Depardieu ist Russe geworden: gar nicht so verrückt, diese Gallier!

 

"Ein anderer Blick auf Russland"

Depardieu ist Russe geworden: gar nicht so verrückt, diese Gallier!

von Alexandre Latsa

 

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Am 3. Januar 2013 erschien ganz überraschend ein Text auf der Kreml-Website, der bekannt gab, dass Präsident Putin Gérard Depardieu, dem französischen Schauspieler, die russische Nationalität verliehen habe [1].

Dieses Dekret des Präsidenten kommt nach einem Streit zwischen dem Schauspieler und den französischen Behörden nach der Annahme einer Gesetzesvorlage, um sehr hohe Einkommen [den Teil, der über 1 Million/Jahr Euro hinausgeht (AdÜ)] in Frankreich mit 75 % zu besteuern. Der Schauspieler hatte also dieses Gesetz stark kritisiert, bevor er sich zur Auswanderung nach Belgien entschied und dann seinen Pass zurückgab. Seine Tat wurde dann von dem französischen Premierminister Jean-Marc Ayrault als "schäbig" beschrieben.

Der Fall wurde wieder aktuell, als die russischen Behörden den Schauspieler einluden, sich in dem Land niederzulassen, indem sie ihm versprachen, dass die Besteuerung von 13 % unverändert bleibe. Die neueste Entwicklung in diesem Fall nun: die souveräne Verleihung der russischen Nationalität durch den Präsidenten an den Schauspieler. Dann schrieb dieser einen unglaublichen Liebesbrief an das russische Volk und seinen Präsidenten, worin er auch schrieb: „in Russland tut sich gut leben“. [2]. Am 5. Januar abends erhielt der russische Schauspieler seinen neuen Pass in Sotchi aus den Händen des Präsidenten und schon am nächsten Tag bot man ihm einen Posten als Minister für Kultur einer Region in dem europäischen Teil Russlands an, den er demütig verweigerte.

Der französische Medien-Mainstream hat sich natürlich in den Tagen, die dieser positiven Aussage des russischen Präsidenten folgten, gezwungenermaßen wild entfesselt. Für Rue89, sei « Obelix » [eine dicke gallische Druidenfigur eines berühmten französischen verfilmten Comicstrip „Asterix“ AdÜ.] jetzt Freund der Tyrannen [3], während bei Mediapart man sich über den Abgang von Obelix beglückwünscht und „ein französischer Staatsbürger, der behauptet, dass Russland eine große Demokratie sei, würde uns nicht abgehen“ [4].

Für den Nouvel Observateur, durch den unappetitlichen Meister des Kreml eingebürgert zu werden, würde beweisen, dass der französische Premier Recht hatte und dass « Depardieu tatsächlich schäbig wäre » (sic) [5] oder sogar dass die wahre Heimat des Obelix „vor allem sein Bankkonto wäre“ und dass schließlich diese Gunst eines quasi-Diktators (sic) „den Schauspieler unhaltbar mache“ [6]. Einige Besserwisser und andere selbsternannte Moralisten fanden selbst angebracht, den Schauspieler daran zu erinnern, dass Russland keine Demokratie sei [7], man möchte sie jedoch mit genauso viel Eifer über die Situation in Saudi-Arabien reden hören, über Nord-Korea und Simbabwe…

Schließlich hätte für Le Figaro der Schauspieler "schwefelhaltige Verbindungen" in Eurasien, da er den Präsidenten der Republik Tschetschenien Ramsan Kadyrow lobte und auch der Familie des usbekischen Präsidenten nahe stünde [8]. Le Figaro betont jedoch, dass der Schauspieler auch "Werbung für Banken der kasachischen Oligarchen oder die armenische Fluggesellschaft Armavia mache und auch die aserbaidschanische Küche fördere".

Man hätte eher gewünscht, dass der französische Medien-mainstream daran erinnerte, dass Obelix jedoch noch nicht Großfürst von Eurasien sei, sondern vielmehr seine Verbindungen mit der ehemaligen Sowjetunion alt und reell wären [9]. Zum Beispiel kaufte er letztes Jahr Weinberge auf der Krim [10], spendete an Krankenhäuser in St. Petersburg im Jahr 2011 [11], drehte in der Serie Rasputin und ist in Russland sehr beliebt, unter anderem durch seine regelmäßige Präsenz in Russland auf Galas und gesellschaftlichen Ereignissen. Er war auch ein Mitglied des Vorstands des Filmfestivals Moskau.

Es ist übrigens überraschend, welches Aufsehen der Abgang von Gérard Depardieu aus Frankreich bei einigen Journalisten erregt, er, der nur dem Weg der großen Mehrheit der Vermögenden und prominenten Franzosen gefolgt ist: Yannick Noah, Johnny Halliday, Florent Pagny, Alain Delon, Paul Loup Sulitzer, Marion Bartoli, Richard Gasquet, Gilles Simon, Jo-Wilfried Tsonga, Sébastien Loeb, Amélie Mauresmo oder auch den Familien Meunier (Carrefour), Castel (Nicolas, Vichy Célestins), Weirtheimer (Chanel), Mulliez (Auchan und Décathlon), Bernard Arnault oder auch Christian Clavier im Exil in London. Die Liste ist nicht vollständig.

