Depro im Dezember

Ja, ja ich weiss – es ist erst November. Aber «Depro im November» – nee, das fliesst einfach nicht als Titel. Und wenn’s schon im Leben nicht fliesst dann soll’s das wenigstens auf dem Papier tun. D wie Dunkel. D wie Depro. D wie Dezember. Dezember mutet auch als letzter Monat passend an. Nach dem 31. Dezember die Sintflut – oder zumindest der Kater. Miau, auf ein neues Jahr!

Die Astrosterne stellen sich in optimale Positionen und werden in allen möglichen und unmöglichen Frauenzeitschriften auf ihre Paarungskompatibilität geprüft. Neues Jahr, neue Liebe, neues Glück – oder zumindest neue Vorsätze. Genau, das sind die Sätze, die man so leichtfertig zwischen Tischbombe, Korkenknaller und unfreiwilligem Knutscher mit Grossonkel Hans in wackeliger Fusellaune von sich gegeben hat. Man wischt sich das vorsätzliche Gelabber noch mit dem Hans-Gesabber von der Backe. Es fliesst der Sekt und es giesst das Blei – und auf einmal sind sie weggeschwemmt, die gutgemeinten Ideen. Spätestens am nächsten Morgen, wenn der «Moudi» im Kopf grösser als Nachbars «Maine-Coon-Büsi» anmutet, dann erinnert man sich kaum mehr, wieso man nun abnehmen und mit dem Schloten aufhören wollte. Man setzt sich hin, streicht sich ein «Nutella-Buttergipfeli» und zündet sich zur Feier des Tages eine Zigarette an. Oder zwei. Oder drei. Puff – und schon lösen sich die Vorsätze in Rauch auf. Wir alle können zaubern… Aber keine Bange, das war noch lange nicht die ganze Darbietung. Der zauberhafte Dezember beginnt bereits vielversprechend – zumindest in meinem Fall. Und zwar mit dem Todestag meiner geliebten Grossmutter, kurz gefolgt vom «Samichlaustag». Nein, Oma hat das damals nicht absichtlich so getimt, schätze ich mal – wobei, vielleicht liegt die Abneigung gegen den Dezember in der Familie? Eine geheimnisvolle genetische Erbkrankheit, die monatelang im Unterbewusstsein schlummert und immer im Dezember – KABOOM – ausbricht, um sämtliche Neuronen zu erwecken. Irre Feuerwerksspektakel geschehen dann in und ums Hirn. Gegen das Genom kommt man nicht an, da gibt es kein Entrinnen. Mal vom Ableben abgesehen. Dieses stellt sicherlich die konsequenteste Form der Flucht dar. Fight or flight – immerhin hat «Grosi selig» 84 Jahre erfolgreich gekämpft, das muss man ihr lassen. Aber vielleicht war es auch die Aussicht auf den 85. «Samichlaustag», die sie ihre Fenster für immer schliessen liess wer weiss das schon. Sie wäre bestimmt nicht die einzige gewesen, die kurz vor dem 6. Dezember von einer ausgewachsenen HO-HO-Ho-Panikattacke heimgesucht wird. So manch kleine Kinderseele trägt ein grösseres Träuma vom alten bärtigen «Mutz» mit sich ins Erwachsenenalter. So räkeln sich die kleinen Susis, Emmas oder Jacobs dieser Welt seit Jahrhunderten leicht widerwillig auf dem breitbeinigen Schoss und klammern sich verzweifelt an die reimenden Zeilen. Aschfahl ihm Gesicht sitzen sie da und stottern irgendwas von «Glöggeli» und «Schöggeli» oder «Laterne» «hab ich gerne» – und weil das irgendwie nicht wirklich Sinn macht, verlieren sie das Bewusstsein spätestens bei «Ofenrohr». Kein Wunder, da reimt sich ja auch nix Kindliches drauf. Mittelohr? Algifor? In Zeiten der Mee-Too-Thematik