Alle Jahre wieder das gleiche Bild: Neo-Nazis nutzen den Jahrestag des Luftangriffs der Royal Air Force auf die Hansestadt Lübeck in der Nacht zum Palmsonntag (28./29. März) 1942 zu einem Marsch durch die Stadt. Im letzten Jahr kamen laut „Lübecker Nachrichten“ (hier) etwa 250 Rechtsextremisten (andere sprechen von 160, hier) von nah und fern angereist, um in Lübeck zu demonstrieren. Natürlich bleiben Gegendemonstrationen nicht aus, was grundsätzlich natürlich sehr zu begrüßen ist, denn jeder aufrechte Demokrat kann gewiss nur Abscheu über diese schamlose Ausnutzung des für eine historische Stadt wie Lübeck naturgemäß besonders schmerzlichen Kriegsereignisses durch unverbesserliche Neo-Nazis empfinden. Braunes Gedankengut hat in einer Demokratie nichts verloren – linksextremistisches allerdings auch nicht.
Wobei wir beim Thema wären. Vor Jahren (genauer: 2005) hat sich in Lübeck das sogenannte Bündnis „Wir können sie stoppen“ als Sprachrohr und Haupt-Organisator der Gegen-Demos gebildet und sich mittlerweile als solches etabliert. In diesem Bündnis arbeiten laut eigenen Angaben (hier) neben durchaus respektablen gesellschaftlichen Organisationen wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Lübecker SPD und evangelischen Kirchenorganisationen auch Gruppierungen regelmäßig mit, die vom Verfassungsschutz als linksextremistisch oder aber linksextremistisch unterwandert eingestuft werden: „Avanti – undogmatische Linke“ (hier), „Basta – Linke Jugend“ (hier), „Lübecker Bündnis gegen Rassismus“ (hier) und „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (hier). Ferner finden sich als regelmäßige Mitstreiter Vereine oder Gruppen mit wenig demokratieverheißenden Namen wie „Radikale Linke Lübeck“, „Roter Stern Lübeck“ und “Anarchist Federation“. Auf ihrer Internet-Seite (hier) zählt das Bündnis „Wir können sie stoppen“ stolz die „Organisationen und Einzelpersonen“ auf, die „den diesjährigen Aufruf als ErstunterzeicherInnen“ unterstützen. Dabei sind u.a. ebenfalls nach Einschätzung des Verfassungsschutzes als linksextremistisch eingestufte Gruppierungen wie Deutsche Kommunistische Partei (DKP, hier) und Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ, hier).
Ich hatte bereits in meiner Zeit als Mitglied der Lübecker Bürgerschaft mit einer gewissen Fassungslosigkeit zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich selbst die sog. bürgerliche Partei CDU scheut, offen „Nein“ zu sagen, wenn es um die öffentliche Aufforderung geht, Seit’ an Seit’ mit dem Bündnis „Wir können sie stoppen“ gegen den alljährlichen Neo-Nazi-Aufmarsch zu demonstrieren. Dabei ist im Verfassungsschutzbericht des Landes Schleswig-Holstein für 2009 (Seite 92, hier) Folgendes zu lesen:
Auch 2009 wurde am 28. März dagegen mit einer „antifaschistischen“ Demonstration unter dem Motto „Wir können sie stoppen! Kein Nazi-Aufmarsch in Lübeck!“ protestiert. Es hatte sich ein breit gefächerter Widerstand gebildet. Ein Bündnis aus Kirchenvertretern, Gewerkschaften, Parteien, bürgerlichen, aber auch linksextremistischen Gruppierungen hat dabei eine führende Rolle in der Gegenmobilisierung eingenommen. Wie in den Vorjahren spielte erneut die Lübecker Ortsgruppe der linksextremistischen Gruppierung „Avanti – Projekt undogmatische Linke“ bei der Gesamtorganisation eine dominierende Rolle.
Vor ein paar Tagen musste ich mich mit Vorhaltungen auseinandersetzen, weil ich in einem „virtuellen Netzwerk“ eine Einladung, bei der vom Bündnis „Wir können Sie stoppen“ organisierten Demo mitzumachen, wie folgt beantwortet hatte: „Mir hat es letztes Jahr definitiv gereicht, an der Seite von Linksextremisten zu marschieren! Für mich nie wieder!“ (Anmerkung: Damals musste ich quasi gegen meine Überzeugung als FDP-Fraktionsvorsitzender in der Lübecker Bürgerschaft mitdemonstrieren.) Bei einer Demonstration, zu der alle aufgerufen werden, müsse man damit rechnen, das dort auch Linksextremisten auflaufen werden, so der Hinweis des „Beschwerdeführers“. Weiter: „Dies wird wohl bei beinahe jeder Demonstration sein. Doch finde ich es nicht in Ordnung, dass Sie sich von ein Paar Extremisten von dem eigentlichen abhalten lassen.“ So mag mancher es sehen.
Zwischen den vielen Demos, bei denen in der Tat nicht auszuschließen ist, dass der eine oder andere Extremist mitmarschiert, und der jährlichen Gegendemo in Lübeck gibt es aber leider einen entscheidenden Unterschied: In Lübeck werden im Kreise der Demonstranten Linksextremisten im dahinter stehenden Bündnis mit „offenen Armen empfangen“, so dass es hier um offene Solidarisierung mit (und damit Verharmlosung von) linksextremistischen Gruppen geht und nicht etwa nur um die zufällige Anwesenheit von „ein paar Extremisten“.
Deshalb sage ich ganz offen: Mit mir nicht! Und ich genieße es, nebenbei bemerkt, meine diesbezügliche Meinung so offen kundtun zu dürfen, ohne auf irgendwelche partei- oder wahltaktischen Erwägungen Rücksicht nehmen zu müssen. Dabei fühle ich mich mit meiner Meinung im Übrigen in bester Gesellschaft, denn ich bin mir ganz sicher, dass die überwiegende Mehrheit der Lübeckerinnen und Lübecker ganz ähnlich denkt wie ich. Aber das hat unsere Lübecker Parteien ja noch nie sonderlich gestört. Deshalb wird es vermutlich auch in diesem Jahr wieder eine breite Zustimmung in der Bürgerschaft zu einem Resolutionsentwurf zugunsten der Teilnahme an der maßgeblich von Linksextremisten gesteuerten Demo gegen Rechts geben. Nun gut, sollen sie’s beschließen…