Darüber hinaus wissen viele Franzosen nicht, dass zahlreiche französische Stars regelmäßig in Russland verweilen, sei es Alain Delon [12], Patricia Kaas, Pierre Richard, Mireille Matthieu oder Lara Fabian [13], ein Beweis, dass ihnen dieses Land ein Minimum gefällt, und dass die französische Kultur eine treue Anhängerschaft in Russland hat. Was die Verwandtschaft von Masha Méril betrifft, akzeptierte sie einfach die von den russischen Behörden geschenkten russischen Pässe [14].

Aber man könnte auch fragen, warum kein einziger Journalist auf die Kommentare von David Cameron reagiert hatte, der vor 6 Monaten offen die Franzosen und französischen Unternehmer drängte, ins Steuer-Exil nach England zu gehen, indem er einfach sagte: „wir werden den roten Teppich aufrollen, um die französischen Unternehmen willkommen zu heißen, die jetzt in Großbritannien Steuern zahlen und unsere öffentlichen Dienste und unsere Schulen finanzieren werden“ [15].

Aber natürlich Belgien und England sind nicht Russland und auch Gutes von Putin und der Russischen Föderation zu sagen ist ein moralischer Frevel, der konsequent die Wut der Medien entfacht, und zwar ohne jegliche Logik und Einsicht.

In Russland machen sich ein paar seltene, abweichende Stimmen hörbar, um sich gegen diese Entscheidung des Zaren Putin zu erheben, Beweis, dass jeder sich dort ausdrücken kann. Dies gilt zum Beispiel für den sehr rebellischen Edouard Limonov, der diese Einbürgerung durch seinen schlimmsten Feind begrüßte, in der Hoffnung, dass Obelix ihn jeden 31. des Monats an den Demonstrationen gegen den Kreml begleiten würde, ein Wunsch, von dem man sich vorstellen kann, dass er nicht aufgehen wird [16].

Aber Edouard Limonov, der während der „cohabitation“ (Zusammenlebens des sozialistischen Präsidenten Mitterand und der rechten Regierung) von 1987 zum Franzosen gemacht wurde, weiß ohne Zweifel besser als niemand was er sagt, er, der gerade seinen französischen Pass zurückgegeben hat um Kandidat für die Wahlen in Russland sein zu können. Was den Journalisten Matvei Ganapolski angeht, auf dem Widerstands-Radio Echo Moskvy, sagt er: „dass wir nie vergessen und ihm nie diesen Satz verzeihen werden: Dies ist eine große Demokratie“ [17].

Um andererseits die Lächerlichkeit der Angriffe gegen Obelix gut zu erkennen, wird jetzt dem Schauspieler vorgeworfen, ein Haus im Süden von Moskau kaufen zu wollen, mit der Begründung, in seinem Umkreis gäbe es eine psychiatrische Klinik, oder ein Haus in Mordwinien unter dem Vorwand akzeptiert zu haben, weil das Gebiet eine Strafkolonie beherberge [18]. Die russische Region wird auch als russisches «Pétaouchnok» [« Kaff », herabsetzend AdÜ] bezeichnet [19], der Autor dieser brillante Analyse vergaß offensichtlich zu erwähnen, dass dieser einfache Bereich allein fast die Größe Belgiens ausmacht.

Schon jetzt wird Gérard Depardieu vorgeworfen, ein Agent des KGB zu sein [20], und man fragt sich, wie weit das alles noch gehen kann. Aber für manche Analysten ist es auch seine Ablehnung für die Stadt und sein Vorzug für das weite, tiefe Russland (Mordwinien und die Birken), was ihm den Hass vieler Kommentatoren einbringt, [21] die sich gewöhnlich mehr für das protestierende, städtische und westlich-gerichtete Russland interessieren, als für das Landleben und die Tradition.

Dieser Fall gibt allerdings zu denken, und nicht nur wegen der miserablen Medien-Aggression, die den berühmtesten Gallier genauso wie eine juristisch souveräne Entscheidung des demokratisch-gewählten Präsidenten des größten Landes der Welt betrifft. Die Fragen richten sich meiner Meinung nach, eher auf das gallische Dorf selbst, welches Obelix zuletzt verlassen hat. Die traurige Wahrheit ist, dass Frankreich ein steuer-erdrückendes Land geworden ist und auch ein Land mit einer erlahmten Wirtschaft, mit mehr als 9 Millionen Menschen ohne Vollzeitarbeit, d.h. 30 % der erwerbstätigen Bevölkerung [22] und dass Depardieu sich nur den einigen Millionen Franzosen anschließt, die bereits im Ausland sind: Er ist wahrscheinlich nicht nur aus steuerlichen Gründen abgezogen, sondern auch um einem einfach abscheulichen, politischen und moralischen Klima zu entkommen [23], und es geht nicht um das Klima der Medien.

