Den anonymen Opfern des Cybermobbings ein Gesicht geben: Der Abschiedsbrief von Tim aus Eschede

Von Humanicum

Eine extrem schockierende Traueranzeige für ein Mobbing-Opfer hat Bestürzung in den Niederlande hervorgerufen. Die Eltern des 20-jährigen Tim hatten am Montag in der Tageszeitung “Twentsche Courant Tubantia” aus Enschede den Abschiedsbrief ihres Sohnes veröffentlicht.

“Liebe Pap und Mam, ich wurde mein ganzes Leben lang verspottet, gemobbt, gehänselt und ausgeschlossen. Ihr seid fantastisch. Ich hoffe, dass ihr nicht sauer seid. Auf Wiedersehen, Tim.”

Es ist wichtig, den anonymen Opfern des Cybermobbings ein menschliches Gesicht zu geben. Das Internet befreit uns nicht von moralischer Verantwortung. Es scheint aber oft eine unpersönliche Distanz zum anderen Menschen  aufzubauen, die dazu verleitet, die Gefühle anderer nicht wahrzunehmen oder ganz zu ignorieren – empathische Fähigkeiten verschwinden. Menschlichkeit und Fairnis gelten oft als Schwäche, cooles Bashing, shitstormen und Cyberdissen hingegen als in und modern. Die “Opfa” werden verachtet und weiter entwürdigt – ganz so, als ob man einem am Boden liegenden  und schwer verletzten Opfer weiter tritt und schlägt, bis zum Tod. Das gesellschaftliche Klima ist in den letzten Jahren spürbar abgekühlt. Menschen gelten in der Leistungs- und Konsumgesellschaft nur noch als Kosten oder Nutzenfaktor, als besitzender Leistungsträger oder Konsument. Die Wertigkeit scheint nur noch vom Erfolg abhängig. Leben für sich selbst genommen ist nichts wert. In dieser harten sozialdarwinistischen Welt zerbrechen die Menschen; viele werden den Anforderungen nicht mehr gerecht. Viele bekommen keinen Zuspruch, keinen Respekt. Den suchen sich immer mehr Jugendliche auf Kosten der vermeintlich Schwächeren, den sog. Opfern. Die moralische Vorbildfunktion der Erwachsenen ist ausgefallen. Viele leben nur noch Gier, kalte Ausbeutung, und gefühlose Konsumorientierung vor. Wir brauchen uns nicht mehr zu wundern, wenn unsere Gesellschaft langsam zerfällt.

so long – humanicum