mutet übrigens auch das ganze Schossgeräkel etwas zwielichtig an. Da könnten sogar die unschuldigen Nüsse aus dem «Chlousesack» einen faden Nachgeschmack mit sich bringen… Ganz zu schweigen von der Rute… Mensch, habe ich zappendustere Gedanken – und das am helllichten Tag. Aber eben: Depro im Dezember oder kurz davor – die Gedanken sind auf alle Fälle bereits dunkelschwarz. Und sogar wenn der Samichlaus ein anständiger Onkel oder Götti oder Rent-A-Rentner sein sollte: Das Vorbildmami verliert eh schon im Vorfeld die Nerven. Wo, verdammt nochmal, hat sich in diesem Dachstock-Ghetto das «Chlausenkostüm» versteckt, frage ich mich und stosse meinen Kopf zum fünften mal an einem Balken, der da wohl schon seit 1887 hängt – mir aber erst jetzt schmerzlich auffällt. «SCHEISSE!» Unsere Kids müssten nun 20 Rappen für dieses ausgesprochen böse Schimpfwort abliefern. Ich behalte die Kohle als Schmerzensgeld und klettere derweil buckelig über zwei Kartonschachteln, die etwas schräg gestapelt dastehen aber egal – da hinten muss der Kehrrichtsack mit dem Zeug vom alten Sack sein. Ich erinnere mich genau: 60 Liter Füllmenge – gross genug für kleine Kinderträume. Mir scheint ich sehe einen schwarzen Plastikzipfel hervorlugen. Das muss er sein, denke ich und lehne mich mit ausgestreckter Hand hoffnungsfroh nach vorne. Vielleicht liegt’s am Freudentaumel vielleicht aber auch an den physikalischen Grundgesetzen von unsachgemäss gestapelten Kartonkisten… Fakt ist: Unter mir kippt die obere Kiste zur Seite, die untere rutscht wohin auch immer. Ich versuche mich irgendwo festzuhalten, finde mit meinen Fingern die Kante des Snowboards meines Mannes und reisse das Teil mit mir in den Abgrund. Während dieser rasanten Talfahrt stosse ich meinen Kopf an einer anderen Stelle, an einem anderen Balken. Sehr schön, das gibt Teufelshörner zu Weihnachten. Badass Girl beim Wintersport in der Höhe – soll mal einer sagen ich sei unsportlich. Immerhin habe ich knapp die Dachstockluke verpasst, ansonsten hätte es noch einen medaillenreifen «Snowboard-Ride» über die Leiter gegeben. Rücklings mit integriertem Sechsfachlooping natürlich – alles andere ringt der Snowboardszene höchstens ein müdes Lächeln ab. Letzteres ist mir etwas vergangen. Irgendwas piekst mir schmerzhaft in den Rücken. Meine Hand tastet sachte die Schulterblätter links und rechts, von oben und unten ab – und Mensch bin ich froh, dass meine Yogaübungen auch im Praxisalltag von Nutzen sind. Aha, Scherben von einem zerbrochenen Bilderrahmen – das ergibt der fachkundige Gesundheitscheck per Blickdiagnose auf meine blutverschmierten Fingerkuppen und auf das Glasdesaster am Boden. Egal, ein bisschen Akupunktur hat noch niemandem geschadet – und ich setze meine Suche mit zusammengebissenen Zähnen fort. Nun da der Weg mehr oder weniger frei ist, schnappe ich mir den Kehrrichtsack und sehe erwartungsfroh hinein. Eine Motte fliegt mir ins Nasenloch. Gut, war mein Mund zu – ich bin nämlich Vegetarierin. Einmal «Bauernschnäuzen» und weiter geht die Mission, die langsam etwas «impossible» anmutet. Okay – Umhang, Bart, Sack, Buch – alles da. Nur meine Nerven die sind jetzt weg. Ich klettere mit Sack und Pack die Leiter hinunter