Aber warum sollte das wirklich überraschen, da unsere Politiker seit Jahrzehnten für die Schaffung eines Europas ohne Grenzen arbeiten, innerhalb welcher jeder frei ist, sich zu bewegen und zu leben, wo er will? Man kann sich nur über die patriotisch klingenden Vorträge wundern, die die Abfahrt von Depardieu begleiten, obwohl der Begriff der Heimat mindestens genauso stark in Frankreich verunglimpft wird, wie der der Grenze.

Manche französische Politiker konnten in diesem Fall ihr wahres Gesicht zeigen. Daniel Cohn-Bendit hat unseren nationalen Obelix sogar einen „Vollidiot" geheißen, [24] während Jean Christophe Cambadélis ihn mit Humor (?) daran erinnerte, dass „Depardieu bereits Belgier werden wollte. Also sagte ich mir, dass Putin nicht Katharina die Große wäre und Depardieu kein Diderot oder Voltaire“ [25].

Vor kurzem war es Brigitte Bardot, die aus anderen Gründen gerade drohte, auch die russische Staatsbürgerschaft zu beantragen und Frankreich für immer zu verlassen [26]. Der Minister für Wirtschaft Benoît Hamon sagte scherzhaft, dass sie „um Gérard Depardieus Hand anhalten könnte, das wäre phantastisch!“ [27], was ihm wiederum einbrachte, als "Ökologen-Idiot" von der berühmten Schauspielerin apostrophiert zu werden. Viele andere gewählte Vertreter haben sich auf Twitter ausgetobt [28]. Die Leser können allein beurteilen.

Man fragt sich, was die Welt von diesem Niveau der Debatte zwischen den Politikern und französischen Künstlern denken soll. Eins ist sicher: die Franzosen mögen nicht, dass man ihre Künstler beleidigt und die französische Regierung wird wahrscheinlich diese Affäre teuer bezahlen. Unsere Regierung hätte zweifellos eher vorgezogen, dass dieses Gesetz über die Besteuerung kein weltweites Gesprächsthema werde, was aus Frankreich indirekt das unbeliebteste Land für die Reichen dieser Welt macht.

Die Frage, die sich alle stellen, ist nun, ob man vor einem massiven Auszug von reichen (und weniger reichen) Galliern nach Putins Russland steht. Viele Franzosen wissen das nicht, ihre Journalisten sprechen nicht darüber, aber allein im Jahr 2010 waren es mehr als 4500 Franzosen, die die russische Staatsbürgerschaft angenommen haben, laut dem Journalisten Youri Kovalenko, der diese Zahl dem Institut Eurostat entnommen hat. Sicherlich kann man sich vorstellen, dass eine Menge von ihnen russischer Herkunft sind, aber sicherlich nicht alle. Obelix ist der einzige, der von der größten Medienberichterstattung profitiert hat.

Das Hexagon [Sechseck = Frankreich AdÜ.] hat übrigens wirklich keinen Grund sich zu erfreuen, dass Depardieu fort ging und auch riskiert, Brigitte Bardot zu verlieren: die Heimat von Voltaire hatte im vergangenen Jahr als Gegenleistung nur die FEMEN geerbt, und einige französische Ökologie-Führer wollten ganz einfach, dass die Pussy Riot Französinnen werden und sogar auch zum Rang der Ehrenbürger der Stadt Paris erhoben.

Für jene Leser, die nicht wissen, wovon die Rede ist, rate ich, hier nachzulesen [29]. Eine Meinung, die absolut identisch ist mit der von unseren nationalen Gewerkschaftlern, einschließlich des Führers der FO [Force Ouvrière], Jean Claude Maillard, der erklärte: "Ich finde es traurig zu sagen, wie er sagte, dass Russland eine große Demokratie ist. Ich ziehe die Pussy Riot dem Gérard Depardieu in diesem Fall vor". Die Pussy Riot einem der größten französischen Schauspieler vorzuziehen, ist eine geistige Pirouette, deren Geheimnis offensichtlich nur einigen Mitgliedern der französischen Linken vorbehalten ist, wie Panoramix [Figur des „Astérix“ Comicstrip] wohl der einzige ist, der die Formel des Zaubertranks kennt.

Depardieu und Bardot gegen die Femen und Pussy Riot? Man kann sich fragen, ob die Republik dabei gewinnt oder ob, „bei Toutatis“, [Astérix-formel „bei Gott“] der Himmel nicht einfach einigen Journalisten, Politikern und Gewerkschaftlern auf den Kopf gefallen ist. Wie Jacques Sapir sehr gut bemerkt [30]: "die russische Realität stellt sich wieder einmal als sehr anders als der Schein heraus. Die Affäre Depardieu, durch Fantasien von jeglicher Art sowie durch anti-russische Vorurteile der französischen Presse angefeuert, trägt nicht zu einer objektiven Betrachtung dieser Realität bei" [31].


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