müssen gekauft, aufgebaut und gewartet, sprich repariert oder ausgetauscht werden, die Anlagen müssen verschaltet werden und die Internetsignalzuführung sollte „richtig dick“, also mit viel Geschwindigkeit und hoher Zuverlässigkeit sein. Wer zahlt diese Zeche?

Die WLAN-Betreiber erhoffen sich mehr Besuch in ihren Cafés und anderen Läden, dafür kostet der Kaffee vielleicht etwas mehr. Das könnte sich vielleicht rechnen Man könnte vor dem Ansurfen der gewünschten Seiten noch etwas bezahlte Werbung dazwischen schieben, nur das kostet den User Zeit und Nerven und bringt nicht soviel, dass es sich für den Anbieter lohnen könnte.

Kostenloses WLAN – Null Durchsatz ?

Vor einigen Jahren präsentierte mir das edle Hotel in Barcelona sein nagelneues „Free WiFi“. Verbindung ja, Datenfluss nein.

Ok, indoor, wo die normalen Mobilfunksender oft nicht hinkommen, mag WiFi eine Erlösung sein, genauso gut könnten die Mobilfunkanbieter ihre Repeater und Kleinzellen aber auch selbst in Gebäude ein- und aufbauen, bisher kam das durchaus vor.

Privates WLAN – Mit offenen Untermietern?

Wer bei der Deutschen Telekom einen Internetzugang übers Festnetz bucht und sich dafür den Router „Speedport W724“ bei der Telekom kauft oder mietet, kann unter dem Begriff „Telekom FON“ im eigenen Router ein öffentliches WLAN aufmachen, welches „Telekom FON“ heißt. Jeder Telekom FON Kunde und alle, die bei der Telekom einen WLAN-Hotspot-Tarif (oder die Flatrate) gebucht haben, können alle anderen Telekom FON Zugangspunkte verwenden. Schicke Sache.

Telefonieren per WiFi?

Gestern startete die Deutsche Telekom „WiFi Calling“, das mobile Telefonieren über das WLAN. Zunächst nur für eine Handvoll Geräte, aber es sollen mehr werden. Gleiches tut bei Vodafone bereits, bei o2 braucht man eine eigene App dafür, dafür werden von Beginn an mehr Geräte unterstützt.

Jeder mobile Datennutzer hat heute eine Karte mit Datenoption, schon ab wenigen Euros geht es los.

Ich fände es fairer und ausgewogener wenn die Mobilfunknetzbetreiber dazu „ermuntert“ würden, die Flächen, wo Menschen unterwegs sind, richtig mit wesentlich sicherer Mobilfunktechnologie massiv auszubauen, anstatt mit „kostenlosem“ WLAN ein „Kostet alles Nix“ Gefühl zu vermitteln, was in Wirklichkeit eine große Mogelpackung ist.

Wir erinnern uns: Bei der Lizenvergabe und Frequenzversteigerung wurden Auflagen hinsichtlich der Netzabdeckung gemacht. Ich hoffe, dass die Bundesnetzagentur wirklich genau hinschaut.

Wenn die Netzversorgung unbedingt per WLAN sein soll, fände ich eine moderate Gebühr, die beispielsweise bereits im Mobilfunkvertrag enthalten sein oder transparent über ihn abgerechnet werden könnte, schon sinnvoll, vorausgesetzt, das eingenommene Geld fließt auch wirklich in den Netzausbau und die Installation von sicheren Komponenten.

Gabe für Gegenleistung?

Wo es kostenloses WLAN gibt, weil der Betreiber sich bei einem Dienstleister (z.B. FON , entweder direkt oder via Telekom) angemeldet hat und dafür dann selbst auch kostenlos surfen darf, finde ich das ok. Das ist Leistung für Gegen leistung, da macht das noch Sinn.

Wie wäre denn ein Rabatt den der bereitstellende Kunde von seinem Provider bekommt, wenn zahlende Kunde „sein“ WLAN benutzen darf? Das könnte die Akzeptanz vielleicht erhöhen.

Die zig Router, die in den Häusern stehen, strahlen vielleicht bis vor die Tür, vielleicht auch nicht. Ein zuverlässiges Netz sollte man hier besser nicht erwarten. Und überhaupt: Wer über ein „offenes“ WLAN surft, weiss oft nicht, wie „sicher“ dieses Netz ist, da zig andere Mitmenschen, die man gar nicht kennt, im gleichen Netz unterwegs sein und mit etwas Aufwand Dinge mitbekommen könnten, die sie eigentlich nichts angehen.

Ich stelle fest, dass ich an meinen Handys WLAN immer öfter ausschalte, weil laufend ein neues „Netz“ erkannt wird. Bis ich dann drin bin, ist es schon wieder weg.

Schweiz: Kein WLAN im Zug

Noch schnell einen Blick in die Schweiz: Die Schweizer Bundesbahn (SBB) lehnt den Einbau von „WiFi“ (WLAN) in seine Züge kategorisch ab, aus gutem Grund. Die Kunden würden WLAN kostenlos erwarten, aber die Kosten müssten alle Passagiere über die Fahrkarten tragen, ob sie surfen oder nicht. Also „spiegelt“ die SBB lieber die vorhandenen Mobilfunksignale in die Züge und die Leute surfen schneller und sicherer.

Das Thema WLAN hat die Deutsche Bahn auf der Agenda, weil der Netzlieferant und bisherige Netz-Marktführer Telekom signalisieren musste, dass mit bestehender Netztechnik das kostenlose WLAN in den ICE-Zügen gar nicht mehr darstellbar ist, die Datenmengen sind einfach nur gigantisch. Jetzt müssen Vodafone und die neue Telefonica mit ins Boot. Da ist massiver Netzausbau angesagt, billig wird das nicht, aber da müssen nun alle durch und die Deutsche Bahn muss die Techniker in die Tunnels reinlassen. Die Züge werden derzeit mit GSM, UMTS und neuerdings dem leistungsstarken LTE versorgt. Wenn aber schon ausreichend LTE in den Tunnels vorhanden wäre, dann wäre WLAN gewissermaßen überflüssig. Die Laptop-Nutzer, deren Laptops noch kein LTE „können“, brauchen sich nur einen passenden USB-Stick zu holen und könnten dann über den eigenen Daten-Tarif surfen. Das würde den Einzelnen nicht so viel kosten, der Netzbetreiber hätte sichere Einnahmen und mehr Lust, sein Netz auszubauen. Wetten?

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