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GTL | 21.7.2014 | Kommentare (0)
Den Sommerlöchern von heute fehlt der Sommer
Erinnern Sie sich noch an die Sommerlöcher (engl. silly season) meiner Jugend?
Nessi das Monster aus Schottland,
Mann biss Hund oder
Problembär Bruno
verkürzten die Zeit bis zum wohlverdienten Urlaubsantritt oder zauberten noch ein leinmal das unbeschwerte Lächeln der vergangenen Urlaubserlebnisse herbei.
Ist es altersbedingt selektives Vergessen und nostalgische Verklärung der Zeit, in der man seine Zeit eher im Freibad als auf Twitter verbracht hat, aber der hormonverklärte Sonnenuntergang am Meer wurde schon längst vom waffeninduzierten Weltuntergang in Scheibchenform abgelöst.
Mussten sich die urlaubsbedingt ausgedünnten Nachrichtenagenturen ihre Schlagzeilen damals noch aus dem Gurkenglas fischen (Sauregurkenzeit), verdrängt der ächste militärische Gegenschlag, das nächste abgesoffene Flüchtlingsboot und der unerwartete Kollateralschaden, den scheinbar unüberbietbaren Horror der vorangegangenen Stunde.
Druck wird erhöht, Rache wird geübt, Demos werden abgehalten und allenthalben sterben Menschen,
dazwischen gedenken wir noch ein bißchen der Mondlandung am 20. Juli 1969.
Da hilft - wie so oft ein Blick in das, was fleissige Geister in der Wikipedia zusammengetragen haben: Unter der Fülle an Ereignissen, die alle am 20. Juli stattgefunden haben (http://de.wikipedia.org/wiki/20._Juli) finden sich durchaus Beispiele dafür, dass auch früher im Sommerloch gestorben und gemordet wurde:
1546: Kaiser Karl V. verhängt über Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen und Landgraf Philipp I. von Hessen die Reichsacht. Damit wird der Schmalkaldische Krieg mit der protestantischen Seite ausgelöst.
1552: Nach der Eroberung von Temesvar wird das Banat Bestandteil des Osmanischen Reiches. Die Osmanen verbreiten den Islam.
1630: Der schwedische König Gustav II. Adolf zieht nach seinem Eingreifen in den Dreißigjährigen Krieg in Stettin ein.
1632: Vor Wiesloch kommt es zu ersten Kämpfen zwischen schwedischen Einheiten unter Gustav II. Adolf und kaiserlich-bayerischer Reiterei, die die Schweden für sich entscheiden.
1728: Eine französische Flotte beginnt mit der Bombardierung von Tripolis, in dem sechstägigen Beschuss wird die nordafrikanische Korsarenstadt fast völlig zerstört.
1866: Die Österreichische Marine unter Admiral Wilhelm von Tegetthoff besiegt die überlegene italienische Marine in der Seeschlacht von Lissa.
1881: Der Sioux-Häuptling Sitting Bull kapituliert mit seinen Gefährten in Fort Buford (Norddakota) gegenüber der United States Army.
1905: In Deutsch-Ostafrika beginnt der Maji-Maji-Aufstand.
1920: Die deutsche Regierung erlässt im Hinblick auf den Polnisch-Sowjetischen Krieg ein Waffenembargo und unterstreicht damit ihre Neutralitätserklärung für diesen Konflikt.
1944: Operation Walküre: Claus Graf Schenk von Stauffenberg verübt ein Attentat auf Adolf Hitler, das jedoch scheitert.
1949: Syrien schließt als letzter Kriegsgegner im Palästinakrieg ein Waffenstillstandsabkommen mit Israel.
1951: König Abdallah I. von Jordanien wird auf dem Tempelberg in Jerusalem ermordet.
1974: Zypern-Konflikt: Die Türkei besetzt als Folge des Militärputsches vom 15. Juli unter Berufung auf den Londoner Garantievertrag 1959 den Nordteil Zyperns.
1977: Libysche Artillerieeinheiten beschießen die ägyptische Grenzstadt as Sallum und den Halfaya-Pass, nachdem ein Protestmarsch gegen die Annäherung Ägyptens an Israel von ägyptischen Soldaten gestoppt worden ist. Damit beginnt der fünftägige Libysch-Ägyptische Grenzkrieg.
1985: Rassenunruhen veranlassen die südafrikanische Apartheid-Regierung für 36 Bezirke im Land den Ausnahmezustand zu verkünden.
1999: Mit einer Verhaftungswelle beginnt in der Volksrepublik China die systematische Verfolgung von Falun-Gong-Praktizierenden.
1999: Ernst Volker Staub und Daniela Klette, Mitglieder der seit April 1998 offiziell aufgelösten RAF, überfallen in Duisburg einen Geldtransporter mit einer Panzerfaust.
2001: Der Italienische Aktivist Carlo Giuliani wird während einer Demonstration zum G8-Gipfel in Genua von einem Polizisten erschossen.
Ok, diese Einträge umspannen - im Gegensatz zu meinem Kurzzeitgedächtnis - fast 500 Jahre, aber scheinen das Konstrukt der ruhigen Sommerzeit doch etwas löchrig zu schiessen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es früher sinnvoller schien, den Menschen ein friedliches Umfeld vorzugaukeln, um sie nicht am Konsumieren der Wirtschaftswundertüte zu hindern und jetzt einfach mehr unsere Kooperation am propagandistischen Endkampf eingefordert wird.
NYT :15th July 2014 In Call, Obama and Merkel Discuss ‘Cooperation’ on Intelligence http://www.nytimes.com/2014/07/16/world/europe/in-call-obama-and-merkel-discuss-cooperation-on-intelligence.html?_r=0