Vielerlei Kräfte sind im Menschen: Erkennend kann er die Dinge rings erfassen, Sterne und Berge, Meer und Fluß, Baum und Tier und all des Menschenwesen um ihn her, und in seine innere Welt hineinziehen. Er kann sie lieben, kann sie auch hassen und wegstoßen; er kann sich wider sie stellen, oder nach ihnen verlangen und sie an sich ziehen. Er kann seine Umwelt ergreifen und formen nach seinem Willen. Ein vielfältiges Gewogen von Freude und Verlangen, von Trauer und Liebe, Stille und Erregung geht durch sein Herz …
Seine edelste Kraft aber ist diese: Zu erkenn, daß Höheres über ihm ist; dies Höhere zu verehren und sich dafür einzusetzen. Der Mensch kann Gott über sich erkennen, kann ihn anbeten und sich selbst hingeben, „auf daß Gott verherrlicht werde“. Daß aber Gottes Hoheit im Geist aufleuchte; daß der Mensch diese Hoheit anbete; nicht selbstsüchtig im Eigenen beharre, sondern über sich hinausschreiet, sich selber einsetze, auf daß der Hohe Gott verherrlicht werde, das ist das Opfer. Der Seele Tiefstes ist die Opferkraft. Im Innersten des Menschen steht jene Stille und Klarheit, aus der das Opfer zu Gott emporsteigt.
Von diesem Innersten und Stillsten und Stärksten im Menschen ist der Altar draußen das sichtbare Zeichen. Er steht im Heiligsten der Kirche, auf Stufen herausgehoben aus dem übrigen Raum, der selber vom Werkbereich der Menschen draußen abgesondert ist, abgeschieden wie das Heiligtum der Seele. Fest gebaut auf sicherem Sockel, wie der wahrhaftige Wille im Menschen, der um Gott weiß und entschlossen ist, sich für ihn einzusetzen. und auf dem Sockel ruht die Tischplatte, die Mensa, ein wohlbereiteter Ort, auf dem das Opfer dargebracht wird. Kein Gewinkel, freier Plan. Kein halbdunkles, unklares Tun, sondern offen allen Blicken. So, wie im Herzen das Opfer stattfinden soll. Ganz klar vor Gottes Blick, ohne Vorbehalt nach Hintergedanken.
Beides aber gehört zusammen, der Altar draußen und der drinnen. Jener des Herz der Kirche; dieser das Tiefste lebendiger Menschenbrust, des inneren Tempels, davon der draußen mit seinen Wänden und Wölbungen Ausdruck und Gleichnis ist.
(Von heiligen Zeichen; Romano Guardini 1927)