und hinterlasse auf dem Weg ins Wohnzimmer eine dünne Blutspur auf dem Parkett. Aha, war wohl eher Chainsaw-Massaker als Nadel-Akupunktur. Ich frage mich, wie man sich im Alleingang Scherben aus dem Rücken puhlt – und weshalb Prosecco am morgen so verpönt ist. Zu Unrecht, finde ich. Also köpfe ich die Freixenet-Flasche ganz ohne Mitgefühl. Eine Leidensgenossin… Es piekst zwischen den Schulterblättern und prickelt im Rachen. Das nenn ich mal eine besinnliche Vorweihnachtsstimmung. Zumindest wird jetzt die Stuhllehne schön blutrot Ton-in-Ton mit dem «Samichlaus-Tenue» eingefärbt. Die Gestaltung einer ästhetischen Weihnachtsdeko gehört schliesslich auch zum Hausmütterchendasein. Mein Lieblingsressort! Diesbezüglich bin ich total begabt. Letztes Jahr habe ich einen Weihnachtskranz auf dem Markt gekauft, mit nackten Barbiepuppen aufgepeppt – und an die Haustüre gehängt. Zur Freude meiner düsteren Seele und zum Schrecken meiner christlichen Nachbarschaft. Zur Strafe haben wir von Meiers in diesem Jahr keine selbstgebackenen «Engel-Mailänderli» gekriegt. Das war ein herber Schlag in die Magengrube. Wobei, wenn ich mir vorstelle, dass klein Moritz mit seinen Urin-Gagga-Patschhändchen beim Backen mitgemischt hat… vielleicht verdanken wir den Pornobarbies gar unser Leben? Mit E-Coli-Bakterien ist nämlich nicht zu Spassen. Ausserdem begreife ich die ganze Aufregung nicht. Die Puten-Engelchen in Kirche und Co. sind ja jeweils auch splitterfasernackt. Gut, vielleicht sind die Körbchengrössen etwas dezenter und die Beine etwas weniger gespreizt… ja, und die Flügel muss man sich halt auch selber hinzudenken. Ich plädiere für mehr Fantasie und weniger Zeitdruck in der Vorweihnachtszeit. Ist ja der blanke Wahnsinn, was da alles ansteht: Lichterfest in der Kita, Advent-Bastelei im Kindergarten, Kerzenziehen im Gemeindehaus, Zauberlaterne im Stadttheater, Weihnachtsvorführung in der Kirche, «Guetslibacken» auf dem Küchentisch und Geschenke basteln im Backofen – oder umgekehrt. Auf alle Fälle kommt Muttchen konfus, bringt keinen Satz mehr gerade und träumt vom 360-tägigen Wellnes-Spa im Tirol – mit Prosecco in der Hand. Ja, Prosecco macht sich immer gut – zu jeder Tages- und Nachtzeit, im In- und auch im Ausland. Da bin ich ganz weltoffen. So lange die Kids derweil auf einem anderen Planeten weilen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich liebe meine Kids über alles. Am meisten wenn sie schlafen. Und auch wenn sie wach und in der Kita sind. Im Ernst jetzt, ich würde mein Leben für meine zwei Mini-Me opfern. Es geht nichts über Mutterliebe. Nur der Dezember, der gehört definitiv frei von Kindergeschrei in wohlige Ruhe gehüllt. Aber das interessiert das Christkind überhaupt nicht. Das pocht auf fröhlichen Gesängen, während mir zum Schluchzen zumute ist und verlangt nach Geschenken, die surren, quietschen oder Brumbrum-Geräusche machen. Als wäre das nicht schon nervtötend genug, tun sie zum ohrenbetäubenden Tinnitus auch noch fliegen, rotieren oder sich sonst irgendwie fortbewegen. Ja, bewegt muss er sein, der Weihnachtsabend. Idealerweise mit der Familie in gutgelaunter Harmonie. Schwiegermama Maria und Schwiegerpapa Josef reissen – alle Jahre