Was sich Griechenland, nominell immerhin noch eine Demokratie, da traut, ist schon unbegreiflich. Will die dortige Regierung tatsächlich das dortige Volk befragen, ob es den eklatanten Eingriff der EU ins eigene Staatswesen, der diktatorische Folgen zeitigen wird, möchte oder nicht. Ein hin und wieder gefragtes Volk, eigentlich nicht unüblich für eine Staatsform, die sich als Demokratie versteht, ist auch den Börsen suspekt.
Prompt melden die Medien, der DAX reagiere empfindlich, die Märkte seien ungehalten darauf angesprungen, die Börse sei belastet. Wie können die Griechen nur so volksbefragerisch sein, wenn darunter die ganze Wirtschaft leidet? Oder fragen wir essentieller: Welchen Wert besitzt eine Wirtschaftsform, die strauchelt, nur weil das Volk - in einer Demokratie nicht weniger als das Souverän! - an der Neugestaltung seines Gemeinwesens mitentscheiden soll und will? Diese Wirtschaft, die sich rein spekulativ versteht, die schon bibbert, wenn demokratischer Usus praktiziert wird, entblößt den un- oder gar antidemokratischen Impetus, der ihr innewohnt.
Von der empfindlich getroffenen Spekulativwirtschaft berichten die Medien wie selbstverständlich. Dass mit sinkenden Kursen, die nur sinken, weil das griechische Volk befragt werden soll, ungehaltene Aktionäre mehr Kosteneffizienz und höhere Gewinnmargen beanstanden, Arbeitsplätze zur Erlangung dieses Wunsches abgebaut werden, scheint die Medienlandschaft nicht besonders zu interessieren. Man hat hingenommen, dass die Wirtschaft ein spekulativer Marktplatz ist, in dem reale Werte belanglos geworden sind. Welchen Wertverlust DAX-Unternehmen wirklich haben, nur weil sie einige Prozent an der Börse eingebüßt haben, erklärt niemand. Haben sie etwa Prozente ihrer fühlbaren, materiellen Werte, ihrer Produktionsanlagen etwa, ihrer Grundstücke, ihrer Geldanlagen verloren, haben sie gar einige Prozentpünktchen ihres Know-Hows abgegeben, wenn sie an der Börse nach unten tendieren? Was ein Unternehmen wirklich wert ist, ist doch nicht Frage des Börsenkurses, der maßgeblich an Psychologie gekettet ist und weniger an real geschaffenen Werten.
Was eine Wirtschaftsform wirklich wert ist, ist die Frage danach, wie es verteilt, wie es die demokratischen Rahmenbedingungen einbindet und als unveräußerliche Präambel wirtschaftlichen Handels preist. Die Wirtschaft, die heute unsere Lebensrealität ist, sie ist augenscheinlich antidemokratisch konzipiert, sie verträgt nicht mal Volksentscheide, ohne dabei ins Wanken zu geraten. Der Skandal ist nicht, dass Griechenlands Regierung politische Teilhabe umsetzt - skandalös ist, dass wir die Mitsprache der griechischen Bevölkerung als Angriff auf Europa und die europäische Wirtschaft verstehen, weil uns das die Spekulativwirtschaft so weismacht. Zweifel ist erlaubt. Nicht gegenüber den Griechen, die abstimmen sollen, sondern gegenüber einem System, das laut Krise! ruft, wenn Demokratie im Spiel ist.