wieder – ihre abgelutschten Sprüche über den Zufall ihrer Namensgebung. Ich bin ja überzeugt, dass die sich damals nur deswegen das Ja-Wort gegeben haben. Auf alle Fälle heisst mein Mann nicht Jesus und kann aus Wasser keinen Wein zaubern – also muss doch gründlich was schief gegangen sein in der Familienweihnachtsgeschichte. Und wenn man schon den teuren Wein selber kaufen muss, dann sollte man doch meinen, dass immerhin der Weihnachtsstern astrologisch günstig und im Zeichen der Harmonie steht. Aber Fehlanzeige: Onkel Karl und Tante Frida sitzen weit auseinander am Tisch – und schafften es dennoch sich über dem Weihnachtsbraten verbal zu zerfleischen. Die Fleischeslust von Onkel Karl ist halt etwas ausserehelicher Natur, was Tante Frieda beim besten Willen nicht goutieren kann. Derweil sitzt unsereins verschwitzt am Tisch. Geschafft vom 17-Gänger-Kochen und vom In-den-Ecken-Wischen – das Haus muss schliesslich auf allen vier Stöcken, im Keller, im Garten und überall dazwischen glänzen – was sollen denn sonst die Gäste denken? Und die Nachbaren? Und der Paketpöstler? Und das Christkind? Das versteckt sich übrigens alle Jahre irgendwo hinter den Büschen. Unsere Kinder haben es mal heftig niessen gehört. Ja wirklich – hinter dem dürren Brombeerstrauch in Nachbars Garten. Wieso der stattliche Jesus alljährlich zum Christkind regrediert und zu Unzeiten bei Minustemperaturen halbnackt hinter Sträuchern lauert, ist äusserst fragwürdig – und ebenso ungesund. Muss wohl irgendein Vaterkomplex sein, der das Christkind Jahr für Jahr dazu treibt eine Lungenentzündung zu riskieren. Gott sei Dank gibt es für uns Normalsterblichen bei ähnlich gelagerten Psychoproblemen das Familienstellen. Nur im Dezember, da nützt auch der Hellinger nichts. Also bleibt die Suizidrate um die Feiertage ungebrochen hoch. Bugee Jumping ohne Seil als vorweihnachtlicher Dauertrend. Düstere Zeiten – die Auswege machen sich rar. So manch einer flüchtet sich vor den unheiligen Geistern ins Ausland. Netter Versuch. Aber sogar auf Koh Phangan lungert irgendwo zwischen Palmen noch ein popeliges Plastikbäumchen am Sandstrand herum und flüstert hämisch: «Du doofer Tourist, du entkommst mir nicht! Meine Nadeln machen Mensch-Satay-Spiesschen aus dir!» Voll der entsetzliche Horrortrip nach der entspannten Thaimassage. Naja, die sprechenden Bäumchen sind eng befreundet mit den Magic Mushrooms, welche gern an gewissen Full-Moon- oder eben Silvesterpartys konsumiert werden. Drogen. Ich sag’s ja, Schuld an Allem trägt der unheilbringende «D»: Dezember, Dingelingeling, Durchgeknallt. Es gibt kein Entkommen – wenn die ganze Welt Tannenbäume umringt und dazu «Oh du Fröhliche» singt. Also steht man an besagtem heiligen Abend leicht schmerzgekrümmt mit zusammengepressten Beinen vor dem Nadel-Geglitzer und kriecht innerlich leidend mit Jesus zu Kreuze – oder zumindest aufs WC. Ganz einfach weil das desaströse D wie Durchfall diese ganze heuchlerische Dezember-Dauerkacke nicht mehr aushält – und mit akuten Darmkoliken dagegen demonstriert. Also Leute, freuet euch, oh freuet euch – bald heisst es wieder:

Halleluja – und oh du fröhliche Defäkation.


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